Speyer Leben mit Zöliakie: Speyerer Brezel ist tabu

Getreide: für Menschen mit Zöliakie tabu.
Getreide: für Menschen mit Zöliakie tabu.

Zwei Jahre ist es her, dass Mira-Carina Hufft sich immer unwohler in ihrer Haut fühlte. Die junge Frau verlor an Gewicht, hatte Beschwerden insbesondere nach dem Essen. Mittlerweile kennt sie ihre Krankheit, auf die am 16. Mai besonders aufmerksam gemacht wird, sehr genau und hilft Betroffenen in der Region.

Zunächst dachte Mira-Carina Hufft an eine Magen-Darm-Grippe, doch auch nach mehreren Wochen ging es der Römerbergerin nicht besser – im Gegenteil. Verschiedene Untersuchungen folgten und lieferten letztlich eine klare Diagnose: Zöliakie – eine chronische Erkrankung, bei der sich beim Verzehr von Speisen, die das Klebereiweiß Gluten enthalten, die Darmschleimhaut entzündet. Gehört hatte Hufft zwar schon von der Krankheit, auf die am 16. Mai, dem Welt-Zöliakie-Tag, besonders aufmerksam gemacht wird. Näher beschäftigt hatte sie sich aber noch nicht damit. „Ich wusste: Pizza geht nicht, Brot geht nicht“, erinnert sie sich. Im übrigen sei sie auch froh gewesen, dass es nicht noch eine schlimmere Erkrankung war.

Nun können Zöliakie-Patienten zwar – obwohl es noch keine Medikamente zur Behandlung der Krankheit gibt – ein beschwerdefreies Leben führen, wenn sie kein Gluten zu sich nehmen. Doch das ist gar nicht so einfach, zumal bereits kleinste Mengen ausreichen können, dass teils heftige Beschwerden auftreten und sich auf längere Sicht die Darmzotten zurückbilden, über welche die Nährstoffe aufgenommen werden. „Für viele ist die Diagnose erst einmal ein Schock“, weiß Ulrike Oelhoff. Sie leitet seit rund 30 Jahren die Regionalgruppe der Deutschen Zöliakiegesellschaft und hat oft miterlebt, was der radikale Verzicht auf liebgewonnene Speisen für die Menschen bedeutet. Auch Mira-Carina Hufft musste die Diagnose erst einmal verarbeiten: „Zwei Tage habe ich mir gegeben und mir noch einmal eine Lasagne gemacht“, berichtet sie. Heute gebe es nicht viel, was sie vermisse. „Mal spontan in der Stadt eine Brezel holen“, fällt ihr doch ein Beispiel ein.

Früher exotische Krankheit

Oelhoff hatte solche Sehnsüchte nie, denn sie kennt den Geschmack glutenhaltigen Essens gar nicht. Bei ihr wurde Zöliakie bereits im Alter von einem Jahr 1968 diagnostiziert. „Ich war komplett unterernährt und sah aus wie aus der Sahelzone“, weiß sie von Erzählungen ihrer Eltern. Im Krankenhaus versuchte man zunächst vergeblich, sie aufzupäppeln, bis glücklicherweise ein Arzt die richtige Diagnose stellte. Keine Selbstverständlichkeit, denn die Krankheit war damals noch relativ unbekannt. „Ich war ein absoluter Exot“, berichtet die Mannheimerin. Ihre Mutter habe es zum Glück gut hingekriegt, die kleine Ulrike mit glutenfreiem Essen zu versorgen. Die Auswahl an Produkten war damals noch lange nicht so groß wie heute, wo es in den meisten Supermärkten Regale mit glutenfreien Nahrungsmitteln gibt. „Mein erstes richtiges Brot habe ich mit zwölf Jahren gegessen“, erzählt sie.

