Speyer Stimmakrobaten und Teufelsgeigerin

Dieses Mal darf nach Herzenslust geschwärmt werden: vom ersten Konzert der laufenden Schwetzinger Festspiele im Speyerer Dom. Zu hören waren am Donnerstagabend das italienische Vokalensemble La Compagnia del Madrigale mit einem Spätrenaissance- und Frühbarockprogramm sowie die Geigerin Carolin Widmann mit Salvatore Sciarrinos Sechs Capricci für Violine allein.

Auf dem Programm standen italienische Madrigale und Motetten von Alessandro Striggio, Claudio Monteverdi, Andrea Gabrieli, Luca Marenzio sowie Carlo Gesualdo. Als Motto diente der Titel des Schlussstücks, „Il pianto della Madonna“ (Das Weinen der Madonna) von Monteverdi. Dabei handelte es sich um eine Travestie: die lateinische geistliche Umtextung des Lamentos der Arianna aus Monteverdis gleichnamiger verschollener Oper, aus dem so die Klage der Maria am Kreuz Jesu wurde. Dieses Travestieverfahren, also die Adaption weltlicher Kompositionen für die Kirchenmusik, galt für die Mehrzahl der Werke. Zu erleben gab es freilich große Musik. Die Zuhörer wurden durch den Zauber des feinsinnigen Vokalklangs gefesselt und konnten zugleich die kunstvollen Strukturen einer zu höchster Vollendung geführten Mehrstimmigkeit bewundern. Nicht zu vergessen der Ausdrucksgehalt der Werke, der stellenweise geradezu überwältigend wirkte. So setzt der „Pianto della Madonna“ das Entsetzen der Gottesmutter in stockenden, tief beklommenen Piano-Tönen und heftigen, selbstquälerisch verzweifelten Ausbrüchen um. Eine grandiose frühe Sternstunde dramatischer Musik. Erinnert sei außerdem an die subtilen, verzückten Klangfantasien von Monteverdis Madrigal „Schön sind Deine Wangen“, die abgrundtiefe Trauer seines Stabat Virgo und die delikate, raffinierte Poesie von Luca Marenzios „Ich werde weit von Dir entfernt leben“. Ein Kapitel für sich bildete schließlich Gesualdos aufregende, weit in künftige Jahrhunderte weisende kühne Harmonik. All das erfuhr optimale, begeisternde Wiedergabe durch die Compagnia del Madrigale mit Rossana Bertini, Francesca Cassinari, Elena Carzaniga, Giuseppe Maletto, Raffaele Giordani und Daniele Carnovich. Am Werk war ein Sextett erstklassiger Meister vokaler Kammermusik. Den reizvollen Kontrapunkt dazu bildeten die Sechs Capricci von Salvatore Sciarrino. In einer Art Paraphrase zu den 24 Capricci der „Teufelsgeigers“ Paganini hatte der italienische Komponist das gesamte Arsenal der Avantgarde-Virtuosität in stellenweise visionären Konstellationen mobilisiert. Carolin Widmanns Brillanz bei der Bewältigung dieser verwegenen Instrumentalakrobatik wirkte absolut verblüffend.

x