Pirmasens „Ich habe den Pilgervirus“

Um das Jahr 2000 hat Hermann Brenner im Fernsehen eine Serie gesehen, in dem ein Paar von Linz an der Donau nach Santiago de Compostela gepilgert ist, um sich vor der Heirat zu prüfen – und dann nicht geheiratet hat. Daraufhin habe er sich ein Buch über den Pilgerweg gekauft, das ihn so fasziniert habe, dass er sich vornahm, auch nach Santiago de Compostela zu pilgern, wenn er im Ruhestand ist, erzählt Hermann Brenner im Gespräch mit der RHEINPFALZ. Damals hat er sich mit dem „Pilgervirus“ angesteckt. Etwa im Jahre 2005 sei er dann am Ostermontag mit einem Bekannten aufgebrochen. Aber schon am dritten Tag in Hagenau hätten sie sich getrennt, da der Bekannte Probleme mit den Füßen bekommen habe. Bis Le Puy in Frankreich sei er die meiste Zeit allein gepilgert – ohne Englisch- und Französischkenntnisse. Für die Strecke von etwa 2450 Kilometern hat er zu Fuß 82 Tage gebraucht. Gewandert ist er schon vorher und hat auch an den Pirminiuswanderwochen teilgenommen. Er habe sich damals genau überlegt, was er im Rucksack brauche, und im Wald getestet, wie es sich damit läuft, sagt Brenner über seine Vorbereitungen. Übernachtet hat er oft in spartanischen Pilger-Herbergen in Geschlechter übergreifenden Gemeinschafts-Unterkünften. Zu empfehlen sei es, einen eigenen Leinen-Schlafsack mitzunehmen. Die Menschen seien meist sehr freundlich und hilfsbereit, wenn sie sehen, da kommt ein Pilger – zu erkennen an der Jakobs-Muschel. Das schlimmste sei gewesen, sagt Brenner: „Hund, Kinder und Frau waren nicht dabei und ich konnte niemanden die Schuld geben, wenn ich mich verlaufen habe.“ Man habe Zeit, über alles nachzudenken und sehe die Welt mit anderen Augen; das Materielle trete in den Hintergrund, sagt Brenner über die Wirkungen des Pilgerns. „Man wird im Leben geduldiger und nachsichtiger und verzeiht seinen Mitmenschen eher etwas. Der christliche Glaube wird zwangsläufig gestärkt. An Gott denken gehört dazu.“ Aber man müsse nicht gläubig sein, um den Jakobsweg zu gehen. Man könne ihn als Glaubensübung, sportliche Übung oder als Flucht vor der Zivilisation machen. Man dürfe sich aber nicht unter Zeitdruck setzen. Ein Spruch besage: „Der eigentliche Sinn der Pilgerschaft ist, sein Herz zu öffnen, und nicht, in Santiago anzukommen.“ Im Jahr 2007 habe er den Pilgerweg von Canterbury nach Rom gemacht; 1800 Kilometer quer über die Alpen in 60 Tagen. Inzwischen nimmt Brenner regelmäßig am Samstagspilgern der St. Jakobus-Gesellschaft teil. Dabei wird jeweils am letzten Samstag im Monat auf einem Teilstück des Jakobsweges gepilgert. Mit dem Älterwerden müsse man dem Körper und der Familie Tribut zollen, sagt der 73-jährige. Er habe den Pilgervirus, sagt er von sich. Die wenigsten kommen davon wieder los. Das Pilgern sei eine besondere Art von Wandern, es könne eine Lebenshilfe sein, erklärt er das Massenphänomen. Es habe einen religiösen Hintergrund; es sei geistliche Einkehr. Der Pilgerweg bringe internationale Begegnungen und sei frei von Ressentiments wegen der Nationalität. In diesem Jahr will Brenner einen Teil des Jakobswegs in Spanien als Gedächtnispilgerung gemeinsam mit etwa zehn Leuten gehen. Brenner, der in Gersbach wohnt, aber von der Ruhbank stammt, hatte zunächst eine Lehre als Kfz-Mechaniker absolviert, sich dann für zwölf Jahre bei der Bundeswehr verpflichtet und dabei die Fachlehrer-Ausbildung für Elektrotechnik gemacht. Danach unterrichtete er bis 1992 an der Berufsschule Pirmasens und schließlich bis zur Pensionierung in Zweibrücken.

x