Neustadt Vortrag: Hildegard von Bingen und die Musik

Neustadt. Mystikerin, Äbtissin, Heilerin, Komponistin, Heilige und Kirchenlehrerin – nur wenige Persönlichkeiten des Mittelalters sind im heutigen Bewusstsein noch so präsent wie Hildegard von Bingen. Mit seinem Vortrag „Hildegard von Bingen und Cluny oder der Nonnen-Chor“ würdigt sie der Romanist und Historiker Claus-Peter Haverkamp am Sonntag in der Neustadter Stadtbücherei auf Einladung der Deutsch-Französischen Gesellschaft vor allem als Musikerin.

„Aus meiner Sicht ist Hildegard von Bingen nicht denkbar ohne ihre Musik, die für sie eine Vision war“, erklärt der seit 44 Jahren bei Mâcon lebende Referent. Diese wiederum wäre ohne die Benediktinerabtei Cluny, die sie selbst allerdings nie kennenlernte, und deren Liturgiereform nicht möglich gewesen. In der Gregorianik nimmt diese Musik eine Sonderstellung ein, zeichnet sie sich doch durch große Tonumfänge und Intervalle aus. 77 liturgische Gesänge sammelte Hildegard unter lateinischem Titel, der in deutscher Übertragung „Symphonie der Harmonie der himmlischen Erscheinungen“ lautet. „Noch heute brauchen Sänger eines Chores eine spezielle Ausbildung, um diese Kirchenlieder vorzutragen. Es gibt Höhensprünge“, erklärt Haverkamp, „die vorher so nicht existierten. 50 Sekunden lang den Ton anzuhalten, versetzt selbst heutige Sänger in eine Art Ekstase.“ Damit die Zuhörer einen Eindruck von der Intensität dieser Musik erhalten, wird Haverkamp Beispiele von einer CD vorspielen. Hildegard von Bingen, wahrscheinlich 1098 geboren, lebte zunächst im Benediktinerkloster Disibodenberg an der Nahe. 1147-1150 gründete sie das Kloster Rupertsberg bei Bingen. Sie predigte öffentlich. Ihre Visionen, die sie bereits als Kind hatte, veröffentlichte sie in in drei Visionswerken. Schon zu Lebzeiten wurde sie als Heilige verehrt. Die offizielle Heiligsprechung erfolgte aber erst 2012. In Cluny wurde im Juli ein musikalisches Schauspiel mit Texten Hildegards aufgeführt, das Haverkamp als Historiker betreute. 1947 in Dortmund geboren, studierte er Romanistik, Theologie und Geschichte in München. Mit einer Französin verheiratet, fand er in Le Creusot eine zweite Heimat. Wegen seiner Verdienste wurde er 2012 als erster Deutscher in die Akademie von Mâcon aufgenommen.

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