Neunkirchen Marion Kracht: „Das Bild der Frau muss sich ändern“

Mit dem Theaterstück „Und wer nimmt den Hund?“ tourt Marion Kracht derzeit durch Deutschland.
Mit dem Theaterstück »Und wer nimmt den Hund?« tourt Marion Kracht derzeit durch Deutschland.

Am 1. März gastiert Marion Kracht mit der Komödie „Und wer nimmt den Hund?“ in Neunkirchen. Im Gespräch mit Stefan Otto erzählt die 61-jährige Schauspielerin von interessanten Frauenfiguren im Fernsehen, ihrer Leidenschaft für das Theater und warum sie noch immer auf ihre Rolle in die „Drombuschs“ angesprochen wird.

Frau Kracht, Sie spielen die Doris in „Und wer nimmt den Hund?“ Was ist das für eine Frau?
Die Doris ist eine, die ihr Leben total zurückgestellt und der Karriere ihres Mannes untergeordnet hat. Eine eigene Karriere hat sie nicht verfolgt, sondern die Kinder großgezogen. Als diese aus dem Haus sind, fällt sie dann natürlich so ein bisschen in ein Loch. Und dann kommt eben diese Geschichte, dass ihr Mann eine Geliebte hat. Doris emanzipiert sich dadurch aber komplett. Sie findet wieder zu sich selbst und zu ihrer Stärke zurück. Eine ganz tolle Frauenfigur, wie ich finde, die erlebt, dass es auch eine Befreiung sein kann, wenn eine Beziehung nach fast 25 Jahren auseinandergeht. Ich denke, viele können sich in den Paargesprächen von Doris und ihrem Mann Georg wiederfinden. Das sieht man auch an den Reaktionen des Publikums. Jeder, der mal eine Beziehung hatte, erkennt bestimmte Dinge wieder.

Das Stück war ja zuerst ein Film. Haben Sie ihn gesehen?
Nein, ich habe ihn absichtlich nicht geguckt, weil ich meine eigene Doris erarbeiten wollte und nicht davon beeinflusst sein wollte, wie meine Kollegin im Film das macht.

Es wäre Ihnen schwerer gefallen, die Rolle zu spielen, wenn Sie den Film gesehen hätten?
Nein, aber man kopiert ja automatisch, gar nicht mal absichtlich. Man lässt sich von dem beeinflussen, was man sieht. Und das wollte ich eben nicht. Wir haben das jetzt schon über hundert Mal gespielt, und unsere Version gefällt mir wahnsinnig gut. Jetzt sind Neunkirchen und Frankenthal eine der letzten Stationen unserer Tournee. Wenn mir der Film danach irgendwo unterkommt, würde ich ihn mir auch angucken, so ist es nicht.

Wissen Sie schon, wie es nach der Tournee für Sie weitergeht?
Direkt im Anschluss drehe ich einen Thriller.

Mehr möchten Sie nicht verraten?
Nein, da bin ich abergläubisch. Erst muss der Vertrag unterschrieben sein.

Es wird also kein neuer „Usedom-Krimi“?
Doch, den drehe ich auch. Gut, dass Sie es sagen. Da bin ich wieder dabei. Das war ja ganz interessant, weil die Autoren diese Figur, die Patrizia Norgaard, erst nachträglich reingeschrieben haben. Eigentlich war sie ja eine Entführerin, aber dann ist sie im Gefängnis wieder aufgetaucht und in der letzten Staffel hatte sie diese Hirn-OP. Und jetzt kommt sie noch einmal wieder. Das ist natürlich eine große Freude für mich als Schauspielerin, wenn meine Figur, die so groß gar nicht vorgesehen war, jetzt wieder ins Drehbuch geschrieben wird.

Wie zufrieden sind Sie insgesamt mit den Rollenangeboten, die Sie bekommen?
Na ja, ich bin ja auch dabei bei der Aktion „Let’s Change the Picture“. Das sind ganz viele Kolleginnen in meinem Alter, die sich zusammengeschlossen haben und darauf aufmerksam machen, dass Frauen über 50 im deutschen Fernsehen nicht vorkommen. Frauen tauchen da ja viel seltener auf als Männer. Das ist leider nach wie vor so, aber es wird langsam besser. Jetzt ist da schon eine Sichtbarkeit, und es werden auch interessantere Frauenfiguren erzählt. Am Karfreitag kommt eine Komödie, die ich letztes Jahr gemacht habe: „Zwei Erben sind einer zu viel“ mit Peter Heinrich Brix. Das ist eine ganz tolle Frauenrolle, die ich da bekommen habe. Oder eben die Patrizia im „Usedom-Krimi“. Das sind interessante Frauenfiguren, und ich habe großes Glück, dass ich die zu spielen bekomme.

