Pirmasens Interpretation, die Bestand haben wird

Mit der deutschen Uraufführung der „St. John Passion“ von Bob Chilcott am Sonntag in der Johanneskirche ist Volker Christ und seinen Jugend- und Kinderchören des Kant-Gymnasiums, Orchester und Solisten das Meisterstück der bisherigen Arbeit in Pirmasens gelungen. Werkauswahl und musikalische Ausführung haben Maßstäbe für die Arbeit mit Schulensembles gesetzt, im Niveau jederzeit auf Augenhöhe mit den besten Erwachsenen-Chören in der Stadt.

Die „St. John Passion“, also die Johannes-Passion von Bob Chilcott, ist ein noch ganz frisches, neues Werk, das am Palmsonntag 2013 in England seine Welt-Uraufführung erlebte. Das Konzert am Sonntag brachte das Passionswerk erstmals in Deutschland auf die Bühne. Erst seit kurzem existiert eine CD-Einspielung, die aber erschienen war, als Volker Christ und seine Chöre bereits ihre eigene Version des Werkes erarbeitet hatten, was den Reiz der Aufführung vom Sonntag noch einmal beträchtlich erhöhte. So hat man die „St. John Passion“ garantiert noch nie gehört. Die 17 Teile des Werkes, die Chorsätze, Choräle, Rezitative und Meditationen folgen im wesentlichen der Anlage, wie bei Bachs Johannes-Passion, freilich zumeist nach dem altenglischen Bibeltext, von Chilcott ergänzt um religiöse Lyrik meist aus dem englischen Barock. Allerdings ist bei Chilcott der aggressive anti-judaistische Ton, den man bei Bach findet, etwas abgemildert. Eine großartige Idee war es, drei der Choräle bereits vorab im Gottesdienst mit der Gemeinde einzuüben, so dass am Sonntag auch das Publikum singend in die Aufführung einbezogen war. Christ hat Chilcotts „St. John Passion“ analog der hochdramatischen Handlung mit einem beinahe szenischen Gestus inszeniert. Die emotionalen Schärfungen in Dynamik und Rhythmik nutzen alle Möglichkeiten, die bei Chilcott bereits angelegt sind. Auch wenn weniger opulente, zurückgenommenere Deutungen denkbar bleiben, hat Christ mit seinen Musikern eine völlig schlüssige Interpretation gefunden, die Bestand haben wird. Gerade weil er auch auf musikdramaturgische Mittel zurückgreift, die der Attitüde von Musical und Pop-Musik entlehnt sind, schafft er eine Zugänglichkeit für die jungen Musiker und das Publikum, ohne oberflächlich zu wirken oder das musikalisch reiche Werk zu trivialisieren. Dass Christ diese Balance halten konnte, ist fraglos das Verdienst seiner ausgezeichneten Ensembles und Solisten. Die Schülerinnen und Schüler der Klassen 5c und 6d (unter der Co-Leitung von Steffi Sieber-Christ) und der Junge Kammerchor des Kant haben selbst hoch gespannte Erwartungen übertroffen. Die Solisten Daniel Schreiber, Tenor (Evangelist), Philip Niederberger, Bariton (Christus), Reiner Holthaus, Bariton (Pilatus), Steffi Sieber-Christ, Sopran, Anne-Christine Schütz, Sopran (Eine Frau), Pascal Brunner, Bariton (Petrus), und Mattis Heyne, Tenor (ein Diener/ein Offizier), waren für Christs szenische Werkauffassung ideale Partner. Das Instrumental-Ensemble mit Jens Hilzensauer und Andre Becker, Trompete, Tobias Könnel, Horn, Sven Storck, Posaune, Christian Pauli, Tuba, Christoph Traxel, Pauken, Moritz Fentner, Viola, Stefan Knust, Violoncello und Bezirkskantor Maurice A. Croissant an der Orgel spielten als Begleiter, Kommentatoren und Konterparts der Gesangssolisten schlichtweg exzellent. Ein Jammer, dass diese Einstudierung vermutlich nur diese eine Aufführung erleben wird. Wer das Glück hatte, dabei gewesen zu sein, darf sich beschenkt fühlen.

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