Internet Wenn Kinder Pornos schauen: Was Eltern tun können

Pornoseiten sind ab 18 Jahren – doch die Schutzmaßnahmen seien nicht zureichend.
Pornoseiten sind ab 18 Jahren – doch die Schutzmaßnahmen seien nicht zureichend.

Mit einem Klick plötzlich auf einer Pornoseite: Anlässlich des „Safer Internet Day 2024“ zeigt eine Umfrage, dass Kinder in einem Alter von durchschnittlich zwölf Jahren anfangen, Pornos zu konsumieren.

Von Anna Duurland

Im Internet kursiert ein Porno. Zu sehen ist die US-Sängerin Taylor Swift. So jedenfalls der Schein, denn das Video ist nicht echt. Die Bilder wurden mit Künstlicher Intelligenz erzeugt. Das sorgte für Aufregung. Nicht nur Fans des Pop-Superstars, sondern auch zahlreiche Promis und ein Sprecher des Weißen Hauses kritisierten den Deepfake-Porno. Gefälschte pornografische Bilder von Prominenten sind nichts Neues. Experten fürchten allerdings, dass die Nutzung von Künstlicher Intelligenz zu einer wahren Flut an solchen problematischen Inhalten führen wird.

Auch deswegen soll laut dem rheinland-pfälzischen Bildungsministerium über Pornografie gesprochen werden. Kinder und Jugendliche könnten pornografische Inhalte nur schwer eigenständig bewerten, so die Richtlinien zur Sexualerziehung des Ministeriums. Leistungsdruck könne erzeugt und Versagensängste könnten entwickelt werden. In der Schule sollten Gesprächspartner eine kritische Auseinandersetzung fördern und die Kinder und Jugendlichen in ihrer Persönlichkeitsentwicklung begleiten. Die Verbreitung von Pornografie über ungeschützte oder unzureichend geschützte Kanäle aus dem Internet soll kritisch thematisiert werden, heißt es in den Richtlinien. Sexualerziehung sei aber eine gemeinsame Aufgabe von Elternhaus und Schule.

Der Pornokonsum von Kindern und Jugendlichen

Eine Umfrage des Meinungsinstituts „Forsa“, die anlässlich des „Safer Internet Day“ am 6. Februar erschienen ist, macht das Ausmaß von Pornokonsum von Kindern und Jugendlichen deutlich. Die repräsentative Befragung zeige, dass 19 Prozent der Jungen und 14 Prozent der Mädchen bereits im Alter zwischen sieben und zehn Jahren erstmals mit pornografischen Inhalten in Kontakt kommen. Die Medienwelt sei sexualisiert – das zeigen die Zahlen der Technik-Nachrichtenwebseite „giga.de“ aus dem Jahr 2020. Demnach seien 35 Prozent des Datenverkehrs im Internet pornografischen Ursprungs. Laut einer „WDR“-Umfrage aus dem Jahr 2017 konsumieren die Hälfte der 14- bis 17-jährigen Jungen mehrmals wöchentlich Pornos, weitere 21 Prozent täglich.

Dazu kommen weitere besorgniserregende Zahlen: Rund 90 Prozent des pornografischen Materials enthalte laut einer Studie des französischen Hohen Rats für die Gleichstellung von Frauen und Männern physische, sexuelle oder verbale Gewalt gegen Frauen. Eine ähnliche US-Studie zeigt, dass regelmäßiger Konsum zudem mit den sexuellen Einstellungen und Verhaltensweisen von Jugendlichen zusammenhänge. Es könnten etwa unrealistische Erwartungshaltungen an Sex und Beziehungen entstehen.

Gespaltene Expertenmeinungen

Gesetzlich ist der Konsum von pornografischem Material eindeutig geregelt: Er ist ab 18 Jahren erlaubt. Doch die Studien über den Konsum von Jugendlichen zeigen eine andere Realität. Darüber wurde am 6. Februar, dem „Safer Internet Day“, in Mainz von Experten diskutiert. Tabea Freitag, Diplom-Psychologin bei „Return“, Fachstelle für Mediensucht und -erziehung in Hannover, zieht einen Vergleich: „Niemand würde seine elfjährige Tochter nachts allein auf der Reeperbahn spazieren lassen. Im Internet sehen sie bis in die Folterkeller sexueller Gewalt hinein.“ Sie vermisse einen gesellschaftlichen Aufschrei.

