Neustadt WM-Leben: Von Wembley bis Rom

Finale! Das weckt Erinnerungen. Ich weiß fast immer, was ich an den Tagen getan habe. Auch mit 50 noch. 1966. England schlägt Deutschland mit 4:2 durch das Wembley-Tor, das keins war. Vater meinte, ich hätte das Endspiel verschlafen. 1974. Der zehnjährige Wolfgang sitzt auf gepackten Koffern. Am Tag nach dem Finale zwischen Deutschland und Holland geht es in den Urlaub. Die erste Flugreise meines Lebens. Der erste Farbfernseher der Familie war rechtzeitig zur WM im eigenen Land angeschafft worden. So brillieren die Niederländer in grellen Oranje-Trikots. Die schwarz-weiß-gekleideten Westdeutschen verlieren in der Vorrunde gegen die Blau-Weißen aus der DDR. Johann Neeskens trifft im Finale per Elfmeter, genau in die Mitte des Tores, zum 1:0 für die Niederländer. Über Monate haben wir das auf dem Bolzplatz nachgemacht. Einfach draufhalten. Vollspann in die Mitte. Deutschland gewinnt trotzdem mit 2:1: dank Gerd Müllers Tor und einer Schwalbe von Bernd Hölzenbein, die wir ebenfalls nachstellten. 1982. Endlich der Führerschein. Vier Fußballjungs leihen sich einen VW-Bus und urlauben in Südfrankreich, während in Spanien Toni Schumacher den Franzosen Patrick Battiston im Halbfinale ins Krankenhaus schlägt. Die Franzosen sind ab dem Tag unfreundlich zu uns. Zum Finale sind wir zu Hause, verlieren die Wette gegen den Pizza-Bäcker um die Ecke: 3:1 für Italien. 1986. WM in Mexiko. Mit 22 hat man Flausen im Kopf. Ich schaue das Spiel mit einer Kommilitonin in der Studentenbude. Toni Schumacher haut diesmal keinen um, schlägt aber auch am Ball vorbei. 3:2 für Argentinien mit Diego Maradona. Wir trösten uns gegenseitig. 1990. Wieder Single. Wir beschließen, zum Achtelfinale gegen Holland nach Mailand zu fahren und bekommen auf dem Schwarzmarkt Tickets. Das Finale von Rom erleben wir in der Pfalz in einer Kneipe mit Innenhof. Die Geburt des Public Viewing. 1:0 über Argentinien. „Ich“ bin zum zweiten Mal Weltmeister. 2002. 0:2 gegen Brasilien in Japan. Mein achtjähtiger Sohn im Oliver-Kahn-Trikot ist entsetzt. Sein Torwart-Idol patzt gegen Ronaldo und wird wieder zum Mensch, der Fehler macht. 2014. Die zehnjährige Tochter will wissen, ob es etwas Besonderes ist, wenn Deutschland ein Finale spielt. Ich sage Ja – und schreibe diese Zeilen. (wkr)

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