Speyer Mehr als eine schnöde Nummernrevue

Im besten und wahrsten Sinne des Wortes ist am Freitagabend im Speyerer Zimmertheater die Premiere von „Totenkopf Keith + die Flaschen in Tüten“ gefeiert worden. Das Publikum ist dabei ausdrücklich zum Mittrinken geladen gewesen – und dazu, die Liebe zur Musik der Rolling Stones zu zelebrieren.

Eigentlich will Herr Irrniss nur seinen Geburtstag feiern. Die Modern-Talking-Dauerschleife seines vom Herzschmerz gerührten Bruders zwingt ihn und seine Kumpanen aber zum strategischen Rückzug in die Küche. Dort erweist sich Herr Irrniss als hervorragender Gastgeber – auch für das Publikum. Da teilt man schnell die Meinung: „Die schönsten Partys sind Küchenpartys!“ Das beweisen die drei Herren – Martin Risse alias Herr Irrniss, Ringo Hirth und Matthias Debus – ohne Umschweife: Unterstützt von der Nachbarin Frau Kaufmann und deren tumbem Bruder (Nicole Kaufmann in einer Doppel- und Hosenrolle), sorgen sie selbst für bessere Musik. Die Inspiration dazu liefert niemand anderer als „Onkel Keith“ von den Rolling Stones. Fast wie von selbst ergeben sich auf diese Weise die Stones-Songs aus der an Situationskomik und Anekdoten reichen Handlung. „Totenkopf Keith“ ist also alles andere als eine schnöde Nummernrevue, sondern ein Rock-’n’-Roll-Kammerspiel, das sich so anfühlt, als säße man tatsächlich mit musizierenden Freunden daheim in der Küche. Oder auch, als wäre man in ein kleines, aber kerniges Konzert gestolpert. Das erreicht das Quartett dank Herrn Ringo, der den Takt vorgibt, des vorwitzigen Herrn Matthias am vielleicht kleinsten E-Bass der Welt oder zumindest Speyers. Und natürlich mit Herrn Irrniss an der Gitarre und dem Mikro, das er sich mit Frau Kaufmann teilt. Sie säuseln zärtlich oder schmettern mit aller Kraft die Zeilen, mit denen Mick Jagger Berühmtheit erlangt hat. Um Perfektion geht es dabei nicht, sondern um Leidenschaft und darum, den Spaß mit dem Publikum zu teilen. Schließlich soll es ja im Geiste der Stones sein. Und der weht dem Publikum deutlich entgegen, wenn von „Beast Of Burden“ über „Honky Tonk Woman“ und „Jumpin’ Jack Flash“ gefühlt tatsächlich „alles außer ,Satisfaction’“ gespielt wird. Und wenn beim großen Finale Jan Gauweiler quasi als Bobby Keys mit dem Saxophon die Küchenparty crasht, ist der Funke schon längst übergesprungen: Dann spüren die Zuschauer, die ja eigentlich Partygäste sind, das unglaublich große Vergnügen, mit dem die Darsteller die Stones interpretieren. Gerade in den vergangenen Jahren scheint der Kult um die Briten wieder zu wachsen: Wie entscheidend Mick Jagger als expressiver Frontman den Ruhm der Band mitgeprägt hat, wissen spätestens seit Maroon 5s „Moves Like Jagger“ auch die Jüngeren. Man könnte dem Zimmertheater also fast unterstellen, mit „Totenkopf Keith“ einem Trend zu folgen. Aber dazu ist die Stimmung auf der Party einfach zu gut. Und zu echt.

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