Laut der Expertin sei die Konfrontation von Kindern mit Pornografie eine Form von sexuellem Missbrauch, da es massiv auf ihre Fantasien und ihre Entwicklung einwirke. Den immer früheren und freien Zugang zu pornografischem Material – auf dem Smartphone, zu Hause, in der Schule – nennt sie daher den „größten Missbrauchsskandal der Geschichte“. Als Grund für die Normalisierung des Porno-Konsums von Kindern sieht die Expertin den stark verbreiteten Konsum unter Erwachsenen. Ein eigener Konsum mache laut Studien unkritischer gegenüber dem Konsum bei Minderjährigen.

Es gibt aber auch Personen, die das Thema weniger kritisch sehen. Madita Oeming erforscht als Literatur- und Medienwissenschaftlerin die Rolle von Pornografie in der Gesellschaft. Oeming wünscht sich mehr Pornokompetenz. Dies könne durch Gesprächsangebote, aber auch durch generelle Medienkompetenz geschafft werden. Dass Pornos nicht realistisch seien, sollte allen klar sein. „Die Filmreihe ,Fast and Furious’ erklärt auch keinen Schulterblick (im Auto, Anm d. Red.) und niemand beschwert sich“, argumentiert sie. Laut Oeming ist es jedoch problematisch, dass Pornos die sexuelle Aufklärung übernommen haben. Da habe der Staat versagt. Da Pornos nun seit über 20 Jahren im Internet für Jugendliche zugänglich sind und die junge Generation noch nicht sexuell verwahrlost sei, seien laut der Literatur- und Medienwissenschaftlerin Pornos kein großes Problem.

Wie sollten sich Eltern verhalten?

Eine Hilfestellung, die „Klicksafe“ – eine EU-Initiative für mehr Sicherheit im Netz – den Eltern mitgibt: Je jünger das Kind, desto höher der Schutz – je älter das Kind, desto mehr Gespräche. So wird empfohlen, die ersten Schritte im Internet zu begleiten. Für jüngere Kinder gebe es beispielsweise altersgerechte Inhalte auf den Internetseiten „internet-abc.de“ oder durch die Suchmaschine „fragfinn.de“. Bei älteren Kindern seien Gespräche auf Vertrauensbasis wichtig. Eine Studie der Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen aus 2023 zeigt, dass nur ein Drittel der Kinder zwischen elf und 17 Jahren, die bereits einen Porno gesehen haben, die Darstellung für unrealistisch halten. So könne das Gesehene eine Belastung für den eigenen Selbstwert und das Sexualverhalten darstellen.

Es gibt auch technische Schutzeinstellung für digitale Geräte von Kindern. Zwei Ansätze können dort verfolgt werden: Das „Whitelist-Prinzip“ (Positivlisten), bei dem nur geschützte Räume zugänglich gemacht werden oder das „Blacklist-Prinzip“ (Negativlisten), bei dem Inhalte gesperrt werden. Der Filter solle für Erwachsene leicht bedienbar, aber für Kinder schwer zu knacken sein. Prinzipiell empfiehlt „Klicksafe“ ein überschaubares Angebot an kindgerechten Browsern und Webseiten zur Verfügung zu stellen. Die altersgerechte Kombination aus technischen Maßnahmen und erzieherischen Mitteln biete am ehesten Sicherheit. Laut „Klicksafe“ sollte man Kinder nicht vor dem Internet bewahren, sondern sie stärken.

Die richtige Reaktion

Das Kind solle laut den Experten von „Klicksafe“ nicht die Schuld bekommen, falls es trotz Absprachen und Vorsichtsmaßnahmen problematische Inhalte im Web sieht. Dies könne bei einem falschen Klick auch leicht ungewollt passieren. Zudem könne die Angst vor Strafe, wie einem Internetverbot, dazu führen, dass das Kind versucht, internetbezogene Probleme alleine zu lösen. Dies führe besonders bei jüngeren Kindern zu einer Überforderung und stünde einem offenen Austausch entgegen.

Besser wäre es, wenn Eltern und Kinder das Melden von problematischen Inhalten üben und eine Vertrauensbasis für Gespräche über das Thema schaffen. Jugendgefährdende Inhalte können bei den Plattformen oder bei Meldestellen wie „jugendschutz.net“ oder „internet-beschwerdestelle.de“ gemeldet werden. Wenn eine Vertrauensbasis besteht und ein Kind im jungen Alter Pornos sieht, sollten laut „Klicksafe“ die Eltern einige Themen ansprechen. Die Wahrnehmung des eigenen Körpers, der Umgang miteinander, die dort zu sehende Lust und die vermittelten Rollenbilder sollten in Begleitung von einem Erwachsenen eingeordnet werden. In Gesprächen sollten Scham oder Schuldgefühle laut Experten nicht noch verstärkt werden.

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