Speyer freistoss:

Die Lufthansa-Maschine Potsdam landet auf ihrem Flug von Frankfurt am Main in der US-amerikanischen Hauptstadt Washington. An Bord befinden sich der Speyerer Joachim H. und seine Frau Alexandra. Die Geschichte, die nun folgt, ist derart peinlich, dass sie erst jetzt an die Öffentlichkeit drang. Wir schreiben die Zeit der für Deutschland mit dem Titelgewinn doch so erfolgreich verlaufenen Fußballweltmeisterschaft im Sommer im neben England Mutterland dieses Sports, Brasilien. Ausgerechnet während dieser Zeit bricht unser Ehepaar aus Speyer in den Urlaub ins Land der unbegrenzten Möglichkeiten über dem großen Teich auf. Besichtigungen, zum Beispiel in Philadelphia, aber natürlich auch der Stadt, die niemals schläft, New York, stehen auf dem Programm. In New York angekommen, beginnt ein paar tausend Kilometer weiter in Belo Horizonte das legendäre WM-Halbfinale Deutschland gegen Brasilien. Im „Big Apple“ läuft es nachmittags über die Fernsehschirme. Das lassen sich unsere Frischvermählten doch nicht entgehen – und trennen sich erstmal. Sie sichert die besten Sitzplätze in der übertragenden Kneipe. Er geht kurz vor dem Anpfiff nur noch kurz ein paar alte Reiseschecks eintauschen. Die erste angesteuerte Bank sieht sich dazu nicht in der Lage, schickt Joachim H. zur nächsten. Gleiches Spiel, und so geht’s von Geldinstitut zu Geldinstitut. Irgendwann landet er gar bei einem Juwelier. Das Werk ist vollbracht. Der Speyerer betritt die Kneipe zum Fußballgucken. Ein erster flüchtiger Blick auf den Bildschirm verrät: Deutschland führt, wenn er auch nicht genau sieht, wie hoch. Der zweite Blick offenbart das Unglaubliche – 5:0 für die Jungs von Bundestrainer Joachim Löw. Der schöne USA-Urlaub ist vorüber, und der WM-Titel ist heimgeholt. Die Helden kehren zurück. Die Berliner jubeln den Fußballstars zu, als sie aus der Lufthansa-Maschine steigen – das Flugzeug heißt Potsdam. Es ist das, das unsere Speyerer ein paar Wochen zuvor in die USA brachte. Die beiden Speyerer Joachims, Joachim H. und Joachim E., kennen sich noch von früher über einen weiteren Speyerer, so etwa von vor 20 Jahren. Joachim H. spielte mal Fußball beim FV Berghausen, joggte früher bei Straßenläufen der Region, insbesondere mehrfach beim Speyerer Brezelfestlauf über drei Runden und gut acht Kilometer durch die Innenstadt, mit. Joachim E. dagegen ist eher Fernseh-Couch-Sportler, ein Mann für die dritte Halbzeit, aber immerhin mit Erfahrungen von Besuchen der Fußballweltmeisterschaften 1998 und 2002, zudem immer noch glühender Fan von Fußball-Rekordabsteiger 1. FC Nürnberg. Längst haben sich die Joachims aus den Augen und dem Sinn verloren, höchstens ab und zu von Dritten mal was übereinander gehört. Dann wollten es die Liebe und der Zufall, dass sich unsere beiden Joachims vor nicht allzu langer Zeit in Gütersloh im gleichen Wohnort niederließen. Nun ist es in Gütersloh ein guter Brauch, dass die seit 1994 amtierende Bürgermeisterin Maria Unger die Neuankömmlinge alljährlich zu einem Empfang mit den wichtigsten Vertretern der Stadt einlädt. Zuletzt ging auch bei Joachim H. und Joachim E. die Einladung ein. „Da gehen wir doch mal hin“, dachten sich die beiden jeder für sich und nicht an das Dasein des anderen in Gütersloh denkend. Joachim H. nahm seine Frau Alexandra an der Hand. Joachim E. machte sich allein auf den Weg, traf aber vor Ort gleich einen seiner neuen Arbeitskollegen aus dem riesigen, ortsansässigen Verlagshaus und vertiefte sich mit ihm ins Gespräch. Und so kam es, dass die beiden Joachims, die sich von früher kannten, einst nur 200 Meter voneinander entfernt wohnten, sich beim Empfang nicht wiedererkannten, gar miteinander sprachen oder sich sonst irgendwie bemerkten.

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