Politik Die Klimaschutz-Beschlüsse: Alles mit Erdgas und Erdöl wird teurer

Ganz schön heiß: Während der Beratungen im Kanzleramt wurde das Gebäude mit einer Wärmebildkamera fotografiert.
Ganz schön heiß: Während der Beratungen im Kanzleramt wurde das Gebäude mit einer Wärmebildkamera fotografiert. Foto: dpa

Was auf die Bürger mit dem Klimaschutzprogramm 2030 zukommt. Wie sie durch ihr Verhalten und Konsumieren Extrakosten vermeiden können. Und wie der beabsichtigte Handel mit CO2-Zertifikaten funktioniert.

Das Klimaschutzprogramm 2030 besteht in Wahrheit aus Eckpunkten. Um die dort formulierten Ziele zu erreichen, müssen in vielen Fällen erst noch Gesetzentwürfe beschlossen werden – denen dann der Bundestag und der Bundesrat, also die Länder, zustimmen müssen. In manchen Gebieten, etwa der Landwirtschaft, begegnet man auch „alten Bekannten“, zum Beispiel der Absicht, die Belastung der Ackerflächen mit Nitrat zu senken. Inhaltlich ruhen die Klimabeschlüsse auf vier Säulen. Erstens sind Förderprogramme und finanzielle Anreize zum Einsparen von Treibhausgasen wie Kohlendioxid (CO2) vorgesehen. Zweitens bekommt der Ausstoß von CO2 einen Preis – auch in Bereichen, in denen dies bis jetzt nicht der Fall war. Die Regierung betont: Es sei nicht daran gedacht, diese Einnahmen für den allgemeinen Haushalt zu verwenden. Vielmehr sollen alle Einnahmen der zusätzlichen CO2 -Bepreisung in Maßnahmen für den Klimaschutz fließen. Oder das Geld soll, und dies ist die dritte Säule, an die Bürger zurückfließen – zum Ausgleich für soziale Härten. Viertens wird es „regulatorische Maßnahmen“ geben – also Vorschriften und Gesetze. Die Daumenschrauben des Ordnungsrecht sollen allerdings erst am Ende des Zeitraums bis 2030 angezogen werden – dann, wenn sich die Bürger darauf eingestellt haben, dass sie bei ihren Kaufentscheidungen den Energieverbrauch und die Energieform sehr viel stärker als bisher mitbedenken müssen. Wie verteuert sich der Ausstoß des Klimagases CO2 ?Wochenlang hatten sich Union und SPD gezofft: CDU/CSU wollten keine CO2 -Steuer, die SPD dagegen schon. Zumal eine solche Steuer schnell einzuführen wäre. Vielen Bürgern war diese Diskussion viel zu akademisch. Jetzt müssen sie nur dies wissen: Ab 2021 wird der CO2 -Ausstoß auch in den Sektoren Verkehr und Wärme (im Haushalt) finanziell berücksichtigt. Das heißt: Erdgas und Erdöl werden tendenziell teurer, erneuerbare Energien haben einen wachsenden Preisvorteil. Bewerkstelligt wird dies über einen nationalen Handel mit Verschmutzungsrechten (der sich je Tonne CO2 bemisst). Solch einen Handel gibt es bereits in der Europäischen Union. Doch an ihm nehmen nur große Unternehmen und Stromerzeuger teil. Nun kommt der private Bereich dazu. Doch niemand muss Angst haben, dass er an der Börse mit CO2-Zertifikaten jonglieren muss, bei denen ja Angebot und Nachfrage den Preis bestimmen. Dieser Handel läuft im Hintergrund ab. Die Beteiligten sind beispielsweise Minerölfirmen – die den steigenden Preis je Tonne CO2 (und damit je Liter Kraftstoff) an die Tankenden weitergeben. Um starke Schwankungen der Zertifikate zu vermeiden (was die SPD beim Emissionshandel kritisiert hatte und weswegen sie eine CO2 -Steuer favorisierte), werden ab 2026 – wenn die Handelsplattform wirklich arbeiten soll – ein Mindest- und ein Höchstpreis festgelegt. Außerdem wird dann eine maximale Menge an Treibhausgasen festgelegt, die im Jahr ausgestoßen werden darf. Diese Menge soll dann von Jahr zu Jahr verkleinert werden – was natürlich den Erwerb eines einzelnen CO2 -Zertifikats verteuern wird. Und wie läuft der soziale Ausgleich?Mit dem Einstieg in die CO2 -Bepreisung sollen die Bürger (und die Wirtschaft) beim Strompreis entlastet werden. Das Versprechen lautet: Die EEG-Umlage und andere Preisbestandteile je Kilowattstunde Strom (beispielsweise das Entgelt fürs Stromnetz) sollen allmählich aus den Einnahmen im CO2 -System bezahlt werden. Zum Schluss soll gelten: