Speyer Jüdisches Ritualbad mit „christlichen“ Mauern

91-74965089.jpg

Der Judenhof mit den Resten der ersten örtlichen Synagoge und dem Ritualbad (Mikwe) weist eine Besonderheit auf. Sie war zwar zur Zeit ihrer Entstehung vermutlich üblich, doch heute überrascht die Erkenntnis, dass Christen die beiden Baulichkeiten erstellt haben. Der Judenhof steht im Mittelpunkt von Speyers Beitrag an der aktuell laufenden Bewerbung um den Unesco-Welterbe-Rang für das mittelalterliche Erbe der „Schum“-Städte Speyer, Worms und Mainz.

Dass die Mikwe „christliche“ Mauern aufweist, kam so: Die im jüdischen Glauben vorgeschriebene Möglichkeit sich durch Untertauchen in fließendem Gewässer rituell zu reinigen konnte nicht von Juden angelegt werden. Ihnen war handwerkliche Tätigkeit verboten und somit auch der Zugang zum Baugewerbe untersagt. Nach den Erkenntnissen von Autor Johannes P. Bruno und Archivar Eberhard Dittus wurden Synagoge und Ritualbad wahrscheinlich von Werkleuten der Dombauhütte angelegt – zwischen 1026 (Mikwe) und 1104 (Synagoge); der Kaiserdom entstand zwischen 1030 und 1102. Zur Ansiedlung in Speyer hatte Bischof Rüdiger Huzmanns mit Billigung Kaiser Heinrichs IV. eingeladen, heißt es in der Internetbibliothek Wikipedia. „Speyer nahm eine größere Anzahl von Juden auf, die aus Mainz und anderen rheinischen Städten abwanderten, beziehungsweise abgeworben wurden. Der Bischof garantierte ihnen Rechte und Privilegien, wie sie bis dahin nirgends im Reich üblich waren. Demnach durften sie uneingeschränkt Handel treiben, Gold und Geld tauschen, Grundbesitz erwerben, hatten ihre eigenen Gesetze, Rechtsprechung und Verwaltung, mussten an der Stadtgrenze keine Maut zahlen und durften Nichtjuden als Dienstboten haben“, so Bruno und Dittus. Weiter schreiben sie: „Grund für die Ansiedlung war die bedeutende Rolle, die Juden damals im lukrativen Fernhandel spielten, und der Wunsch nach einer Finanzquelle zum Bau des Domes.“ Über den Judenhof schreiben der Autor und der Archivar: „Als Mittelpunkt der jüdischen Ansiedlung entstand der Judenhof, das kultische Zentrum mit Männer- und Frauen-synagoge und dem rituellen Kaltbad. Die Ruine der Synagoge ist der älteste noch sichtbare Rest eines solchen Hauses in Mitteleuropa. Das Bad, die Mikwe, blieb bis heute nahezu unverändert und ist eine der ältesten noch erhaltenen Anlagen dieser Art.“ Die Synagoge wurde während der Pogrome von 1349 zerstört. Das Ritualbad befand sich in unmittelbarer Nähe der Synagoge. Über deren Innenausstattung ist wenig bekannt. Nur so viel: Ihr Boden war mit Steinplatten belegt und sie hatte verglaste Fenster. Spuren von deren Umrahmung sind noch an der erhalten gebliebenen Westwand erkennbar. Es war ein Hallenbau in romanischem Stil. Die noch erhaltene Mauer wird als „ältester aufrecht stehender Kultbau aus dem Mittelalter“ bezeichnet. Bruno macht auf das Judenhof-Gästebuch aufmerksam, das im 2010 eröffneten Schpira-Museum ausgelegt ist und in dem manche Besucher Anregungen niederschrieben, die für den Eigentümer der Anlage, die Stadt, nützlich sein können. Bruno: „Der Judenhof stellt einen geschichtlichen und religiösen Höhepunkt dar, der nördlich der Alpen seinesgleichen sucht.“ „Eine Besucherin aus Treviso/Italien findet interessant, dass die Synagoge in der Nähe des Kaiserdomes steht“, so Bruno. In der Tat weisen die Mauern der Bauten die gleichen Sandsteinquader auf. Ein Besucher aus der Nähe von Bremerhaven stellt fest, dass die Mikwe „beinahe versteckt und unauffällig liegt. Sie duckt sich gleichsam in Bescheidenheit“. Die einzige schmale Büste im Judenhof zwischen Tauchbad und Synagogenruine empfindet er als eine Erinnerung an die jüdischen Menschen, die dort von 1084 bis um 1467 – mit Unterbrechungen – gelebt haben. „Die unterschiedlichen Stufen im ersten Absatz des Ritualbades sind nicht etwa durch seine beinahe 400-jährige Benutzung verursacht worden, sondern gehen auf einen genauen Plan der Bauherren zurück“, merkt ein Besucher an. Bruno dazu: „So wie die Stufen nicht zueinander passen, so hatten auch die Benutzer der Anlage ihre Ecken und Kanten und bedurften einer inneren Reinigung.“ Ein anderer Besucher sagt: „Sprecht doch einmal Menschen aus aller Welt an, deren Familiennamen sich auf Speyer beziehen (zum Beispiel Spira, Spiro, Shpiro, Schapira, etc.)“. Bruno regt an: „Eine noch bessere Erkenntnis könnten Besucher erzielen, wenn sie sich im Voraus durch Lesen von Informationen mit dem Judenhof beschäftigten. Die nächsten Mikwaot (Mehrzahl von Mikwe) liegen in Worms und Friedberg/Hessen. Im Idealfall wäre der Gedankenaustausch im Freundeskreise nach der Besichtigung vor Ort bereichernd.“

x