Zweibrücken Gehörlosen-Gottesdienst: Wie das Wort Gottes auch taube Ohren erreicht

Pfarrer Ralf Maier (zweiter von links) hält einmal im Monat einen Gottesdienst für Gehörlose.
Pfarrer Ralf Maier (zweiter von links) hält einmal im Monat einen Gottesdienst für Gehörlose.

Einmal im Monat hält Pfarrer Ralf Maier, hauptamtlicher Gehörlosenseelsorger der evangelischen Landeskirche, einen Gottesdienst für Gehörlose im Wichernhaus. Dafür hat er, der selbst schwer hört, auch die Gebärdensprache gelernt.

Wie übersetzt man „Philister“ in die Gebärdensprache? Pfarrer Ralf Maier kennt dafür kein eigenes Wort, weiß sich aber zu helfen. Für das Wort „Hirte“ hingegen gibt es eine Entsprechung, auch für das Wort „Riese“. Und so erzählt Maier anschaulich und mit viel Körpereinsatz an diesem Sonntagnachmittag im Wichernhaus die Geschichte von David und Goliath vor rund 25 Besuchern.

Aus der gesamten Region sind sie nach Zweibrücken gekommen, viele aus dem Saargebiet, aber auch aus Frankreich. Man kennt sich, hat sich schon im Foyer des Seniorenheims getroffen und ausgetauscht. Für Außenstehende ein Wirrwarr an Zeichen und Gesten, für Gehörlose Alltag. Nach dem Gottesdienst, an der Kaffeetafel, wird es munter weitergehen.

Pfarrer zuständig für die Pfalz und das Saarland

Da tut sich selbst Pfarrer Maier schwer, alles zu verstehen: „Das geht manchmal etwas schnell. Wenn ich aber weiß, worüber gerade geredet wird, dann komme ich auch gut mit.“ Er selbst wurde mit vier Jahren schwerhörig und kommt heute mit Hörgeräten zurecht – wenn ihm sein Gegenüber in die Augen schaut. Will man mit ihm sprechen, muss man sich bemerkbar machen. Die Gebärdensprache hat der gebürtige Ludwigshafener, der heute in Kirkel wohnt, im Erwachsenenalter in Intensivkursen gelernt.

Zuständig ist Pfarrer Maier für die Pfalz und das Saarland. „Ich gehöre sowohl der evangelischen Kirche der Pfalz als auch der Kirche im Rheinland an, das ist eine Besonderheit“, sagt der 65-Jährige. Früher seien sie fünf Kollegen in der Gehörlosenseelsorge gewesen, zwei auf katholischer und drei auf evangelischer Seite; heute müsse die Gehörlosenseelsorge mit weniger Personal auskommen. Mit Josephine Lew habe man „eine neue junge Kollegin, die selbst gehörlos ist, das hat viele Vorteile für die Arbeit“, berichtet Maier.

Kommunikationsprobleme in den USA

Wenn Maier predigt, dann spricht er nicht nur mit Gesten, sondern begleitet diese mit Worten, denn unter den Zuhörern sind auch Menschen, die hören. So etwa Eduard Fritze, der mit seiner gehörlosen Partnerin aus Pirmasens gekommen ist. Seine Eltern waren gehörlos, er findet sich mühelos in beiden Welten zurecht. Und er kennt so gut wie alle, die an diesem Sonntag versammelt sind. Fritze: „Viele sind alleine und freuen sich über die Gesellschaft.“

„Die Gebärdensprache ist eine eigene, anerkannte Sprache“, sagt Maier. Mimik und Gestik passten zu dem, was man sagen wolle. Mit dieser Sprache könne man sich in ganz Europa verständigen; schwieriger werde es in den USA, dort seien die Unterschiede zur Deutschen Gebärdensprache größer. Im Gottesdienst wird alles, was gesprochen wird, auch vorne an der Leinwand zum Mitlesen angezeigt. Ungewohnt still ist es, weil nicht gesungen wird.

„Gehörlose Menschen empfinden sich selbst nicht als Menschen mit Behinderung“, betont Maier. Sie seien nicht hilflos und keineswegs „taubstumm“, wie es landläufig heiße. Der Ausdruck sei abwertend. Maier: „Auch Gehörlose haben sprechen gelernt, sie sind nicht stumm, sie sprechen nur in einer anderen Sprache.“ Moderne Medien wie Handys eröffneten zudem heutzutage neue Kommunikationswege.

Corona schwierige Zeit für Gehörlose

Technische Fortschritte könnten auch dazu führen, vermutet Maier, dass es „in zehn Jahren vielleicht gar keine Gehörlosenseelsorge mehr gibt“. Grund dafür sei das so genannte Cochlea-Implantat, eine Prothese für das Innenohr, die das Gehörorgan ersetzt. Viele Gehörlose würden erfolgreich damit behandelt werden. Die Zahl gehörloser Menschen sei auch rückläufig, „weil es weniger Hirnhautentzündungen gibt, die früher häufig mit Hörverlust einhergingen“, ergänzt Maier.

Die Corona-Zeit sei für gehörlose Menschen „äußerst schwierig gewesen, sie konnten wegen der Masken nicht mehr von den Lippen ablesen“, gibt Maier zu bedenken. Die Gruppe habe sich in dieser Zeit auch nicht im Wichernhaus treffen können. Dekan Peter Butz habe ihnen aber die Karlskirche zur Verfügung gestellt. Seit Dezember komme man nun wieder einmal im Monat im Wichernhaus zusammen.

Pfarrer Viktor Meyer ein Vorbild

Ein großes Vorbild in der Arbeit mit Gehörlosen sei ihm Pfarrer Viktor Meyer von der Kirchengemeinde Zweibrücken-Mitte gewesen, erinnert Maier. Er habe gut in Gebärdensprache gesprochen, sie hätten gemeinsam Gottesdienste gehalten. Maier: „Als Pfarrer Meyer 2018 verstarb, habe ich mir gesagt: Ich führe seine Arbeit jetzt alleine weiter.“ Seelsorge mit Gehörlosen und Schwerhörigen sei „sehr erfüllend. Ich fühle mich hier am richtigen Platz“, so Maier.

In Deutschland gibt es rund 80.000 Gehörlose. Im Bereich der Evangelischen Kirche der Pfalz leben ungefähr 300 gehörlose Menschen. Sie gehören mit ihren Familien zu verschiedenen Kirchengemeinden. Für Seelsorge, Gottesdienste und besondere Gottesdienste anlässlich von Taufe, Konfirmation, Trauung und Beerdigung ist die Gehörlosenseelsorge zuständig. Der nächste Gehörlosengottesdienst im Wichernhaus ist am 3. März um 14.15 Uhr.

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