Neustadt „Manchmal lockt einfach die Couch“

Hassloch. Von wegen, als junge Mama ist Schluss mit Leistungssport. Alexandra Urich-Klehr hat im Mai das Gegenteil bewiesen, als sie bei den deutschen Meisterschaften im Gerätturnen ihren bisher größten Erfolg feierte: Die 32-jährige Lehrerin aus Böhl-Iggelheim gewann, nur 15 Monate nach der Geburt ihres Sohnes, souverän in der Altersklasse der 30- bis 34-Jährigen mit 55,250 Punkten. Namentlich zählen Teilnehmer dort allerdings „netterweise zu den Senioren“, wie sie betont. Warum sie das trotzdem überhaupt nicht stören muss, hat sie uns erzählt.

Frau Urich-Klehr, sind Sie zuerst zur Rückbildungsgymnastik gegangen oder sofort zurück in die Turnhalle?

Ich habe damals zwar mit der Rückbildung angefangen, aber da ich keine Probleme nach der Geburt hatte, war mir das, was dort geübt wurde, nicht genug, um wieder fit zu werden. Also bin ich schnell wieder zum gewohnten Trainingspensum übergegangen, was ich für mich persönlich besser fand. Nach meiner Knieoperation im vierten Schwangerschaftsmonat hatte ich zu diesem Zeitpunkt auch gar keine gesundheitliche Beeinträchtigung mehr in diesem Bereich. Hält ihr Sohnemann, der bereits laufen kann, Sie ordentlich auf Trab, oder können Sie trotzdem gut trainieren, um auf dem hohen sportlichen Niveau zu bleiben? Mein Mann, der selbst viel Arbeit hat, und unsere Eltern unterstützen mich in diesem Punkt sehr, damit ich die Zeit finde, trotz Arbeit und Kind regelmäßig zu trainieren. Natürlich ist man jetzt nachts öfter mal wach und ist auch am Tag gut beschäftigt (lacht). Erkältet waren wir auch einmal ziemlich. Das hätte ich mir vorher gar nicht so schwierig vorgestellt. Aber es klappt, auch wenn ich jetzt nicht mehr als selbstverständlich betrachte, einfach so die nötige Zeit für die Übungseinheiten zu finden. Man nutzt wirklich jede Minute. Wie wurden Sie so schnell wieder fit, sodass Sie es sogar direkt zum Titelgewinn geschafft haben? Etwa vier Wochen nach Toms Geburt habe ich mit Aerobic angefangen, aber natürlich auch gut aufgepasst, was ich da mache. Im Spätjahr 2013 hatten wir bereits wieder Mannschaftskämpfe im Gerätturnen. Seit dem Spätjahr leite ich bei der VT Böhl die Frauentanzgruppe „No style, just dance“ mit Hiphop, Jazz und Modern Dance, aber schon vorher hatte ich bei den „Stage Devils“ von Kirsten Riedel mitgetanzt. Jetzt trainiere ich ein- bis zweimal pro Woche in Haßloch, vor Wettkämpfen dreimal. In der Woche zuvor pausiere ich allerdings. Ist das nicht eher ungewöhnlich? Warum machen Sie das? Das ist bei mir nicht mehr so wie früher, wo man immer noch mehr und öfters trainiert, je näher der Wettkampf rückt. Ich habe festgestellt, dass das so besser für mich ist und ich sogar mehr Leistung abrufen kann, als wenn ich vorher noch jeden Tag in der Halle bin. Ich weiß, dass das für mich so funktioniert, also kann ich da gelassen bleiben (lacht). Ist für Sie mit dem Meistertitel jetzt ein Traum in Erfüllung gegangen, der somit aber auch erledigt ist, oder haben Sie sich weitere ehrgeizige Ziele gesteckt? Ich würde sehr gerne an den Erfolg anknüpfen. Meine Turnerkollegin Gesa Köhl, die zwei Jahre vor mir Mutter wurde, hatte mich als erstes motiviert, es überhaupt mit der deutschen Meisterschaft anzugehen. Ich dachte dann: Das wäre schon cool, wenn ich das tatsächlich schaffen würde. Allerdings konnte ich überhaupt nicht einschätzen, wie weit ich wohl kommen würde. Im Turnen kann schnell viel schief gehen: Fällt man mal vom Balken, ist sofort ein ganzer Punkt weg. Das wird heute sogar noch strenger gehandhabt als früher bei meinen Anfängen. Vor Ort habe ich dann mehrere ehemalige Studienkollegen wiedergetroffen, Männer wie Frauen, von denen viele inzwischen ebenfalls Eltern geworden sind. Einer sagte mir, es sei auch für ihn als Vater nicht mehr so einfach wie früher, pünktlich ins Training zu kommen. Manchmal lockt einfach nur die Couch - der muss man dann eben widerstehen ...

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