Speyer Der Geschichte auf der Spur

„Es lohnt sich, solche Schicksale aufzuarbeiten“: Die Teilnehmer der Präsentation beim Förderverein des Landesarchivs.
»Es lohnt sich, solche Schicksale aufzuarbeiten«: Die Teilnehmer der Präsentation beim Förderverein des Landesarchivs.

Außerschulische Lernorte wie Archive, Bibliotheken und Gedenkstätten gewinnen Jugendliche mehr für historische Zusammenhänge als die Reduzierung auf Geschichtsbücher im Unterricht. Das hat die gleichnamige Veranstaltung des Speyerer Landesarchivs am Mittwoch klar gezeigt.

Mehr Zusammenarbeit zwischen Schulen und Archiven haben sich zwei Schülerinnen aus Neustadt gewünscht. Bei ihrer ehrenamtlichen Pflege eines jüdischen Friedhofs hätten sie begonnen, sich für das Leben der Verstorbenen zu interessieren, berichteten sie den Zuhörern. Ihre Recherchen im Landesarchiv hätten sie zu Nachfahren und damit zu weiteren Informationen geführt. „Solche Projekte wünschen wir uns im Unterricht“, sagten sie. Mit einem Fallbeispiel referierte Daphne Eisenlohr über die Rolle der katholischen Kirche im Nationalsozialismus. Bei dieser Akten-Arbeit habe sie viel über ihren Heimatort erfahren, betonte die Schülerin aus Hagenbach. Sarah Klemm vom Pfalzkolleg hatte sich auf die Spuren des „ernsten Bibelforschers“ (heute: Zeugen Jehovas) aus Ludwigshafen begeben. Umfangreiches Aktenmaterial über 23 Bibelforscher in der Region habe ihr im Landesarchiv zur Verfügung gestanden, sagte sie. „Das hat mir einen sehr persönlichen Zugang zu den Schicksalen ermöglicht.“ Familiengeschichte hatte Isabell Neumann ihrem Thema „Kinderlandverschickung im Vergleich zu Schullandheimaufenthalten im Nationalsozialismus“ zugrunde gelegt. Ihr Großvater sei als 13-Jähriger verschickt und damals mit Altbundeskanzler Helmut Kohl in Berchtesgaden untergebracht worden, erzählte die Ludwigshafenerin. Akribische Bürokratie der Nationalsozialisten sei aus den Landesarchiv-Akten zu lesen, stellte Veronica Schottler aus Wörth fest. „Es lohnt sich, solche Schicksale aufzuarbeiten“, fasste Philipp Heller seine Arbeit über einen damaligen Neustadter Beigeordneten zusammen. Auch drei Polizeikommissare hatten sich in ihren Bachelor-Arbeiten mit Fällen der Nazizeit beschäftigt. Ihr Fazit eingehender Aktenstudien: „Die Ordnungspolizei hat ihre Macht oft willkürlich eingesetzt, die Gestapo ist skrupellos vorgegangen.“ Er hoffe, dass der „tiefe Einschnitt“, den das AfD-Ergebnis der Bundestagswahl in die bundesdeutsche Demokratie hinterlassen habe, nicht die Auswirkungen wie der Wahlerfolg der NSDAP 1933 habe, wies Dieter Schiffmann, Vorsitzender des Speyerer Landesarchiv-Fördervereins auf die aktuelle Bedeutung außerschulischer Lernorte für historisches Bewusstsein hin. „Wir brauchen eine stark aufgestellte junge Generation von Geschichtsforschern.“

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