Pirmasens Mit bemerkenswerter Souveränität

Das war doch schon mal sehr ermutigend: Unter der Leitung von Peter Gutmann, Lehrer für Deutsch und Englisch, hat die neu gegründete Theatergruppe Thalia des Pirmasenser Leibniz-Gymnasiums mit Schülern der Klassen neun bis elf Hugo von Hofmannsthals Mysterienspiel „Jedermann. Das Spiel vom Sterben des reichen Mannes“ mit bemerkenswerter Souveränität auf die Bühne gebracht.

Der „Jedermann“ ist ein Monstrum von einem Stück, nicht nur für ein Schülertheater. Es ist lang, die Textmenge ist gewaltig; die Knittelreime in absichtsvoll nachgemachtem mittelalterlichen Ton schnüren ein unerbittlich strenges Korsett, das keine Fehler, keine Hänger verzeiht. Improvisieren ist nicht möglich und es braucht starke Schauspieler, die sich in der Enge der Wörter den Raum zum Spiel verschaffen müssen. Das ist eine große Herausforderung für ein Schülertheater. Das Thalia setzt noch eins drauf und nimmt sich nicht die üppig ausgestatteten Aufführungen der Salzburger Festspiele zum Vorbild, sondern das karge, strenge Mysterienspiel „Everyman. A Morality Play“ aus dem England des frühen 16. Jahrhunderts. Nicht Shakespeares Globe-Theatre, sondern die Theaterkarren der Wanderbühnen mit all ihren Einschränkungen stehen für die Bühnengestaltung und Kostüme Pate. Leer, ja düster ist die Spielfläche, nach hinten nur durch einen schwarzen Vorhang begrenzt. Bis auf den Jedermann, Tod, die Werke und den Glauben tritt niemand wirklich in Kostümen auf, die übrigen Personen durchweg in Alltagsklamotten. Diese Reduktion auf das unbedingt Nötige verschärft die Anforderungen an die Schauspielerei nochmal beträchtlich. Luthers „Es ist alles eitel“, die Vergeblichkeit und Nichtigkeit alles irdischen Strebens, dessen Kritik schon im Alten Testament angelegt ist, dazu die sehr wohl bizarren Heilsvorstellungen des Barock, die bis in prätentiöse Rocksongs à la „Dust In The Wind“ von „Kansas“ nachhallen, bilden den ideologischen Hintergrund des „Jedermann“, der auf Erden alles hat, in seinem Dünkel die Barmherzigkeit vergisst und doch am Ende vor Gottes Richterstuhl zu treten hat, allegorisch nur begleitet von seinen schwächlichen Werken, die für ihn sprechen mögen. Das ist heftiger Stoff, der den Darstellern buchstäblich alles abverlangt. Eric Bahne (Jedermann), Johanna Welle (guter Gesell), Daniela Wüstemann (Mutter, Tod), Julia Knecht (Hausvogt, Werke), Nadine Gegenfurter (armer Nachbar, Glaube), David Kölsch (Gott der Herr, Teufel), Shun jie Yan (Buhlschaft, Koch), Corinna Wagner (dicker Vetter), Michelle Zwipf (dünner Vetter, Schuldknechts Weib), Daniel Gut (Schuldknecht, Mammon) und Mandy Meyer (Erzengel Michael) sowie Chantell Ladson, Mandy Mayer und Saskia Ostmann als Komparsen, dazu Jana Wagner als Souffleuse haben sich angesichts dieser Anforderungen mehr als wacker geschlagen. Der Umgang der jugendlichen Darsteller mit diesem technisch wie intellektuell schwierigen Stoff nötigt Respekt ab. Die Sprachverständlichkeit bedarf noch ein bisschen der Verbesserung, aber erneut: Dieses Stück fordert auch Klaus Maria Brandauer, der den „Jedermann“ sieben Mal in Salzburg gegeben hat, wie viel mehr also solch junge Menschen. Es ist schön zu sehen, dass hier eine kreative Arbeit in Gang kommt, die nach Verstetigung geradezu schreit. Die Grundlagen sind bereits dadurch gelegt, dass neben dem Großen Schauspiel (Klassen 9 bis 13) auch im Kinder- und Jugendtheater (Klassen 7 bis 9) am Leibniz-Gymnasium Talentsicherung und -förderung programmatisch angelegt ist. Die Erfolge am Kant-Gymnasium im musischen Bereich zeigen, dass es sich lohnt, einen langen Atem zu haben.

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