Speyer „Die Musik spricht tief zu mir“

„Iam Dulcis Amica – Hohelied-Dichtung aus England“: Mit diesem Programm tritt das Ensemble White Raven aus Basel am Sonntag, 28. September, 20 Uhr, bei den „Internationalen Musiktagen Dom zu Speyer“ in der Krypta auf. Das Trio um Gründerin und Sängerin Kathleen Dineen präsentiert Gesänge des Mittelalters. Unsere Mitarbeiterin Anne Kirchberg hat vorab mit Dineen gesprochen.

Was fasziniert Sie an der irischen und der mittelalterlichen Musik?

Ich kann es nicht genau beschreiben, aber die Mittelaltermusik spricht ganz tief zu mir, genauso wie mein traditioneller gälischer Gesang. Die Musik des Mittelalters ist sehr eng verbunden mit Gedicht und Poesie, dadurch gewährt sie ein tiefes Verständnis für die Worte, die im Gesang vorkommen. Diese Worte und die Musik kombiniert, das ist einfach etwas sehr Besonderes. Woher kommt der Programmtitel „Iam dulcis Amica“? Das ist die Bezeichnung des frühesten Stückes, das wir aufführen. Es stammt aus dem 11. Jahrhundert und taucht in insgesamt drei verschiedenen Manuskripten auf. Wir präsentieren eine Mischung aus zweien davon. „Iam dulcis Amica“ hatte einen großen Einfluss auf die Musik des Mittelalters und zeigt auch die enge Verbindung zwischen Frankreich und England. Denn viele Stücke aus dieser Zeit wurden in französischer Sprache gesungen, obwohl sie aus englischen Quellen stammen. Wann und wie haben Sie White Raven gegründet? Ich hatte schon lange die Idee, traditionelle irische Musik zu singen und sie in Einklang mit der so genannten „Early Music“ zu bringen. Im Jahr 2000 traf ich an der Hochschule zwei Kollegen, die ebenfalls daran interessiert waren, also fragte ich sie, ob wir diese neue Idee ausprobieren wollen. Beide hatten Lust, und so begannen wir im Herbst mit den Proben. Ein Jahr später traten wir das erste Mal offiziell als Ensemble auf. Welche Musik wollten sie gemeinsam aufführen? Wir konzentrieren uns auf den irischen Gesang, vor allem alte gälische Lieder und Volkslieder in englischer Sprache. Wir singen also auch schottische und amerikanische Lieder, häufig auch französische, weil wir die ganze Bandbreite dieser Volksmusik präsentieren möchten. In Speyer sind wir jedoch mit einem vollkommen anderen Programm zu Gast, das die Mittelaltermusik im Zentrum hat. Hier singen wir vor allem englische Lieder vor 1400, wie unter anderem das so genannte Hohelied, welches als Inspiration für christliche Poesie und Rhetorik diente. Wie kann man sich den Klang dieser Musik vorstellen? Es ist eine echte Erfahrung, diese Klänge zu hören. Sie können zum einen sehr beruhigend sein, aber auch ziemlich aufregend, und besitzen viele Intervalle, Unisono, Oktaven sowie Quinten. Zudem gab es in dieser Zeit bereits hörbare Dissonanzen, die für viele Zuschauer vielleicht ziemlich überraschend sind. Daneben sind die verschiedenen Klangmöglichkeiten und die speziellen Harmonien ein echtes Erlebnis, das meistens beim Publikum auf Begeisterung stößt. Mir macht das Singen gerade deshalb sehr viel Spaß. Wie klingt die Musik in einer Krypta? Ich denke, wunderbar. Es ist fantastisch, diese Musik in einem Raum aufzuführen, der von seiner Architektur zeitlich genau passt. Wir haben das Programm bereits einmal in der Krypta des Münsters in Basel gesungen, und es war ganz toll. Vor ein paar Jahren bin ich schon in der Krypta des Doms zu Speyer aufgetreten und war beeindruckt, welche Intensität diese Umgebung in die Musik bringt. Man kann die Stücke quasi in ihrem eigentlichen Zuhause anhören. Was ist anders als in einem Konzertsaal? Wir müssen uns immer ein wenig an den Auftrittsort anpassen. Die Musik klingt nirgends gleich. Vor allem muss auf die Harmonien und Intervalle geachtet werden, wenn der Raum eine außerordentlich große Akustik wie die Krypta besitzt. Daher singen wir ein bisschen langsam, um unschöne Echos zu vermeiden, und werden uns sehr genau auf unser Timing konzentrieren. Ich freue mich sehr auf das Konzert in Speyer, es wird sicher wunderbar.

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