Konzert Ausverkauft! Aber man sieht es nicht ...

Energie von der Bühne: Monica Tomasi und Tobias Langguth beim Livestreamen in der Fruchthalle.
Energie von der Bühne: Monica Tomasi und Tobias Langguth beim Livestreamen in der Fruchthalle.

Reportage: Livestreaming ist das Gebot der Stunde für Kulturschaffende. Aus der Kaiserslauterer Fruchthalle, aus dem Benderhof, aus dem heimischen Wohnzimmer senden regionale Künstler ihre klingenden Botschaften. Doch wie fühlt sich das an – und funktioniert das wirklich? Heute kann einen Livestream sehen.

Es ist gespenstisch still im Treppenhaus der Kaiserslauterer Fruchthalle. Fotograf und Reporter wählen getrennte Aufgänge zum Saal. Dort oben endlich Stimmen. „Es ist ausverkauft, man sieht es nur nicht“, begrüßt de Lauterer Kulturamtschef Christoph Dammann die Presse bei ihrem ungewöhnlichen Konzertbesuch grinsend. Ein bisschen Humor hat noch nie geschadet.

Gut gelaunt ist auch der Rest des Teams, locker verteilt über die Location. Martin Wilke sitzt am zentralen Schaltpult vor drei kleinen Bildschirmen in der Mitte des Saals, er „fährt“ die beiden Kameras beziehungsweise wählt die Ausschnitte. Von seinem Arbeitsplatz aus geht der Livestream zunächst auf eine Plattform im Netz, wo sie auf die verschiedenen Ausgabekanäle – Youtube, Facebook und die Offenen Kanäle – verteilt wird. Seine junge Kollegin von KL.digital, Lara Kahl, kümmert sich draußen im Foyer um die technische Weiterverarbeitung und betreut die vielen, vielen Kommentare, die über die sozialen Medien reinkommen. Hoch oben auf der Empore sitzt Fruchthallen-Tonmann Jörg Kirsch, der den Sound im Saal macht. Und dann ist da noch KL.digital-Geschäftsführer Martin Verlage. Er positioniert die beiden Kameras vor der Bühne und will eigentlich noch eine dritte ins Spiel bringen.

Tanzen gegen die Alltagsrealität

Wie groß die Bühne ist, wird klar, als die beiden Künstler sie betreten: Monica Tomasi und Tobias Langguth haben jede Menge Platz, um auf Abstand zu gehen. Musikalisch passt jedoch kein Blatt zwischen die brasilianische Sängerin, die seit zwei Jahren in Kusel lebt, und den Gitarristen aus Eberbach. Das haben sie schon beim Auftritt im Salon Schmitt im Januar bewiesen – ihrer gemeinsamen Premiere, wie Langguth lächelnd anfügt.

Und so gut gelaunt wie die beiden Musiker ist auch ihre Musik. Sie changiert zwischen Jazz, Samba und Bossa und ist so recht geeignet, die Alltagsrealität zu verdrängen. Der Klassiker „Agua De Beber“ etwa entfaltet seinen swingenden Drive – man möchte mittanzen. Allein Monica Tomasi wiegt sich leicht in den Hüften. Humorige Geschichten transportieren die Lieder ebenfalls. So erzählt „Meu Radio E Meu Mulato“ von einem Mann, der sich ein Radio angeschafft hat und nun die ganze Nachbarschaft als Mithörer auf dem Hals hat. Nachdenkliche, poetische Momente liefern Songs wie „Timoneiro“, in dem es um einen Steuermann und das Leben an sich geht.

„Gute Energie in düsteren Zeiten“

Tomasis dunkle, angenehme Stimme geht dabei mit den beiden Gitarren eine dichte Liaison ein. Wunderbar perlen solistische Linien und das Fingerpicking, flinkfingrig bedient Langguth seine alte, halbakustische Epiphone. Im Kontrast dazu stehen die hellsilbrigen Klänge der Westerngitarre und des Cavacos, eines alten portugiesischen Vorläufers der Ukulele, beide bedient von Tomasi. Ein Dutzend stimmungsmäßig unterschiedlicher Nummern hat das Duo für sein einstündiges Konzert im Netz ausgewählt.