Später begann sich Oelhoff in der Deutschen Zöliakie Gesellschaft (DZG) zu engagieren, knüpfte Kontakte zu anderen Betroffenen und lernte durch die Krankheit auch ihren Mann kennen, der ebenfalls „Zöli“ ist – im Gegensatz zu den beiden gemeinsamen Kindern. Mittlerweile leitet sie die DZG-Regionalgruppe Rhein-Neckar, die auch die gesamte Vorderpfalz abdeckt, seit 30 Jahren. Der Partner von Mira-Carina Hufft kann sich glutenhaltig ernähren, unterstützte die Römerbergerin aber von Anfang an bei der Umstellung auf glutenfreie Kost und nimmt darauf Rücksicht. Das ist laut Ulrike Oelhoff keine Selbstverständlichkeit. Oft fehle bei den Lebensgefährten das Verständnis.

Während die Umstellung im eigenen Haushalt meist irgendwann ganz gut gelingt, bleibt das Essen außerhalb der eigenen vier Wände für Zöliakie-Betroffene eine ständige Herausforderung. „Wir Zölis müssen lernen, dass wir immer aufpassen müssen“, sagt Ulrike Oelhoff. Es gebe zwar Restaurants, die etwas mit dem Krankheitsbild anfangen könnten und auch bereit seien, sich darauf einzulassen. „Aber es gibt noch viel Luft nach oben bei der Umsetzung und der Akzeptanz“, findet sie. Immerhin sei im Schnitt einer von 100 Menschen von der Krankheit betroffen.

Auf Zöliakie-Gruppe gestoßen

Mira-Carina Hufft war froh, als sie im Internet auf die Regionalgruppe Rhein-Neckar der Deutschen Zöliakiegesellschaft und somit auf Menschen mit dem gleichen Krankheitsbild stieß. Rundmails, ein Restaurantführer oder Veranstaltungen wie Kochkurse gehören zu deren Angeboten. Das Treffen in Restaurants, die glutenfreie Speisen anbieten, immer am zweiten Mittwoch des Monats wurde zu einem festen Termin im Kalender. „Am Anfang habe ich gesagt, ich gehe zur Selbsthilfegruppe. Mittlerweile gehe ich zum Stammtisch“, berichtet die Römerbergerin. Dort werden unter anderem Tipps rund ums Einkaufen und Essen ausgetauscht.

Weil ihr selbst in der Gruppe gut geholfen wurde, hat sich Hufft bereiterklärt, als Kontaktperson für andere zu fungieren, bei denen Zöliakie frisch diagnostiziert wurde. Wie gestalte ich meinen Alltag glutenfrei? Wo bekomme ich Brot und Wurst her? Wie vermeide ich Kontamination? Worauf achte ich im Restaurant? Solche Fragen treiben die Zöliakie-Erkrankten am Anfang um. Gerne hat sich die DZG-Gruppe Rhein-Neckar – im Mail-Verteiler sind zirka 400 Personen – für das Besprechen all dieser Fragen im Restaurant „Il Rustico“ in Speyer getroffen, das glutenfreie Nudeln und Pizza anbot. Doch der Italiener hat vor einigen Monaten geschlossen – sehr zum Bedauern des Zöliakie-Stammtischs. Nicht auf fremde Hilfe in der Küche sind die Zölis am 15. Juni angewiesen: Dann veranstalten sie in der Nähe von Hockenheim ihr alljährliches Grillfest. Ein Pflichttermin für viele aus der Gruppe ist außerdem die große Feier zum 50-jährigen Bestehen der DZG am kommenden Samstag in Stuttgart.

Kontakt

Ulrike Oelhoff, Telefon 0621 8413949, Mira-Carina Hufft, Telefon 0151 47178900, E-Mail: glutenfrei-rhein-neckar@kp-dzg-online.de. Im Netz: glutenfrei-rhein-neckar.de

Ansprechpartner der Zöliakie-Gruppe (von links): Silvia Keller, Ulrike Oelhoff, Mira-Carina Hufft und Claudia Simone.
Ansprechpartner der Zöliakie-Gruppe (von links): Silvia Keller, Ulrike Oelhoff, Mira-Carina Hufft und Claudia Simone.
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