Pirmasens Staatsanwalt liest auf Facebook mit

Gelobt sei die Zeit, als man seinen Zorn nur einem kleinen Kreis am Stammtisch mitteilte statt Hunderten oder Tausenden über Facebook. Wutaussprüche waren schnell vergessen, Schriftliches gab es nicht, die Worte verhallten. Gut, Stammtische gibt es immer noch, aber manchen Zeitgenossen scheint es viel verlockender, ihre Hasstiraden einem möglichst großen Publikum mitzuteilen – schriftlich, nicht bedenkend, dass so auch der Staatsanwalt mitlesen kann. Wie im Fall eines 57-jährigen Mannes aus Pirmasens, der gestern Morgen vom Amtsgericht Pirmasens wegen Volksverhetzung zu einer Geldstrafe von 800 Euro verurteilt wurde. Im August 2016 war der AfD-Bundesvorsitzende Jörg Meuthen bei einer Versammlung seiner Partei Alternative für Deutschland im niedersächsischen Landkreis Harburg mit einer tiefgefrorenen Torte beworfen und verletzt worden. Der 57-Jährige fühlte sich bemüßigt, dazu seinen Senf abzugeben. „Keine Torten, Pflaster- und Ziegelsteine müssen fliegen“, schrieb er auf seiner Facebook-Seite. Und noch einige Flüche mehr auf die AfD und ihre Anhänger. Das Pech des derzeit arbeitslosen Mannes: Die Sache landete bei der Staatsanwaltschaft und die erhob Anklage wegen Volksverhetzung. Jeder dürfe dummes Zeug reden und schreiben, aber das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten (Artikel 5 des Grundgesetzes) habe dort seine Grenzen, wo die Rechte anderer tangiert werden, sagte gestern der Staatsanwalt. Der Angeklagte hätte wissen müssen, dass sein Aufruf zu Attacken gegen die AfD auf Facebook eine erhebliche Zahl Leser finden würde. „So was nennt sich Volksverhetzung.“ Der Angeklagte versuchte gestern erst gar nicht, seine verbalen Ausfälle zu leugnen. Schließlich hatte das Gericht alles schwarz auf weiß. „Ich wollte niemanden zur Gewalt aufrufen“, versicherte er. Er habe die Sätze im Zorn geschrieben und schon nach einer Viertelstunde wieder gelöscht. Behauptete er. Aber das Gericht konnte ihm nachweisen, dass das, was er geschrieben hatte, auch sechs Tage danach noch auf Facebook nachzulesen war. Aber so ganz klein beigeben wollte der Angeklagte auch wieder nicht. Er sehe ja ein, dass er mit seinem Facebook-Eintrag überzogen habe, „aber die AfD ist auch nicht zimperlich“ und das kümmere keinen Staatsanwalt, meinte er und erinnerte an die AfD-Vizechefin Beatrix von Storch, die einen Schusswaffengebrauch gegen Flüchtlinge an der Grenze gutgeheißen habe. Staatsanwalt und Richterin machten gestern deutlich, dass der Angeklagte nur knapp an einer Freiheitsstrafe vorbei geschrammt war – wegen seiner 24 Vorstrafen. „Es ist für einen Angeklagten nicht von Vorteil, wenn das Verlesen seiner Vorstrafen länger dauert als das Verlesen der Anklage“, meinte der Staatsanwalt. Letztendlich hielt er eine solche Freiheitsstrafe aber für überzogen und plädierte für eine Geldstrafe. Dem folgte die Richterin und verdonnerte den Angeklagten zu besagter Strafe von 800 Euro. Denn andere hätten seinen Facebook-Eintrag als Ausruf zur Gewalt interpretieren können. |pr

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