Zweibrücken Eine warme, dunkle Stimme singt von Politik, Widerstand und Liebe

Er nahm die Besucher des protestantischen Pfarrhauses Dellfeld am Freitagabend auf eine musikalische Rundreise durch Lateinamerika mit: Lucho Díaz alias Luis Díaz Alvayay startete seine Tour mit dem zauberhaften, lautmalerischen Cucurrucucu aus Mexiko, bevor er mit „La Paloma“ nach Kuba wechselte; einem Titel, der die lateinamerikanische Folklore entscheidend beeinflusste.

Der Sänger mit der warmen, dunklen Stimme und den schmeichelnden, weichen Klängen fuhr dann mit „Guantanamera“ fort, einem Revolutionslied nach Versen des kubanischen Nationalhelden José Marti. Eine liebevolle Beamer-Präsentation mit stimmungsvollen Landschaftsfotos sorgte für die visuelle Einstimmung in die Welt Lateinamerikas, während Lucho Díaz in seiner Moderation viel über die Entwicklung der Folklore erzählte – und ihre Zusammenhänge mit politischen Bewegungen nach dem zweiten Weltkrieg, vor allem aber in den 60er und 70er Jahren des 20. Jahrhunderts. Neben der Politik ist die Liebe das zweite wichtige Thema dieser Lieder. Eine sehnsuchtsvolle Melodie in leise-verhaltenem Gesang über rassigen Bolerorhythmen beschreibt das Leid zweier Liebender, die sich getrennt haben und vor die Wahl gestellt sind, alles zu vergessen oder auf ein Wiedersehen zu hoffen. Der Mann mit der Gitarre ließ dabei eine wehmütige Stimmung entstehen, deren scheinbare Gelassenheit die tief empfundene Emotionalität seines Vortrags noch betonte. „El Caballo viejo“, ein Bauernlied aus Venezuela, das auch Julio Iglesias inspiriert und in seiner Modernisierung internationale Bekanntheit erlangt hat, thematisiert die Gefühle betagter Liebender – eine Interpretation von Lucho Díaz, die in seinem bewegten, temperamentvollen Vortrag die immer noch glühende Leidenschaft eines alternden Mannes lebendig werden ließ. Nostalgie klang aus dem traditionellen Volkslied vom Tontopf, Vasija de Barro, aus Ecuador; im Rhythmus einer erzählerischen Ballade aus dem Alltag der brasilianischen Segelflößer beschwor Lucho Díaz in musikalischen Bildern das Arbeitsleben dieser Menschen vor den fasziniert zuhörenden Besuchern des Dellfelder Gemeindehauses herauf. Mit der „Nueva Cancion chilena“, dem neuen chilenischen Lied entstand eine neue Musiktradition, die die alten Melodien mit neuen, sozialkritischen Texten verband und großen Einfluss in Lateinamerika gewinnen sollte. Der beim Militärputsch in Chile 1973 gefolterte und ermordete Musiker Victor Jara wurde zu einer Leitfigur des Widerstandes, sein Antikriegslied „Caminando y cantando“ zu einer Hymne. Eine Anklage gegen Krieg und Zerstörung ist auch ein Kinderlied aus Uruguay, in dem Kinder die Berufe ihrer Väter beschreiben und zu dem Ergebnis kommen, dass sie später auch Häuser bauen und Nahrungsmittel schaffen wollen. Ein General, der zwar alles über Waffen weiß, aber kein Haus bauen kann, will keines der Kinder werden. Mit der eindringlichen, zutiefst berührenden Interpretation von „Gracias a la vida“ von Violeta del Carmen Para Sandoval, einem Danklied an das Leben, das den Menschen die Fähigkeit der Wahrnehmung und der Unterscheidung zwischen Gut und Böse gegeben hat, und dem Emigrantenlied „Todo cambia“ beendete Lucho Díaz das musikalische Porträt Lateinamerikas. Auch er musste wegen seiner Protestsongs in den 60er und 70er Jahren nach dem Pinochet-Putsch seine chilenische Heimat verlassen und wanderte nach Hamburg aus. „Unsere Musik ging im Untergrund immer weiter, auch in der Diktatur, die bis heute in den Seelen der Menschen ihre Spuren hinterlassen hat. Gegen diese Angst muss man kämpfen.“ (knf)

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