Steigen die Einnahmen aus der CO2 -Bepreisung, wird der Strompreis analog gesenkt. So soll der Anreiz zur Elektrifizierung steigen – auch in Sektoren wie dem Verkehr. Zur Entlastung von Fernpendlern wird die steuerliche Pauschale ab 2021 ab Kilometer 21 angehoben: auf 35 Cent (statt 30 Cent), dies aber nur befristet bis 31. Dezember 2026. Wohngeldbezieher sollen ein zehn Prozent höheres Wohngeld erhalten, damit sie die zu erwartenden höheren Heizkosten stemmen können. Was ändert sich für Besitzer von Wohneigentum?Vor den Beratungen über ein Klimapaket war klar: Beim Gebäudesektor muss sich etwas tun. Schließlich ist hier – neben dem Verkehrsbereich – die Lücke zwischen der Realität und dem, was klimapolitisch notwendig wäre, am größten. Dabei sind Gebäude für 14 Prozent der deutschen CO2 -Emissionen verantwortlich. Dies entspricht 120 Millionen Tonnen CO2 im Jahr. Im Jahr 2030, so der Plan, sollen es noch 72 Millionen Tonnen CO2 sein – höchstens. Um dieses Ziel zu erreichen, soll es ab 2020 – ergänzend zu bereits bestehenden Förderprogrammen – eine Neuerung geben. Auch für selbstgenutztes Eigentum soll es möglich werden, energetische Sanierungsmaßnahmen steuerlich geltend zu machen (bei der Steuerschuld). So sollen Gebäudebesitzer aller Einkommensklassen „gleichermaßen von der Maßnahme profitieren“, heißt es. Allerdings müssen dem die Länder zustimmen. Ähnliche Pläne waren früher am Widerstand einiger Landesregierungen – insbesondere Bayern – gescheitert, weil diese Steuerausfälle für sich befürchteten. Im Klimaschutzpaket sind auch verschiedene Detailmaßnahmen enthalten. So soll etwa ein Hausbesitzer, der alte Fenster durch moderne Wärmeschutzfenster ersetzt, seine Steuerschuld – verteilt auf drei Jahre – um 20 Prozent der Kosten verringern. Damit Ölheizungen, die die CO2 -intensivste Wärmeerzeugung darstellen, schneller ausgetauscht werden, sieht die neue „Bundesförderung für effiziente Gebäude“ eine „Austauschprämie“ für ältere Anlagen vor. 40 Prozent des Preises können gefördert werden. Daneben soll eine gesetzliche Regelung treten: In Gebäuden, in denen eine klimafreundlichere Wärmeerzeugung möglich ist (also mit Hilfe erneuerbarerer Energien), soll der Einbau einer Ölheizung ab 2026 verboten werden. Was verändert sich beim Verkehr von morgen?Der Verkehrssektor ist mit einem Anteil von 18,2 Prozent der drittgrößte Verursacher von Treibhausgasen in Deutschland. Der Plan ist, dass hier die Emissionen bis zum Jahr 2030 um über 40 Prozent gegenüber dem Referenzjahr 1990 sinken. In Tonnen beziffert wären es bis in elf Jahren noch rund 95 Millionen Tonnen CO2 , die Pkw, Schiffe und Bahnen in Deutschland dann noch ausstoßen dürften. Wenig überraschend: Künftig soll sich die Kraftfahrzeugsteuer stärker am CO2 -Ausstoß ausrichten. Das gilt besonders für Neuzulassungen. Ab 2021 soll die Steuer hauptsächlich mit Blick auf die CO2 -Emissionen pro Kilometer berechnet werden. Oberhalb von 95 Gramm CO2 je Kilometer soll es zwei Stufen geben. Hingegen soll der Kauf von Elektroautos bis zu einem Preis von 40.000 Euro stärker gefördert werden als der größerer E-Autos. Bisher beträgt die Kaufprämie 4000 Euro. Die für die Besitzer von E-Autos vorteilhaften Regelungen bei einer Nutzung als Dienstwagen sollen bis 2030 verlängert werden (dies ist jedoch kein neuer Plan). Letztlich sollen alle diese Vergünstigungen dazu führen, dass bis 2030 sieben bis zehn Millionen Elektrofahrzeuge auf Deutschlands Straßen unterwegs sind. Weil diese auch Strom „tanken“ müssen, soll gleichzeitig die Infrastruktur der Ladesäulen für Elektromobilität massiv ausgebaut werden. Insgesamt sollen in Deutschland innerhalb der kommenden elf Jahre eine Million öffentliche Ladesäulen entstehen. Tankstellen sollen durch eine Auflage verpflichtet werden, Ladepunkte anzubieten. Im Wohneigentumgesetz und im Mietrecht sollen entsprechende Änderungen dafür sorgen, dass Vermieter und Miteigentümer das Errichten einer Ladesäule