Pirmasens „Ich bin ein Grübler“

Sie werden bald 60...

Noch bin ich ein Spätjugendlicher, in zwei Monaten bin ich dann von heute auf morgen ein junger Alter. Im Ernst. Ziehen Sie Bilanz? Das wollen Sie nicht alles hören. Also mache ich es kurz. Ich bin mit dem Ergebnis der vergangenen Jahre sehr zufrieden. Es gab immer wieder Weggabelungen, aber ich habe Gottseidank immer den richtigen Weg eingeschlagen. Ich würde ihn wieder so gehen. Zum Beispiel? Ich bin froh, dass ich vor über 40 Jahren zur Stadt gegangen bin und nicht zur Deutschen Bank. Es war auch richtig, später Wechselangebote nach Thüringen, Niedersachsen und in die Vorderpfalz auszuschlagen. Ich fühle mich hier unglaublich wohl. Ich mag das Zusammentreffen mit Bürgern. Die sagen auch mal in aller Deutlichkeit, was ihnen nicht schmeckt. Können Sie einstecken? Klar, wenn die Leute recht haben. Was treibt Sie momentan um? Es ist plötzlich wieder von der verratenen Region die Rede. Zehn Jahre war Ruhe, da haben die Leute die positiven Entwicklungen gesehen, den Rheinberger, das Dynamikum, den Bahnhof, die 2000 neuen Arbeitsplätze auf der Husterhöhe, das neue Stadion, die FH. Jetzt stockt der B-10-Ausbau, auf der A 62 geht es nicht weiter, der Zweibrücker Flughafen wird geschlossen. Das drückt auf die Stimmung. Was wir brauchen, ist ein deutliches Zeichen aus Mainz für die Region. Wir brauchen Hilfe, auch was die Verkehrsinfrastruktur angeht. Wie wollen Sie dagegenhalten? Man darf sich nicht nach unten ziehen lassen. Zudem gibt es in der Stadt ein unheimliches Zusammengehörigkeitsgefühl. Es gibt so ein Pirmasens-Gen, das heißt, wir geben nicht auf. Die Monostruktur hat sich sehr positiv verändert. Wir haben Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen, die nicht so anfällig sind für globale Schwankungen. Deshalb sehe ich die Zukunft positiv. Die Region hat eine Chance. Sie gelten, was das Finanzmanagement angeht, als sehr innovativ, haben gerade ein Schuldschein-Darlehen aufgelegt, sind damit viel weiter als viele große Kommunen. Aber drückt Sie nicht manchmal, dass Sie aufgrund der Finanzlage nicht so gestalten können, wie Sie wollen? Die Situation fordert mich eher heraus. Ich lasse mich da nicht entmutigen. Ich mache mir viele Gedanken über vernünftige Konzepte. Da muss man halt nach ganz individuellen Lösungen suchen. Wie bei der Alten Post. Dafür haben wir keine Haushaltsmittel ausgegeben. Es gab ein Privatvermögen, was wir geerbt hatten. Das haben wir vernünftig angelegt, haben aus 1,2 Millionen Euro 2,5 Millionen gemacht. Und wir haben Zuschüsse in Höhe von 80 Prozent vom Land gekriegt und es durch zähe Verhandlungen geschafft, dass die am Ende, als die Bausumme von 6,8 auf 11,8 Millionen Euro angestiegen war, trotzdem in voller Höhe geflossen sind. Wie gehen Sie an Projekte heran? Ich bin ein Grübler. Der war ich schon als Kind. Dieser Mechanismus setzt leider vor allem beim Einschlafen ein. Im täglichen Geschäft bleibt keine Zeit, ein komplexes Thema zu durchdenken. Folglich kann ich abends nicht einschlafen. Ich stehe dann irgendwann entnervt auf und gehe an den Schreibtisch. Das kann auch nachts um halb zwei sein. Dann muss ich das, was mir durch den Kopf geht, zu Papier bringen. Wie entspannen Sie? Das geht am besten beim Sport. Da kann der innere Druck raus. So oft es geht, gehe ich ins Campus zum Spinning und Zirkeltraining. Am liebsten setze ich mich aber aufs Rad und fahre durch den Pfälzerwald oder über die Grenze nach Frankreich rüber. Ende nächster Woche fliegen Sie zu Ihrer Tochter in die USA. Bleibt das Diensthandy aus? Ja, nur einmal am Tag wird es kurz eingeschaltet. Beginnt in Ihrem Urlaub