Pirmasens Aus versunkener Zeit

Ruben Johannes Sturm, ein gebürtige Pfälzer, der seit mehreren Jahren als Domorganist und Professor in Rottenburg bei Stuttgart wirkt, ist für ein Konzert beim Festival Euroclassic am Sonntagabend in die Pfalz zurückgekommen. Der Heimatbezug spiegelte sich im Programm wieder: Sturm stellte den 250 Besuchern in der Heilig-Kreuz Kirche weitgehend unbekannte Werke saarpfälzischer und französischer Meister vor und spielte auch eigene Improvisationen.

Eine eindrucksvolle Verbindung spätromantischer und neobarocker Musik ist die Choraltoccata „Ein Haus voll Glorie schauet“ op. 10 des St. Ingberter Komponisten Alois Maria Müller (1894-1975), in den 30er Jahren komponiert. Nach einem machtvollen Themenauftakt zeichnete sich Sturms Interpretation durch farbenreiche Klangraumeffekte in flirrenden Klangflächen und romantischen Farbenreichtum aus. Subtil verhaltene Echos verklangen in gedämpftem Widerhall, bevor das Werk zum Abschluss den ursprünglichen Themenblock in einer klaren Formation wieder aufgriff. Innig-melodiös, in warmen, dunklen Klängen mit hellen Oberstimmen, die sich filigran ausdifferenzierten, füllte das Thema des langsamen zweiten Satzes der Sonate Nr. 3 in e-Moll op. 10 von Ludwig Boslet (1860-1951) aus Biedershausen den Raum: Durch seine weichen und doch ungemein klaren Phrasierungen entwarf Johannes Sturm mit tief empfundenem Ausdruck ein plastisches, nahezu dreidimensionales Klangbild. Voller Kraft und Expressivität gestaltete der Gastorganist aus Rottenburg das anschließende Allegretto. Die Erregung der prägnant rhythmisierten kurzgliedrigen Klangblöcke steigerte sich in einem packenden Entwicklungsprozess, um dann wie ein Nachhall aus der Ferne in tiefen, düsteren Tönen zu verklingen. Dann schloss das Ausgangsthema das nachdenkliche Werk ab – mit einer Dynamik, die Sturm mit höchster Kunstfertigkeit und Gestaltungskraft erzielte. Seine Improvisation über die gregorianische Akklamation „Ecce lignum crucis“ setzte in tiefen, dunklen Liegeklängen ein, aus denen sich ganz langsam und verhalten eine melodische Phrase entspann, die sich wie Windesrauschen über dem Liegeton weiter entfaltete und in einen dramatischen Steigerungsprozess einmündete, der aber der gregorianischen Tonsprache verpflichtet blieb. Nach einer Generalpause tasteten sich helle Orgelstimmen suchend vor, steigerten sich zu kurzen, kontrastierenden Motiven, über denen wild-bewegte Orgelstimmen brausten, aus denen sich ein fanalartig-mahnendes kurzes, helles Thema hervorhob, bevor sie in sich zusammenstürzten. Ein Themenfragment mit lautmalerischem Charakter und variierenden Raumklangwirkungen beendete Sturms virtuose, zutiefst beeindruckende Improvisation. Eine romantische Rarität ist die Orgelsymphonie Nr. 3 in e-Moll op. 13 Nr. 3 des französischen Komponisten Charles-Marie Widor (1844-1937). Eine dunkel-verhaltene Melodie verdichtete sich zu düster-dräuendem Ausdruck im Prélude, kontrastierend fielen im zweiten Satz helle Oberstimmen mit einem Thema in tänzerischem Rhythmus ein, der durch die gedämpften Farben wie ein Nachhall aus einer versunkenen Zeit wirkte. Mit breit gefächerter Klangfarbenpalette setzte die markante Marschmelodie ein, die Sturm immer wieder durch gedämpfte Passagen akzentuierte. Helle Orgelstimmen, die an ein tönendes Fresko erinnerten, verliehen dem Marschthema einen sieghaft-zuversichtlichen Charakter. Mit einer Improvisation über den Choral „Ein Haus von Glorie schauet“, in der unruhig-suchende farbige Klangflächen mit einem expressiven postromantischen Thema voller Spannung in Dialog traten, rundete Sturm sein außergewöhnliches Konzert ab. Für den Applaus bedankte er sich mit einer Improvisation über den Choral „In dieser Nacht sei du mir Schirm und Wacht“.

x