Speyer Von schönen und müden Frauen

Zwei weibliche Akte haben im Mittelpunkt eines Konzerts gestanden, mit denen das Jazzduo Jutta Brandl und Martin Preiser am Donnerstagabend die Reihe „Klangbilder“ im Speyerer Purrmann-Haus fortgesetzt hat. „Bildpatin“ des sehr gut besuchten Konzerts war die Lyrikerin Sonja Viola Senghaus.

Die Bilder entstanden 1910 in Paris, als Mathilde Vollmoeller und Hans Purrmann die „Académie Matisse“ besuchten. Sie waren bereits befreundet, aber noch nicht verheiratet. Vollmoeller malte eine nackte Frau in blaugrauen Farbtönen. Der Betrachter erfährt eine Menge über sie: kein Mädchen mehr, aber noch lange nicht alt, kräftig gebaut, die Faust in die Hüfte gestemmt, den Kopf gesenkt. Sie kann zupacken, eine Arbeiterin, hat sicher Kinder, das Geld fürs Modell stehen kann sie gut gebrauchen. Purrmann malte einen Traum in den delikaten Farben Türkis, Gelb und Rosé: eine schlanke weibliche Figur auf einem Podest, aufrecht mit leicht erhobenen Armen, dem Betrachter zugewandt. Es ist dieselbe Frau, eine Pariser Wäscherin. „Bildpatin“ Sonja Viola Senghaus hat die Bilder auf sich wirken lassen und Worte dafür gefunden, die sie am Donnerstag jeweils dem Künstler, dem Betrachter und dem Bild selbst in den Mund legte. Demnach zeige Vollmoellers Akt „eine vom Leben gezeichnete, müde gearbeitete Frau“. Jazzsängerin Jutta Brandl hat ebenso genau hingeschaut und Töne dafür gefunden. „Diese Frau hat den Blues gelebt“, sagte sie zum gleichen Bild und sang im ersten Teil des Konzerts traurige, „bluesige“ Lieder wie „The Meaning Of The Blues“, „Lush Life“, „I Can’t Make You Love Me“ und „Autumn Leaves“. Sie alle sind melancholische Jazz-Standards vom Ende der Liebe, dem Verlassen werden – Lieder, die in eine Bar nach Mitternacht passen zu Leuten, die nicht in ihre leere Wohnung wollen. Ganz andere Gedanken weckte das zweite Bild: Senghaus sah eine leblose, majestätische Skulptur, keine lebendige Frau. Brandl hingegen dachte bei den heiteren, luftig-leichten Farben an Duftigkeit, Bewegung und eine schöne, glückliche Frau. Ihr sang sie Lieder von neuer Liebe und Glück: „Tenderly“, „Someday My Prince Will Come“, „My Romance“ und „When I Fall In Love“. Jutta Brandl setzte ihre eher dunkle, warme Stimme ein wie ein Instrument. Entsprechend viel Raum nahm der reine Silbengesang ohne Worte und mit fließenden Übergängen bei ihr ein. Nicht unbedingt der scharfe Scat in schnellen Rhythmen ist Brandls Stilmittel, eher raffinierte, lange Tonfolgen mit komplizierter, aber weicher Rhythmik. Martin Preiser erwies sich als idealer Partner zu dieser Art von Gesang. Er schuf ein Klangbett, setzte Akzente und verschärfte die Rhythmik.

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