Haben Sie selbst erlebt, dass es weniger Angebote gab, als Sie 50 wurden?
Ja, natürlich. Obwohl ich zu den Frauen gehöre, die noch gut zu tun haben. Aber ich kenne viele, sehr gute Kolleginnen, die nichts zu tun haben, weil es für sie keine Rollen gibt. Es gibt genug Männerrollen, aber zu wenige für Frauen. Da besteht ein Missverhältnis. Weil sie angeblich nicht mehr als Geliebte taugen, existieren Frauen ab 50 Jahren nicht mehr in Film und Fernsehen. Wir sind das halt gewohnt, deswegen fällt uns das gar nicht so auf. Aber es ist tatsächlich so und das ist eigentlich skandalös, weil wir Frauen ja nicht plötzlich verschwinden. Wir sind ja da. Da muss sich etwas verändern in unserer Gesellschaft: das Bild der Frau.

Sie haben im Kindesalter als Schauspielerin angefangen. Kam für Sie jemals ein anderer Beruf in Frage?
Nein. Aber ich habe oft gesagt, ich mache jetzt mal was anderes, mir reicht’s jetzt. Aber das ging nie so weit, dass ich tatsächlich einmal eine andere Ausbildung begonnen hätte oder so. Ich habe ja, Gott sei Dank, mein Leben lang zu tun gehabt und dabei auch noch andere Sachen gemacht. Ich hatte ja eine vegane Produktfirma, ich habe Mode kreiert und ich habe Kochbücher geschrieben.

Wie hat sich die Branche verändert, seit Sie eingestiegen sind?
Na ja, entsprechend unserer Gesellschaft sind die Bedingungen für Kreative immer schwieriger geworden. Zeit ist Geld. Zum Beispiel bei den „Drombuschs“, da haben wir für 90 Minuten 30 bis 35 Drehtage gehabt. Heute haben wir 19. Ich glaube, das sagt schon alles.

Ist Ihre Rolle in „Diese Drombuschs“ heute immer noch diejenige, auf die Sie am häufigsten angesprochen werden?
Das waren natürlich eine ganze Weile die „Drombuschs“. Das ist auch immer noch aktuell, weil das ein Riesenerfolg in der ZDF-Mediathek ist. Ein Revival sozusagen. Aber ich werde genauso gut auf den „Usedom-Krimi“ angesprochen oder auf „Nord bei Nordwest: Canasta“.

War die Tina Drombusch für Sie die wichtigste Rolle?
Nein. Das kann man so nicht sagen, auch weil ich einfach schon so lange in diesem Beruf arbeite. Meine Karriere verläuft in Wellen, da gibt es viele Aufs und Abs. Wenn es nicht genug zu drehen gab, habe ich Theater gespielt.

Ist Theater die Notlösung?
Nein, nein. Aber andere Schauspieler machen dann eben andere Jobs, das ist halt in dem Beruf so. Ich wollte in diesem Beruf weiterarbeiten, und das tue ich, indem ich Theater spiele. Ich bin auch wahnsinnig gerne auf der Bühne, weil ich den Kontakt zum Publikum ganz toll finde. Und auch, dass die Erarbeitung einer Figur anders abläuft. Schauspieler am Theater und Schauspieler bei Film und Fernsehen sind fast zwei verschiedene Berufe. Deswegen gibt es ja auch Kollegen, die sind supergut auf der Bühne und vor der Kamera gar nicht oder umgekehrt. Nur ein Teil der Schauspieler macht beides.

Hat sich das Theater ähnlich entwickelt wie das Fernsehen? Muss es hier auch immer schneller gehen?
Schneller jetzt nicht, aber es ist leider immer weniger Geld für Kultur da. Viele Theaterschauspieler sind am Existenzminimum, weil so wenig gezahlt wird. Die staatlichen Theater sind in der Corona-Zeit unterstützt worden, aber die privaten so gut wie nicht, und die sind dann in die Knie gegangen.

Liegt es auch daran, dass heute weniger Zuschauer kommen als vor Corona?
Nein, es kommen nicht weniger Zuschauer. Die Leute lechzen nach Kultur. Die kommen. Sie waren am Anfang zögerlich, aber das ist jetzt Gott sei Dank nicht mehr so. Wir haben wieder volle Häuser.

Termin

„Und wer nimmt den Hund?“ ist am 1. März, 20 Uhr, in der Neunkircher Gebläsehalle zu sehen. Tickets: nk-kultur.de

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