nicht mehr (so einfach) torpedieren können. Auch Ladesäulen auf Mitarbeiterparkplätzen bei Unternehmen sollen steuerlich gefördert werden. Überwiegend elektrisch unterwegs ist bereits die Bahn. Um die Deutschen zum Umstieg auf die Schiene zu bewegen, soll das Bahnfahren auf Fernstrecken um zehn Prozent günstiger werden. Der Hebel: Die Mehrwertsteuer für Fernverkehrstickets soll von 19 auf sieben Prozent gesenkt werden. Zur Gegenfinanzierung sollen Flugtickets teurer werden. Angestrebt wird, ab 2020 die Luftverkehrsabgabe (Ticketsteuer) zu erhöhen. Dumpingpreise bei Flugtickets sollen verhindert werden, indem diese zumindest die anfallenden Steuern, Zuschläge und Gebühren widerspiegeln sollen. Ein Flug für neun Euro von Baden-Baden nach Berlin wäre also nicht mehr möglich. Auch der Ausbau der Radwege soll vorangetrieben werden – wobei das Eckpunkteprogramm hier nicht sehr konkret wird. Zwei Sonderprogramme „Stadt“ und „Land“ sollten die Chancengleichheit für den Radverkehr gewähren. Zumindest eine Zahl steht beim Punkt „Öffentlicher Nahverkehr“: Aus dem Bundeshaushalt soll ab 2021 jedes Jahr zusätzlich eine Milliarde Euro in den Ausbau der Bus- und Straßenbahn-Infrastruktur fließen. Ab 2025 sollen es sogar zwei Milliarden jährlich sein. Busse, die elektrisch unterwegs sind oder mit Wasserstoff oder Biogas, sollen zusätzlich gefördert werden. Ähnliches ist für den Güterverkehr angestrebt. Ziel ist es hier, dass bis 2030 ein Drittel der schweren Lastwagen elektrisch (zum Beispiel über eine Oberleitung), mit Wasserstoff (Brennstoffzelle) oder auf Basis strombasierter Kraftstoffe unterwegs sind. Ab 2023 will die Regierung einen CO2 -Aufschlag auf die Lkw-Maut einführen „unter Ausnutzung des rechtlichen Spielraums“. Gibt es auch für Landwirte Veränderungen und neue Regeln?Würde in der Land- und Forstwirtschaft alles beim Alten bleiben, würde dieser Bereich im Jahr 2030 voraussichtlich 67 Millionen Tonnen CO2 verursachen. Mit verschiedenen Vorgaben und Werkzeugen will die Bundesregierung diesen Wert um zehn Millionen Tonnen drücken. Dazu zählt zum Beispiel, dass „Wirtschaftsdünger tierischer Herkunft“, also auch Gülle, sowie landwirtschaftliche Reststoffe vermehrt in Biogasanlagen energetisch genutzt werden. Die Ausweitung der ökologisch bewirtschafteten Flächen zählt auch zu den Klimamaßnahmen. Dabei wird nämlich weniger Dünger eingesetzt. Ebenfalls im Programm: Der Schutz der Moore soll ernsthafter betrieben werden. Schließlich sind sie gigantische CO2 -Speicher. Was kommt beim Klimaschutz auf die Industrie zu?Bis 2030 muss die Industrie ihren Ausstoß an CO2 im Vergleich zum Referenzjahr 1990 um die Hälfte senken. Doch die Firmen haben bereits eine gute Strecke des Weges hinter sich gebracht. Es geht um die verbliebenen 25 Prozent, die zum Erreichen des Klimaziels noch fehlen. Allerdings ist bekannt: Das letzte Viertel ist anstrengender zu erreichen als das erste Viertel. Helfen soll dabei, dass Emissionen aus Industrieprozessen, die nicht vermieden werden können, entweder anderweitig genutzt oder gespeichert werden. Die Bundesregierung will die Entwicklung derartiger Techniken fördern. Dezidiert wendet sich die Bundesregierung an „die gesamte deutsche Grundstoffindustrie“, zu der auch der in Ludwigshafen beheimatete Chemieriese BASF gehört. Was freilich das unterirdische Lagern von CO2 angeht, etwa das Verpressen in alten Erdgaslagerstätten, so ist ein solches Vorgehen gesellschaftspolitisch höchst umstritten. In der Vergangenheit kam es bereits zu Protesten, weil Anwohner um ihre Gesundheit fürchteten. Und was passiert in der Energiewirtschaft?Im Wesentlichen sind hier die Weichen bereits gestellt. Ziel ist ja bekanntlich der Ausstieg aus der Kohle, die heute noch zum Herstellen von Strom verwendet wird. Dazu hat eine Kommission Anfang des Jahres Vorschläge erarbeitet, die bis spätestens 2038 umgesetzt werden sollen.

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