Danach sind sie beide gelöst, fast euphorisch. „Es gibt einem eine gute Energie, in düsteren Zeiten Musik zu machen“, findet Langguth. Er habe es überhaupt nicht seltsam gefunden, vor leeren Stühlen zu spielen. „Das ist wohltuende Normalität in Zeiten, in denen viel dramatisiert wird.“ Das Publikum und die Interaktion seien zwar wichtig, fügt Tomasi an, aber die Energie der Musik trage das Duo. Dass es mit Publikum „100-mal schöner ist“, gibt sie dann aber doch lachend zu. Er habe sogar ein bisschen Lampenfieber gehabt, bekennt Langguth, „vor so vielen Menschen im Netz zu spielen“.

Und tatsächlich hatte das Konzert von Beginn an viele Hörer: Rund 2500 Zugriffe auf den Livestream seien es in der ersten Stunde gewesen, berichtet Christoph Dammann, der auch die charmante Anmoderation auf Portugiesisch und Deutsch übernommen hatte. Mit noch einmal so vielen Abrufen rechnet er insgesamt. So habe auch der Auftritt von Stephan Flesch am Vortag rund 5000 Zuschauer erreicht – „eine ganze Menge“ freut sich der Kulturmanager.

Nicht nur viele Klicks sind Lohn

Lohn der Mühen sind jedoch nicht nur die Klicks und die Kommentare im Netz: Jeder Musiker erhält 300 Euro Aufwandsentschädigung – nicht zu viel, gemessen am Probenaufwand und den Fahrtkosten, die entstehen. Da ist es schön, dass über Spenden noch etwas oben drauf kommt. Über 4000 Euro sind seit Beginn dieser Woche bis gestern Nachmittag auf das städtische Spendenkonto mit dem Verwendungszeck „Kulturlivestream“ (DE 69 5405 0110 0000 1146 60) eingegangen. Der letztendliche Betrag wird zu gleichen Teilen unter den Künstlern aufgeteilt.

Wiedersehen macht Freude

Wann es live weiter gehen kann? Dammann rechnet wie viele seiner Veranstalterkollegen eher mit Spätsommer/Herbst. Obwohl er die Hoffnung auf die Lange Nacht der Kultur im Juni noch nicht ganz aufgegeben hat. Jedenfalls laufen die Planungen für Herbst, die am 9. Oktober ein Wiedersehen mit dem Duo Tomasi/Langguth in der Reihe „Jazzbühne“ vorsehen.

Wer sich so lange nicht gedulden will, der sei auf die Online-Angebote verwiesen. Langguth ist neben Facebook auf seinem Youtube-Kanal „Beatbossa“ präsent – „damit werde ich über die Zeit bestimmt steinreich“, flachst er augenzwinkernd. Tomasi sendet bei Youtube auf „Monica Tomasi Oficial“. Auf Facebook hat sie außerdem eine Reihe von Musikvideos, die sie morgens „quasi noch im Pyjama“ aufnehme. Zum Start in den Tag also etwas Positives, wie man es auch an diesem Mittwochnachmittag genießen durfte.

Heute

  • Donnerstag, 9. April, 17 Uhr

    Die Untiere, Marina Tamássy & Wolfgang Marschall, „Die Liebe in Zeiten der Corona“

  • Karfreitag kein Kulturlivestream

    es geht weiter am Dienstag, 14. April.

  • Der Stream wird zeitgleich auf dem Facebook-Kanal von @herzlichdigital und auf dem YouTube-Kanal von herzlichdigital, im OK Kaiserslautern und im OK54 (Offener Kanal Trier) gezeigt. Die Konzerte dauern meistens etwa eine Stunde.
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