Neustadt Nachtigall ist zurück

Ob auf Friedhöfen oder Lichtungen, in Hecken, Laub- und Mischwäldern, verwilderten Parks oder naturnahen Gärten: Wer jetzt zu Fuß oder mit dem Rad unterwegs ist, kann in Neustadt an vielen Stellen den kräftigen Nachtigallenschlag hören, der einen Hauch von tropischem Regenwald versprüht.

„Die größten Vorkommen gibt es bei uns entlang des Reh- und des Speyerbachs“, weiß Volker Platz. Allein zwischen der Branchweilerhofstraße und der Autobahn hat der Vogelexperte in diesem Frühjahr sechs Nachtigallenhähne gezählt. An den drei Regenrückhaltebecken zwischen Gimmeldingen und Deidesheim waren es je zwei Männchen pro Becken und entlang der Flugplatzstraße in Lachen-Speyerdorf sechs rufende und singende Hähne. Am Winzinger Knoten und im Weinstraßenzentrum lebt die unscheinbare Vogelart in kleinen Parkanlagen. Mittlerweile gebe es von Diedesfeld bis Königsbach in jedem Ortsteil Nachtigallen, erläutert Platz erfreut. Zunehmend breite sich die Art in Richtung Haardtrand aus. Nach einem Bestandseinbruch vor 40 Jahren in Deutschland gab es ab 1990 einen steilen Anstieg bei Nachtigallen, der sich Ende der 1990er Jahre auf hohem Niveau eingependelt hat. Von hundert Prozent im Jahr 1990 ausgehend, waren es 15 Jahre später gut 270 Prozent. In Rheinland-Pfalz ist derzeit von 4400 bis 11.000 Revieren der Nachtigall auszugehen. Nach der Rückkehr aus den Überwinterungsgebieten stecken die Nachtigallenhähne ihre Reviere per Gesang ab, lassen ihn sowohl in trockenen als auch feuchteren Lebensräumen erschallen. Die Vögel sind dabei laut Platz nicht sehr wählerisch. Gärten, in denen im Herbst Laubsauger zum Einsatz kommen, sind allerdings nichts für die Nachtigall. Wichtig für sie ist eine Schicht aus verrottender Laubstreu mit vielen Kleintieren als Nahrung, die gern auch von Amsel, Drossel und Rotkehlchen durchstöbert werden. Der einzigartige Gesang des mit Rot-, Braun- und Schwarzkehlchen verwandten Vogels hat viele Komponisten beflügelt. Ludwig van Beethoven wählte in seiner Sinfonie Nr. 6, der „Pastorale“, die Flöte zur Nachahmung der Nachtigallen-Stimme. Aber auch Frederic Chopin mit seiner „Nachtigallen-Mazurka“, Johann Strauß mit der „Nachtigallen-Polka“ und Igor Strawinsky mit dem „Lied der Nachtigall“ waren dem Zauber des nimmermüden Sängers erlegen. „Nachtigall, ick hör’ dir trapsen“: Auf den variantenreichen Gesang (das Repertoire kann über 250 verschiedene Strophen umfassen) weist auch der wissenschaftliche Artname „Megarhynchos“ („Großer Schnabel“) hin. „Die Nachtigall, sie war entfernt, der Frühling lockt sie wieder; was Neues hat sie nicht gelernt, singt alte, liebe Lieder“, reimte Johann Wolfgang von Goethe. Auch heute noch ist der bei Shakespeare zitierte Vogel für Neues gut: So wurde aus Julias bebendem Wunsch „Es war die Nachtigall, und nicht die Lerche“ die aktuelle Umschreibung für nachtaktive Menschen oder Frühaufsteher. (ain)

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