Zweibrücken Die Musik, zu der die Gauchos tanzen

Das Konzert der Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz mit dem französischen Bandoneon-Solisten Richard Galliano am Freitag war ein überzeugender Auftakt für die Pirmasenser Aufführungen beim Festival Euroclassic. Ein gut aufgelegtes Orchester und ein brillanter Solist haben mit souverän gespielter Musik aus der Seele Lateinamerikas zweieinhalb Stunden lang die Zuhörer unterhalten.

Das Programm unter dem Titel „Libertà!“ war eine Reise durch die Welt der lateinamerikanischen Musik, gleichgültig ob sie von einheimischen Komponisten wie Heitor Villa-Lobos, Luiz Bonfá, Antônio Carlos Jobim, Astor Piazzolla stammt oder von anderswo Lebenden wie Leonard Bernstein, George Gershwin oder Richard Galliano selbst. Villa-Lobos’ „Bachanias Brasileiras Suite Nr. 2“ haben als freie Anspielung auf Johann Sebastian Bach Satztechniken und Harmonien entwickelt, die Widerhall in zahllosen Filmmusiken gefunden haben. Die Suite „Orfeu Negru“ von Bonfá und Jobim, in der Bearbeitung von Thomas Zoller, war gar ein originärer Soundtrack zu dem Film „Orfeu Negro“, dessen zentrale Melodie sich später als Jazz-Standard im Real Book etablierte. Wie die Gauchos wirklich gehen, durfte man bei Alberto Ginasteras Estancia-Ballet-Musik erfahren. Nicht zu reden von Astor Piazzollas Tango-Musiken, am Freitag der „Herbst“ und der „Frühling“ aus Piazzollas „Las Cuatro Estaciones Porteñas“, den persönlichen „Vier Jahreszeiten“ des Argentiniers. Es gab mexikanische Mariachi-Klänge, die ihren Weg bis hin zu Johnny Cash („Ring of Fire“) oder Calexico gefunden haben. Schließlich der so fröhliche wie unbekümmerte Eklektizismus eines Leonard Bernstein mit dem „Mambo“ aus der „West Side Story“ oder George Gershwins direkte Hommage in der Kubanischen Ouvertüre. Mal elegische Musik, zumeist aber rhythmisch aufreizende Musik, die direkt auf Motorik und Gefühle der Zuhörer zielt. Eine Musik, die ihre Komplexitäten und Komplikationen technischer wie musikalischer Art stets mit größter Zugänglichkeit kaschiert. Die Staatsphilharmonie hat so ziemlich alles aufgeboten, was ein großes Orchester zu bieten hat: Groß besetzte Streicher und Percussion, Klavier, Harfe, Saxofon. Mal in kompletter Besetzung, mal mit kleinem Besteck als Tango-Orchester. Karl-Heinz Steffens dirigierte präzise und groovig, unübersehbar mit Hummeln im Hintern. Galliano zeigte sich als der Bandoneon-Solist, als den ihn die Musikwelt schätzen gelernt hat. Er ist nicht nur ein exzellenter Spieler, er ist ein Komponist an seinem Instrument, das im Vergleich zum üblichen Akkordeon so schwer zu lernen und zu spielen ist. Die technischen Schwierigkeiten ahnt man aber eher, als dass man sie als Zuhörer wahrnähme. Die rein technische Meisterschaft wird nie mit einem Schaut-her-Gestus in Szene gesetzt. Solist, Dirigent und Orchester verstanden sich prächtig untereinander. Mit einer ein bisschen anderen Dramaturgie wäre man allerdings auch mit nur einer statt zwei Pausen ausgekommen, zumal der Starsolist im letzten Konzertteil gar nicht mehr zum Einsatz kam. Der herrlichen lateinamerikanischen Musik hat das aber keinen Abbruch getan, genauso wenig wie die Tatsache, dass doch einige Plätze freigeblieben waren. Am Freitag war eben allein in Pirmasens noch so viel anderes geboten, dass sich das Publikum entscheiden musste. Niemand kann an zwei Orten gleichzeitig sein.

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