Zweibrücken Homburg liegt bei Istanbul

91-84446818.jpg

Über 300 Theaterfreunde saßen am Sonntag im Homburger Saalbau und erwarteten gespannt eine Premiere: Ein türkisches Theaterstück in deutscher Sprache stand auf dem Programm. Gespielt vom Ulmer Theater Ulüm, der einzigen professionellen türkischen Schauspielkompanie in Süddeutschland.

Ob die Zuschauer jetzt türkischer Abstammung waren oder nicht, war nur schwer zu erkennen. Das berühmte Kopftuch war nur bei zwei Frauen zu sehen. Eine davon eindeutig mit deutschen Wurzeln. Ein gutes Zeichen für das Thema des Stücks: Integration. Das ließ schon der Titel vermuten: „Oh Gott, die Türken integrieren sich!“ Mehr als zwei Stunden erlebte man eine amüsante Lektion zum Thema Einwanderung türkischer Gastarbeiter. Und genau da, vor mehr als 40 Jahren, fing die Handlung an. Memet, aus der türkischen Provinz endlich in Homburg angekommen, muss sich den gesetzlichen Prozeduren für Gastarbeiter unterziehen. Dazu gehört eine medizinische Untersuchung durch eine Ärztin. Mittels einer Dolmetscherin versucht man sich zu verständigen, was zu herrlichen Missverständnissen führt. In dieser ersten Szene gab es ein wildes Durcheinander von Türkisch und Deutsch. Die Zuschauer, die der fremden Sprache nicht mächtig waren, konnten dank gut gespielter Gesten und exzellenter Betonung bei der Aussprache verstehen, worum es da ging. Ein paar Jahre später holt Memet seine Frau nach Deutschland. Und in kurzer Zeit wird aus der traditionellen Hausfrau eine emanzipierte Person mit blond gefärbten Haaren. Natürlich muss sie in der Öffentlichkeit ein Kopftuch tragen, aber das ist so gebunden, wie es auch bei uns noch vor wenigen Jahrzehnten gerade auf dem Land üblich war. Und wie es Queen Elisabeth gerne bei ihren Landpartien trägt. Um es kurz zu machen: Die Integration gelingt ganz prächtig. Auch das erste Stück des Theater Ulüm, das fast ausschließlich in deutscher Sprache gespielt wird, kann ein großer Erfolg werden. Das Best-of von Szenen aus bisherigen Produktionen, funktionierte jedenfalls in Homburg erstklassig. Zum einen, weil die Sprachspiele amüsant waren und die Übersetzungen geschickt in die Handlung eingebunden wurden. Vor allem aber wegen der Charaktere: Da ist Memet (Atilla Cansever), das ein wenig konservative, aber doch liebenswerte und pfiffige Familienoberhaupt. Letzteres zu sein denkt zumindest Memet. Denn eigentlich hat seine nicht weniger pfiffige Frau Fikriye (Hatice Onar) die Fäden in der Hand, ihre Zunge sei zu fürchten, erklärt Memet den lachenden Zuschauern. Er muss sich aber nicht nur gegen die Gattin durchsetzen, sondern auch gegen seine Kinder Remzi (Tuncay Colak) und Remziye (Narin Incik). Beide sind in Deutschland geboren, besuchen Gymnasium und Universität, sind also bestens integriert. Ohne schlechtes Gewissen konfrontieren sie den geschockten Papa mit deutschem Freund und deutscher Freundin. Dafür überzeugen Memet und Fikriye die strenge Einbürgerungsbeamtin (Selin Nur) von ihrer Tauglichkeit, Deutsche zu werden. Überzeugend gelang dem Theater Ulüm die Balance aus lustigen Szenen und solchen mit politischer Brisanz. Etwa der Frage, ob man perfekt Deutsch sprechen muss, um integriert zu sein. Gerade, wenn man gerne hier lebt und seit 37 Jahren brav Steuern bezahlt. Und die Rückwanderung in der Türkei nicht gemacht hat, damit die Kinder eine gute Schulbildung in Deutschland bekommen. Es war ein unterhaltsamer und gleichzeitig anspruchsvoller Theaternachmittag. Mit Humor und gleichzeitiger lockerer Wissensvermittlung trug man mit Sicherheit dazu bei, dass die deutschen Einwohner Homburgs ihre aus der Türkei eingewanderten Mitbürger besser verstehen. Und umgekehrt natürlich.

x