Speyer Naturwald-Konzept geht auf

Gilt bundesweit als eine Seltenheit: die urwüchsige Altrheinlandschaft in Speyer.
Gilt bundesweit als eine Seltenheit: die urwüchsige Altrheinlandschaft in Speyer.

Bei einem „Streifzug“ durch den südlichen Auwald haben BUND-Mitglieder über Erfolge der Naturwald-Ausweisung anno 2015 für zehn Jahre berichtet. Umweltdezernentin Irmgard Münch-Weinmann (Grüne), die zu der öffentlichen Führung einlud, will sich für die Fortschreibung des Konzepts einsetzen. Die Entscheidung darüber liegt beim Stadtrat.

25 Teilnehmer an einer Exkursion sind für einen Sonntagmorgen respektabel. Zumal es im Bereich der Anlegestelle der Rheinhäuser Fähre in Speyer-Süd bereits um 9 Uhr losgegangen ist. Jürgen Walter und Hermann Steegmüller vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) haben die Bürger bei einer Runde auf dem circa 3,5 Kilometer langen Auwald-Weg über das Ökosystem und die Geschichte menschlicher Einflüsse darauf informiert.

Steegmüller erinnerte daran, wie es zu dem einstimmigen Stadtratsbeschluss vor acht Jahren gekommen ist, die gesamten 150 Hektar südlicher Auwald im Besitz der Stadt für zehn Jahre als Naturwald auszuweisen. „Im Auwald wurde durch den Forst schon immer viel Holz gemacht“, so der Naturschützer. Doch 2013 sei der Einschlag so extrem gewesen, dass sich Steegmüller und seine Mitstreiter dazu entschlossen, das künftig zu verhindern. Viele Gespräche mit Mitgliedern des Stadtrats sowie Führungen im Auwald gingen der Stadtratsentscheidung voraus.

Zierpflanze aus Nordamerika

Bei dem „Streifzug“ haben Walter und Steegmüller auf mehrere Stellen hingewiesen, auf denen eine einzige Pflanze die Strauchschicht beherrscht: die Riesen-Goldrute. Die in Europa nicht heimische Pflanze (Neophyt) ist vor rund 100 Jahren aus Nordamerika als Zierpflanze eingeführt worden. Längst ist die Goldrute jedoch verwildert und breitet sich auf lichten Flächen rasend schnell aus, erklärten die Experten. Der Verzicht auf eine Holzernte als Teil des Naturwald-Konzepts verhindert diese Entwicklung auf weiteren Flächen.

Den Auwald sich komplett selbst zu überlassen sei jedoch nicht empfehlenswert, sind Walter und Steegmüller überzeugt. Denn auch dieser Wald sei wie viele andere seit Jahrhunderten durch den Menschen geformt. Insofern sei er nicht nur Natur- sondern ebenso Kulturwald. Wobei davon nicht allein der Mensch profitiere, etwa durch die Ernte besonders wertvoller Hölzer oder die Möglichkeit der Erholung auf gepflegten Wegen. Auch ökologisch könnten menschliche Eingriffe ein Gewinn sein.

„Die Eiche hätte im Auwald auf sich allein gestellt kaum eine Chance, groß zu werden“, sagte Steegmüller. Diese Baumart, an der mehrere Hundert Insektenarten leben, ist zwar aufgrund ihrer relativ großen Überflutungstoleranz für die meisten Hochwasser gewappnet, wie Walter bei seiner Erklärung von Hartholzaue mit Stieleiche, Feld- und Flatterulme sowie Gemeiner Esche und Weichholzaue mit Weiden, Erlen und Pappeln sagte. Doch brauche sie einerseits genügend Licht für ihre Entwicklung, andererseits würden junge Eichenknospen von Rehen mit Vorliebe gefressen.

Spuren von seltenem Falter

Zum Speyerer Naturwald-Konzept gehört deshalb auch die jährliche Pflanzung von zehn „Eichenklumpen“ – 25 junge Bäume auf einer kleineren Fläche. „Man rechnet damit, dass pro Klumpen eine Eiche groß wird“, teilte Steegmüller mit. Die Jung-Bäume sind in den ersten Jahren von einem Verbissschutz umgeben. Außerdem wird darauf geachtet, dass sie nicht überwuchert werden. Die Klumpen seien ein Stück von den Wegen entfernt, weshalb sie beim Ortstermin nicht in den Blick der Teilnehmer kamen. Auf den wertvollsten 40 bis 50 Hektar des städtischen Auwalds stehen noch viele alte Eichen.

Vom Naturwald-Konzept profitiert laut Steegmüller offenbar auch die Vogelwelt. Denn bei Zählungen anno 2010 und 2018 sei die Anzahl teils seltener Arten dort besonders hoch gewesen, wo der Auwald dicht und von vielen Eichen bestanden ist. Aber auch Stromtalwiesen zählen zu den schützenswerten Lebensräumen am Rhein. Dazu hatte Jürgen Walter eine gute Nachricht: „Vor wenigen Tagen haben wir Spuren der ersten Haarstrangwurzeleule in Speyer entdeckt.“ Der Falter ist auf die Pflanze Echter Haarstrang spezialisiert, der nur auf feuchten Wiesen gedeiht.

Beigeordnete Münch-Weinmann dankte den Experten für die Führung und versprach, sich für die Fortschreibung des Naturwald-Konzepts nach zehn Jahren einzusetzen.

2013: Fällung im Auwald.
2013: Fällung im Auwald.
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