Neustadt Spurensuche in der Weisengasse

Auf eine spannende Reise in die Zeit vor etwa 7000 Jahren nahmen Prof. Joseph Maran und Dr. Carsten Casselmann vom Institut für Ur- und Frühgeschichte und Vorderasiatische Archäologie der Uni Heidelberg die zahlreichen Zuhörer mit. Die Grabungen, die Casselmann seit 2008 jährlich mit Studenten des Instituts durchgeführt hat, haben inzwischen viele interessante Erkenntnisse zu Tage gefördert. Doch auch die Besucher des Vortrags müssen erst einmal umdenken. Das neben dem Kulturviereck gelegene „Älteste Haus“ ist den Forschungsergebnissen nach überhaupt nicht Haßloch ältestes Haus. Das waren Langhäuser in der Weisengasse, führte Prof. Dr. Dr. Robert Olbrich in einer Einführung aus, und diese Siedlung sei immerhin schon um 5000 vor Christus in der Jungsteinzeit entstanden. Das war die Zeit, in der Menschen begannen, sesshaft zu werden und sich mit Ackerbau und Viehzucht zu beschäftigen, als aus Wildpflanzen Kulturpflanzen wurden, aus wilden Tieren Haustiere. In der Geschichte ist dieser Einschnitt so bedeutend, dass er als „die neolithische Revolution“ bezeichnet wird. Abgezeichnet hatte sich die Entwicklung schon vor 13.000 Jahren im „fruchtbaren Halbmond“ Anatoliens. Sie gelangte zum Mittelmeerraum, wo sie um 7000 v. Chr. Griechenland erreichte, von da aus weiter nach Nordwesten wanderte und um 5400 v. Chr. auch Haßloch erreichte. Entdeckt wurde die Siedlung erst 1983 im Rahmen der Luftbildarchäologie. Die machte für die Archäologen die Umrisse von vier Häusern sichtbar, die sich unter einem Getreidefeld abzeichneten. 1986 führte Dr. Andrea Zeeb-Lanz von der Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz, Direktion Landesarchäologie (Außenstelle Speyer) dort eine erste Grabung durch. Und tatsächlich wurden die Grundrisse bandkeramischer Langhäuser gefunden. Seit 2008 finden dort Lehrgrabungen des Institut für Ur- und Frühgeschichte und Vorderasiatische Archäologie der Uni Heidelberg statt. „Sie dienen der Forschung und der Ausbildung der Studenten gleichermaßen“, betont der Leiter des Instituts, Prof. Dr. Joseph Maran, und dieses Modell sei „beispielhaft“ auch durch die Zusammenarbeit mit der Gemeinde Haßloch, die das Projekt auch finanziell unterstützt, der Universität Heidelberg und der Landesdirektion in Speyer. Nach zwei Millionen Jahren des Jagens und Sammelns markierte der Übergang des Menschen zu einer bäuerlichen Gesellschaft einen Wendepunkt, der ein starkes Bevölkerungswachstum und eine rasante kulturelle Entwicklung einleitete, so Maran. Dass Migration stattgefunden hat, zeigt sich in Mitteleuropa deutlich auch an der Linienbandkeramik, mit der die Menschen Gefäße verzierten. Sie gelangte von Ungarn aus auch nach Deutschland und Haßloch und war zunächst überregional einheitlich. Einheitlich war auch der Bau der dreigeteilten Langhäuser, die von Längsgruben begleitet waren, die vermutlich der Lehmgewinnung für den Hausbau dienten. Da die frühen Bauern sich in Gegenden mit fruchtbarem Lößboden niederließen, dieser aber durch die Witterung leicht davongetragen wird, sind weder Fußböden noch Herdstellen dieser Häuser noch auszumachen, „wir wissen nicht einmal, wo die Eingänge lagen“, so Maran. Wohl aber, woher das Saatgut für die ersten angebauten Pflanzen wie Linsen, Einkorn, Emmer und Gerste kam: aus Vorderasien. Auch die Ziegen, Rinder, Schweine, die die ersten Bauern hielten, stammten in ihrer Urform aus diesem Gebiet. Andere Fragen sind immer noch offen. Ungeklärt ist beispielsweise, warum in manchen Siedlungen die Toten in einem Gräberfeld bestattet wurden, in anderen direkt in der Siedlung. Auch Feuerbestattungen sind bekannt. In Herxheim wiederum wurden die Toten zerteilt und in Gräben bestattet. Haßloch dagegen, betonte Maran, sei wegen der vielen Hausgrundrisse für Erkenntnisse über das Siedlungswesen „von überragender Bedeutung“. Vier Grundrisse von Langhäusern sind an der Weisengasse bereits entdeckt worden, 20 bis 30 Meter lang, mit einer Breite zwischen sechs und acht Metern. Es ist aber davon auszugehen, „dass die Siedlung weit größer war“ und dass sie auf Haßlocher Gemarkung keineswegs die einzige war. Die beiden Skelette, die Casselmann mit Studenten in der Weisengasse freigelegt hat, waren da „eher Zufallsfunde“, sagte er. Er sei sich zwar„ziemlich sicher“, dass sie in die frühe Phase der Steinzeit gehören, doch sowohl das 2012 geborgene Skelett eines Kindes („das dürfte bei seinem Tod vier bis fünf Jahre alt gewesen sein“) und das 2017 freigelegte Hockergrab eines erwachsenen Menschen würden für die Datierung und das Geschlecht noch genauer untersucht. Wie sorgfältig die angehenden Archäologen bei ihren Grabungen und der Sicherung von Befunden vorgehen müssen, dokumentiert Casselmann mit einer Reihe von Bildern. Sie zeigten, wie geschult ein Auge sein muss, um Spuren von Hausgrundrissen überhaupt entdecken zu können. Sie zeigen aber auch, was die Menschen, die im Neolithikum (Jungsteinzeit) für etwa zwei, höchstens drei Jahrhunderte an der Weisengasse siedelten, zurückgelassen haben. Keramikscherben mit für die Zeit typischen Ritz- und Stichverzierungen sind darunter, aber auch eine Keramikscherbe mit Resten einer Bemalung mit Mäandermuster, die freilich nur noch „sehr, sehr schwer zu erkennen ist“, wie Casselmann erklärt. Gefunden wurden auch eine Perle, Silex-Steine und größere Geschoss-Spitzen. In diesem Jahr finden keine Grabungen statt. Sie sollen 2019 weitergeführt werden.

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