Speyer „Das war eine der letzten Chancen“

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Herr Westermann, haben Sie als Pfälzer Förster die UN-Klimakonferenz besonders genau beobachtet?

Ja, sehr intensiv. Das war eine der letzten Chancen, auf dieser Erde wirklich entscheidende Dinge zu retten. Das Interesse hat also nicht nur mit meinem Beruf zu tun, sondern einfach mit meinen Bedürfnissen als Mensch. Wurde dieses letzte Chance denn genutzt? Die Länder haben sich auf gute, kluge Ziele geeinigt. Es kommt jetzt darauf an, wie die Umsetzung aussieht. Deutlich wurde aber schon, dass es einen Bewusstseinswandel bei den Hauptverursachern des Klimawandels gibt, also bei uns in der ersten Welt und in den Schwellenländern. In der Bush-Ära hieß es ja noch: Wenn es wärmer wird, drehe ich halt die Klimaanlage ein bisschen höher. Jetzt haben viele verstanden, dass es hier um die Lebensgrundlage der Menschen geht. Die Erde wird weiter existieren, nur ob der Mensch hier in Zukunft noch eine Lebensgrundlage hat, ist fraglich. Kann die Politik das wirklich ändern, oder ist nicht eher der Bewusstseinswandel der Bürger entscheidend? Ganz klar: Wir werden die Klimaziele nicht erreichen, indem wir zweimal im Jahr um die Welt fliegen, um Urlaub zu machen. Wir als Konsumenten sind diejenigen, die den Klimawandel verantworten, und nicht die BASF oder RWE. Die Unternehmen produzieren nur das, was von uns nachgefragt wird. Gab es einen Moment, in dem Sie gemerkt haben, der Klimawandel ist in der Pfalz angekommen? In meinem ehemaligen Forstrevier habe ich in den 90er-Jahren bemerkt, dass es immer mehr heiße Sommer gab. Und in diesen Sommern sind innerhalb von wenigen Jahren unglaublich viele alte Eichen abgestorben. Durch die Hitze haben sich Schädlinge stark vermehrt, und die Bäume waren sehr geschwächt. Da ist mir schon klar geworden: Hier ist etwas anders, als es die letzten 150 Jahre war. Was hat sich durch den Klimawandel hier noch verändert? Es gibt zum Beispiel Vogelarten, die im Winter nicht mehr in den Süden fliegen, weil es ihnen hier warm genug ist. Die Mönchsgrasmücke war früher ein ganz typischer Zugvogel. Letzten Winter hat bei mir eine Mönchsgrasmücke überwintert. Der Rote Milan, ein Greifvogel, ist früher auch regelmäßig in den Süden gezogen, jetzt sehe ich ihn hier immer öfter im Winter. Oder Insekten: Als ich das erste Mal eine Gottesanbeterin in der Pfalz gesehen habe, war das für mich eine Sensation. Heute ist das schon fast normal. Auch Taubenschwänzchen, eine Schmetterlingsart, die es früher nur ganz selten über die Alpen geschafft hat, entwickeln sich mittlerweile hier vor Ort. Das weist alles deutlich darauf hin, dass es wärmer geworden ist. Was für Maßnahmen können Sie denn als Förster treffen, um dem Klimawandel zu begegnen? Das Entscheidende ist eine Risikostreuung. Bestimmte Baumarten werden hier in Zukunft wegen der steigenden Temperatur einfach nicht mehr existieren können. Es wäre zum Beispiel Irrsinn, hier in der Pfalz noch Fichten zu fördern. Die Fichte wird diesen Klimawandel nicht mitmachen. Deswegen muss man sich überlegen, welche alternativen Baumarten haben wir denn? Da fallen einem zwei Nadelbäume ein: die Weißtanne und die Douglasie, das ist eine Baumart, die eigentlich aus Nordamerika kommt, hier aber gut wächst und mit trockeneren Verhältnissen besser klarkommt. Risikostreuung bedeutet außerdem: Wenn auf einer Fläche viele verschiedene Baumarten stehen, ist die Wahrscheinlichkeit, dass welche durchkommen, größer. Der Wald verändert sich also durch den Klimawandel, er verschwindet aber nicht? Wir wissen es nicht genau. Weniger Waldfläche wird es hoffentlich nicht geben. Aber wie der Wald, der auf dieser Fläche steht, in Zukunft aussehen wird? Keine Ahnung. Wahrscheinlich ist, dass immer mehr Bäume wegfallen werden oder nicht mehr ganz gesund sind. Das ist eine große Herausforderung für die Forstwirtschaft. Einfach wäre zu sagen: Wir kriegen irgendwann ein Klima wie in Nordafrika, dann pflanzen wird das, was jetzt in Nordafrika wächst. Aber was dort wächst, würde bei dem jetzigem Klima hier noch nicht klarkommen. Gesunde Wälder können aber auch helfen, den Klimawandel zu verlangsamen, oder ? Entscheidend ist vor allem nachhaltige Forstwirtschaft. C02 wird in Bäumen und in Waldböden gespeichert. Wenn mehr Holz nachwächst, als genutzt wird, wie das in Rheinland-Pfalz der Fall ist, dann werden auf der großen Waldfläche riesige Mengen CO2 gespeichert. Wird das Holz geerntet und in langlebige Holzprodukte verarbeitet, dann bleibt das gebundene CO2 gespeichert, so lange wie das Holzprodukt nicht verbrannt wird oder von selbst verrottet. Wälder, die nicht genutzt werden, sondern deren Holz im Wald liegen bleibt und verrottet, sind allenfalls klimaneutral, nicht aber wie nachhaltig bewirtschaftete Wälder klimaschonend. Denn bei der Verrottung wird das zuvor gespeicherte C02 gleich wieder freigesetzt. Was tun Sie im Pfälzerwald noch gegen den Klimawandel? Wir haben zum Beispiel ein Projekt mit Schülern, die regelmäßig bei uns in den Gemeindewäldern Bäume pflanzen und dafür von den Waldbesitzern Geld bekommen, das sie dann für Walderhaltungsmaßnahmen in Peru spenden. Außerdem versuchen wir in Projekten mit den Kindern, ein Bewusstsein für den Klimawandel zu schaffen. Dafür gehen wir in einen Mischwald und lassen sie mit blauen Bändern die Bäume markieren, die noch stehen würden, wenn das Klima um zwei beziehungsweise drei Grad ansteigt. Und mit roten Bändern die, die jeweils verschwinden würden. Da sieht man sehr deutlich, dass diese Zwei-Grad-Grenze auch bei uns einen entscheidenden Unterschied machen würde. Die Schüler gehen immer ergriffen aus so einer Veranstaltung raus. Sie sehen: Wenn wir etwas tun, können wir die Welt noch retten. Wenn wir nichts tun, dann werden spätestens unsere Kinder und Enkelkinder ein echtes Problem haben.

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