Neustadt Pflege zu Hause überwiegt deutlich

Im Landkreis Südliche Weinstraße werden viermal mehr Pflegebedürftige zu Hause als in stationären Einrichtungen versorgt. Das geht aus dem Datenreport zur Pflegestrukturplanung hervor, mit dem sich der Kreistag gestern befasst hat.

190 Seiten hat der Datenreport, den das Unternehmen für soziale Innovation „Transfer“ aus Wittlich im Auftrag des Landkreises erstellt hat. Der Report basiert auf Daten des statistischen Landesamtes zum Stichtag 15. Dezember 2011 und eigenen Erhebungen des Kreises zum Stichtag 15. Dezember 2013. Er soll regelmäßig alle zwei Jahre parallel zur Bundespflegestatistik erstellt werden. Der Datenreport ist zentraler Baustein der Pflegestrukturplanung, die im Kreis gerade vorbereitet wird. Ende 1999 gab es im Kreis 634 Plätze in stationären Einrichtungen der Dauerpflege, Ende 2011 waren es 618 Plätze. Der Auslastungsgrad lag bei durchschnittlich 90 Prozent. „Auf Grundlage dieser Werte kann nicht auf einen Bedarf nach weiteren stationären Plätzen geschlossen werden“, so das Fazit der Verfasser des Datenreports. Während beispielsweise in der Verbandsgemeinde Maikammer nahezu alle stationären Pflegeplätze (95,5 Prozent) von Ortsansässigen belegt werden, sind es in Bad Bergzabern nur 40 Prozent. Derzeit gibt es im Kreis acht ambulante Pflegedienste, einer weniger als 1999. Diese hatten Ende 2011 laut dem Bericht 530 Kunden, 1999 waren es 425. Die ambulanten Dienste sind also deutlich gewachsen. „Sie sind, gemessen am Landes- und Bundesdurchschnitt, überdurchschnittlich groß“, schreibt Transfer. Im Jahr 2001 nahmen 2391 Kreisbürger Leistungen der Pflegeversicherung in Anspruch (2,18 Prozent der Gesamtbevölkerung). 2011 waren es 2617 Einwohner der Südlichen Weinstraße (2,4 Prozent). Die Statistiker errechnen beim Indikator „stationär versus ambulant“ einen Wert von 3,95. „Der Wert bedeutet, dass im Landkreis Südliche Weinstraße viermal so viele Pflegebedürftige zu Hause wie in stationären Einrichtungen versorgt werden“, betonen die Experten von Transfer. Das Statistische Landesamt geht davon aus, dass sich bis zum Jahr 2050 der Anteil der Einpersonenhaushalte zu Lasten der Mehrpersonenhaushalte auf 41 Prozent erhöhen wird. Immer mehr Menschen werden allein leben, so die Prognose. Im gleichen Zeitraum wird sich die Anzahl der über 80-Jährigen – etwa ein Viertel der über 80-Jährigen nahm 2011 Leistungen der Pflegeversicherung in Anspruch – mehr als verdoppeln. „Unter der Annahme gleicher Bedingungen wird es im Jahr 2020 im Vergleich zu 2011 insgesamt 551 Menschen im Kreis mehr geben, die pflegebedürftig sind“, prognostiziert Transfer. Hiervon würden zusätzlich 136 Personen in stationärer Dauerpflege leben und jeweils fünf zusätzlich in Kurzzeit- und Tagespflege. 130 würden zusätzlich durch ambulante Dienste gepflegt und 275 würden zusätzlich Pflegegeld beziehen, das heißt: Sie werden von Familienangehörigen versorgt. Besorgniserregend ist der zusätzliche Bedarf an Pflegekräften. Im ambulanten Bereich werden bis 2020 zusätzlich 60 Arbeitskräfte benötigt, im stationären Bereich 84. Auch wenn die Pflegestrukturplanung erst noch erstellt wird, werden bereits zukunftsweisende Entscheidungen getroffen, die auf den Datenreport fußen. So hat Landrätin Theresia Riedmaier (SPD) kürzlich im Gespräch mit der RHEINPFALZ betont, dass im Bereich Bad Bergzabern kein Bedarf an einem weiteren Altenpflegeheim bestehe. Der Kreistag hat gestern im nicht öffentlichen Teil seiner Sitzung den Verkauf des Kreisaltenheims in Bad Bergzabern an die Ökumenische Sozialstation Annweiler-Bad Bergzabern beschlossen. Das Votum fiel einstimmig bei einigen Enthaltungen aus, wie Landrätin Theresia Riedmaier (SPD) gestern Abend bestätigte. Im öffentlichen Teil stellten Claudia Hennes und Daniel Weyder von „Transfer“ die Ergebnisse der Studie vor. Fred-Holger Ludwig (CDU) bezweifelt eine der zentralen Aussagen des Reports, wonach ausreichend Plätze in stationären Einrichtungen der Dauerpflege vorhanden seien, es aber zukünftig zusätzlichen Bedarf an ambulanter Pflege geben würde. Der Christdemokrat zitierte aus einer Untersuchung der Technischen Universität Kaiserslautern, die zu dem Ergebnis kommt, dass bis zum Jahr 2030 im Landkreis 420 Plätze in Altenpflegeheimen fehlen würden. „Es gibt auch andere Hinweise, wie die Zahlen der TU Kaiserslautern zu bewerten sind“, antwortete SPD-Fraktionschef Klaus Stalter auf Ludwig. Die Anzahl der Kreisbewohner, die Leistungen aus der Pflegeversicherung erhalte, steige kontinuierlich. Gleichzeitig stagniere die Anzahl der Menschen in stationärer Pflege, oder sei sogar rückläufig. „Das ist ein gutes Zeichen für das Älterwerden“, so Stalter. Es bedeute nämlich, dass die erforderlicher Pflege durch die Familie, durch Hilfskräfte und vor allem durch die Sozialstationen erfolge. Derzeit werde die Statistik der TU Kaiserslautern ausgewertet, sagte Riedmaier. Sie kündigte an, dass die Interpretation dieser Zahlen sowie der Vergleich zum Datenreport von Transfer demnächst dem Kreistag zur Verfügung gestellt würden. (jpa)

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