Speyer Cedric geht seinen Weg

Geht in seiner Arbeit im Seniorenheim voll auf und ist eigentlich immer gut gelaunt: Cedric Sütterlin.
Geht in seiner Arbeit im Seniorenheim voll auf und ist eigentlich immer gut gelaunt: Cedric Sütterlin.

„Mir geht’s gut!“, sagt Cedric Sütterlin bei der Begrüßung – noch bevor er nach seinem Befinden gefragt wird. Der junge Mann liebt seinen Job als Stationshelfer im Rhein-Pfalz-Stift in Waldsee. Er freut sich jeden Tag auf die Senioren. Dass er diesen Arbeitsplatz hat, ist keine Selbstverständlichkeit – Cedric hat eine Behinderung.

«Waldsee.» Gerade hat Cedric Sütterlin den Frühstückstisch im Wohnbereich, der den schönen Namen Wolfgangsee trägt, abgeräumt und transportiert das Geschirr mit seiner Integrationshelferin Beate Nowotny in die Spülküche. Auf dem Weg dahin begrüßt er jeden, den er trifft, persönlich. Die Arbeit geht ihm leicht von der Hand. Sütterlin weiß, wie er den Aufzug bedienen muss. Er räumt die Spülmaschine ein, schaltet sie an – und er räumt sie wieder aus, stapelt alles auf dem Transportwagen. Zwischendurch wirft er einen Blick in die Küche. „Der Axel ist mein Freund“, erklärt er, zeigt auf den Koch und freut sich schon darauf, später das Mittagessen an die Senioren zu verteilen. Sütterlin ist 23 Jahre alt. Er wurde mit Fragiles-X-Syndrom geboren, der zweithäufigsten geistigen Behinderung nach dem Down-Syndrom. Dank seiner Familie, die immer auf Inklusion gesetzt hat, und des Seniorenheims Rhein-Pfalz-Stift, das auch mal neue Wege geht, hat er seinen Traum-Job gefunden und die Einrichtung einen hochmotivierten Mitarbeiter. Die Diagnose Fragiles-X-Syndrom bekam Sütterlin im Alter von zwei Jahren. „Für uns war klar, dass wir so viel wie möglich für unseren Sohn tun wollen. Inklusion ist uns wichtig, denn Cedric schaut sich viel von anderen ab“, erklärt Mutter Manuela Sütterlin. So besuchte er als Kleinkind in Singapur, wo seine Eltern aus beruflichen Gründen waren, die „German School“. Er war dort das einzige beeinträchtigte Kind. Später ging er in eine integrative Kindertagesstätte in Deutschland. In der Grundschule hatte er das Glück, in einer Außenklasse der Georgensschule mit einer Regelklasse an der Schillerschule Oggersheim und dann an der Hauptschule in Lambsheim unterrichtet zu werden. Nach der 9. Klasse wechselte er an die IGS Gartenstadt. „Er hat differenzierte Aufgaben bekommen, war aber überall mit dabei, auch auf Klassenfahrten“, erzählt seine Mutter. Am Ende hatten seine Klassenkameraden das Abi in der Tasche, Sütterlin den Förderschulabschluss und alle zusammen haben sie den Abi-Ball gefeiert. In den letzten Schuljahren hat Sütterlin sehr viele Praktika gemacht. „Er hat vieles ausprobiert, vom Motorradladen über Jugendherberge und Gartenbau bis zu Altenheimen, zuletzt dann im Rhein-Pfalz-Stift“, erzählt Manuela Sütterlin. Am besten habe ihm jedoch die Arbeit mit den Senioren gefallen. Normalerweise machen junge Menschen wie Sütterlin nach dem Schulabschluss eine Ausbildung in einer Werkstatt für behinderte Menschen. Doch der 23-Jährige sollte einen anderen Weg gehen, auch wenn der nicht immer ganz eben war. „Es ist eben ein seltener Fall“, sagt seine Mutter diplomatisch. Mit Hilfe des Fachdienstes für Arbeit und Integration konnte er sich als Präsenzkrafthelfer qualifizieren – analog des Berufsbildungsbereichs, den die Werkstatt für behinderte Menschen anbietet. 27 Monate dauerte das. Das Rhein-Pfalz-Stift war gerne bereit, dem jungen Mann diese Möglichkeit zu geben, man kannte Sütterlin ja schon vom Praktikum. Am 6. Dezember 2017 war er schließlich Präsenzkrafthelfer. Für Einrichtungsleiterin Margot Reis stand es außer Frage, Sütterlin nach der Ausbildung zu übernehmen. Schon am Folgetag hat er einen regulären, sozialversicherungspflichtigen unbefristeten Arbeitsvertrag als Stationshelfer bekommen. 28 Stunden arbeitet er pro Woche. Wenn es nach ihm ginge, könnte es durchaus mehr sein. Am Wochenende freut sich der 23-Jährige schon auf den Montag, wenn er „seine Senioren“ wieder sieht. „Wir sind froh, ihn zu haben“, sagt Margot Reis. „Cedric war noch nicht einen Tag krank, er ist voll integriert bei Bewohnern und Mitarbeitern und er gibt uns sehr viel. Sütterlin geht voller Elan an seine Aufgaben. Er motiviert andere und zeigt, wie man in seinem Beruf aufgehen kann.“ Reis möchte andere Seniorenheime ermutigen, dem Beispiel zu folgen. Im Rhein-Pfalz-Stift beschäftigt sie inzwischen noch einen jungen Mann mit Down-Syndrom einen Tag pro Woche. „Unser Sohn ist im Rhein-Pfalz-Stift aufgeblüht“, erzählt Manuela Sütterlin. Er hat gelernt, alleine mit öffentlichen Verkehrsmitteln nach Waldsee zu kommen und zu telefonieren, wenn der Bus nicht kommen sollte. Auf der Arbeit unterstützen ihn Integrationshelferinnen. Die Namen der Bewohner kann Sütterlin alleine lesen, bei längeren Texten braucht er Hilfe. „Er kennt alle Bewohner und hilft mir, wenn ich mal jemanden nicht kenne“, sagt Integrationshelferin Beate Nowotny. Und die Bewohner kennen und lieben den 23-Jährigen, weil er sich Zeit für sie nimmt und immer freundlich ist. Nachdem das Frühstücksgeschirr gespült ist, holt er die Post ab und verteilt sie auf den Wohnbereichen. Für eine freundliche ältere Dame hat er zwar keine Post dabei, legt aber eine Pause ein, um mit ihr Fotos zu betrachten. Zum Abschied bekommt er ein Bonbon. Er hält es gegen das Licht. „Ein Herz!“, stellt er fest, strahlt und ruft einer Seniorengruppe einen freundlichen Gruß zu.

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