der Abriss des Hotels Matheis? Die Arbeiten mit großem Gerät werden um den 11. August starten und drei Wochen dauern. So lange? Ja, man kann da ja nicht mit einem Riesenbagger reinfahren. Da müssen Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden und man muss aufpassen, dass das Ding nicht instabil wird und auf die Alte Post stürzt. Aber keine Sorge, das machen Abrissspezialisten. Was ist mit dem geplanten Park? Die Planung steht und ich glaube, das wird ein schöner Platz. Vor allem aber wird die Schaufassade der Alten Post freigegeben. Davor war vor 1900 auch ein freier Platz. Damit kommen wir zurück zu den Ursprüngen und greifen die Gedanken der Erbauer wieder auf. Wie habe ich mir den Platz vor der Alten Post vorzustellen? Er wird ganz offen gestaltet, damit er genutzt werden kann für Open-Air-Veranstaltungen. An den Seiten gibt es ansteigende Terrassen, abgeschlossen wird er durch zwei Baumreihen mit Sitzbänken. Ich bin positiv gestimmt, dass das gut wird. Tut es Ihnen um das Hotel Matheis leid? Es ist ein Jammer, wie das Haus heruntergekommen ist. Aber die Stadt kann nicht jedes Gebäude retten, dazu fehlt uns einfach das Geld. Wenn man sich für eine Rettung entscheidet, muss eine intelligente Nutzung dahinter stehen. Apropos Nutzung. Die Schulrochade ist ins Straucheln geraten. Sitzt die Ihnen im Nacken? Ja. Ich hätte gerne gehabt, dass es schneller geht. Aber es macht keinen Sinn, sich zu grämen. Da sitzen halt auch noch Zuschussgeber mit im Boot, die ADD, es sind Vergaberichtlinien zu beachten. Das verzögert so ein Projekt. Aber Sie bleiben dran? Klar, die Entscheidung, Gebäude einzusparen, ist richtig getroffen worden. Wir werden den Weg weitergehen, auch wenn er sich jetzt hinzieht. Wobei Zeitgewinn auch etwas für sich hat. Bei jedem Gespräch mit den Schulleitungen kommen neue Ideen auf den Tisch. Das steigert die Zufriedenheit der Betroffenen. Vorbereitungszeit ist unheimlich wichtig. So sind wir ja auch dazu gekommen, die Landgraf-Ludwig-Realschule auf zwei Gebäude zu konzentrieren statt auf vier. Wie geht es weiter? Wir wollen jetzt erst einmal die Umbauten in der Landgraf-Ludwig-Realschule auf den Weg bringen. Da müssen ja auch pädagogische Anforderungen besprochen werden. Nach dem Umzug sollen es ja vor allem für Schüler und Lehrer ein besseres Ergebnis geben. Das heißt, die Planungen fürs Ball-Gymnasium und die Kirchberg-Realschule ruhen? Das muss man sehen. Es geht eins nach dem anderen. Aber wir denken auch schon darüber nach, ob man nicht einiges parallel machen kann. Sie sind der einzige Parteilose im Stadtvorstand. Drängt Sie OB Matheis nicht zum Eintritt in die CDU? Nein, der kennt mich viel zu lange. Parteipolitik, auch wenn sie wichtig ist, hat für mich noch nie eine Rolle gespielt. Ich bin Beschäftigter der Stadt und die Bürger der Stadt bezahlen mich. Nur ihrem Wohle fühle ich mich deshalb verpflichtet und ich will mich durch Parteidisziplin nicht einschränken lasen. Ich habe allen meinen vier OBs bislang gesagt, dass ich ein unheimlich offenes Wort pflege. Alle haben das akzeptiert und honoriert. Welches Projekt möchten Sie noch angehen? Wir haben seit 2003 unheimlich viel zur Verbesserung der Infrastruktur auf den Weg gebracht. Das war eine große Kraftanstrengung. Jetzt sehe ich meinen Schwerpunkt in der Neuordnung des gewerblichen Bereichs in meinem Dezernat. Der ist nicht mehr zeitgemäß und wirtschaftlich genug. Es geht darum, mit weniger Leuten und weniger Kosten die Arbeit besser zu erledigen. Abfallbeseitigung und Straßenreinigung waren schon auf dem Prüfstand, das gibt eine große Reform.

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