Neustadt Kinder malen Bombenangriffe: Ukrainer berichten vom Leben in Kriegszeiten

Julia Tayps hat für ihren Vortrag Bilder aus der Ukraine mitgebracht, die vom Schrecken des Krieges zeugen.
Julia Tayps hat für ihren Vortrag Bilder aus der Ukraine mitgebracht, die vom Schrecken des Krieges zeugen.

Wie geht das Leben weiter, wenn im eigenen Land plötzlich Krieg herrscht? Eine Delegation aus Mukatschewo in der Ukraine hat am Wochenende Neustadt besucht und dabei vom Alltag im Ausnahmezustand berichtet. Eine Ausstellung in der Stadtbücherei erklärt in Bildern.

Rote Raketen stehen über dem Himmel, am Boden laufen Menschen durch die Straßen, fliehen vorm Bombenhagel, den Koffer in der einen und ein Baby in der anderen Hand: „Die Ukraine steht in Flammen“. So hat die achtjährige Olha Huznetsoma ihr Bild betitelt. Es ist eine von acht Zeichnungen aus Kinderhand, die bis Weihnachten in der Stadtbücherei neben ergreifenden Fotografien gezeigt werden, die Szenen aus dem Kriegsalltag in der Ukraine festhalten.

Die Ausstellung mit Fotografien und von Kindern gemalten Werken aus der Ukraine ist noch bis Weihnachten in der Stadtbücherei zu
Die Ausstellung mit Fotografien und von Kindern gemalten Werken aus der Ukraine ist noch bis Weihnachten in der Stadtbücherei zu sehen.

„Ich wünsche euch, dass eure Kinder keine Bomben malen“, sagte Julia Tayps am Freitag in der Stadtbücherei. Die Vize-Bürgermeisterin von Mukatschewo ist mit 24 Kindern und Jugendlichen und sieben anderen Erwachsenen nach Neustadt gereist, um über den Alltag im Krieg zu berichten. Mit der westukrainischen Stadt in der Region Transkarpatien werden seit mehr als 30 Jahren enge Kontakte über den Arbeitskreis Ukraine Pfalz und die evangelische Kirchengemeinde in Lachen-Speyerdorf, gepflegt seit März besteht zudem eine offizielle Solidaritätspartnerschaft mit Neustadt.

Seit 2014 kein „normales Leben“

Seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine am 24. Februar 2022 seien mehr als 4000 Kinder getötet, mehr als 1000 weitere verletzt worden, berichtete Tayps. „Das sind Zahlen, die sich jeder Mensch auf dieser Welt merken soll. Der Krieg steht vor der Tür Europas, und jeder Europäer muss daran denken, dass es schnell andere Länder treffen kann.“ Für die Ukrainer habe der Krieg schon 2014, als Russland die Halbinsel Krim annektierte, begonnen, betonte sie – „und seitdem sterben Menschen, das dürfen wir nicht vergessen. Wir haben eine Generation, die sich seit fast zehn Jahren kein normales Leben mehr vorstellen kann.“ Viele mussten seither ihr Zuhause verlassen, flüchteten vom umkämpften Osten in die Zentral- und Westukraine, seit dem offiziellen Kriegsbeginn verstärkt auch ins Ausland. „Der Krieg zerstört nicht nur Infrastruktur, sondern auch Schicksale.“

Im westukrainischen Gebiet Transkarpatien, in dem Mukatschewo liegt, habe es zum Glück seit Kriegsbeginn lediglich zwei Angriffe gegeben, doch bald jeden Tag Luftalarm, sagte die Vize-Bürgermeisterin. „Früher dauerte ein Alarm rund 60 Minuten, jetzt oft mehr als drei Stunden, weil Putin seine Drohnen mittlerweile in der Luft auftanken kann.“ Die Herausforderungen sind in Mukatschewo groß: Die 120.000-Einwohner-Stadt hat mehr als 40.000 Binnenflüchtlinge aufgenommen, etliche Männer aus der Stadt stehen an der Front oder sind dort gefallen. „Die Ukrainer kämpfen für Frieden, Freiheit und Demokratie in der ganzen Welt.“

OB: Unterstützung „Ehrensache“

Oberbürgermeister Marc Weigel versicherte der ukrainischen Delegation, dass Neustadt „weiter an eurer Seite stehen“ werde. „Für uns als Demokratiestadt ist es Ehrensache, den bereits geebneten Weg mit der Kirchengemeinde zu gehen.“ Schon über den Arbeitskreis sei eine tiefe Freundschaft entstanden, „die uns als Stadt verpflichtet, unsere Unterstützung in Kriegszeiten zu verstärken“, auch wenn das eine Anstrengung bedeute. Die Ukraine kämpfe nicht nur für die eigene Identität, sondern auch für europäische Werte. „Wenn man die Menschen kennenlernt, die es betrifft, verändert das den Blick auf die Situation“, meinte Weigel. Deshalb sei es wichtig, die Bürger in Kontakt zu bringen.

24 Kinder und Jugendliche und acht Erwachsene sind auf Einladung der evangelischen Kirchengemeinde in Lachen-Speyerdorf aus der
24 Kinder und Jugendliche und acht Erwachsene sind auf Einladung der evangelischen Kirchengemeinde in Lachen-Speyerdorf aus der Ukraine nach Neustadt gereist.

Rudi Job, der den Arbeitskreis (AK) Ukraine Pfalz vor 32 Jahren mitgründete, war seit 1992 25-mal in Mukatschewo und kannte Tayps schon, als sie als Studentin über ein Austauschprogramm des AKs ein Semester in Landau verbrachte. Über den Kriegsausbruch sei er „sehr enttäuscht, weil das gute Werk der Versöhnung damit zerstört worden ist“. Die junge Generation stehe vor der Herausforderung, die Versöhnungsarbeit mit dem russischen Volk weiterzuführen. Durch Beispiele wie die deutsch-französische Freundschaft glaubt Job, dass das möglich ist. Durch Begegnung entstehe Motivation, das Projekt Europa weiterzuführen. „Ich bin froh, dass nun die jüngere Generation weitermacht“, sagt der 83-Jährige. Ihm ist wichtig: „Ehrenamt ist kein Opfer, sondern ein Gewinn.“

Film geht unter die Haut

Tayps sagte, sie sei dankbar für die Unterstützung aus Deutschland, finanziell, militärisch und auch für Geflüchtete. Als Zeichen der Solidaritätspartnerschaft und zum Dank für die „Hilfen und moralische Unterstützung “ aus Neustadt und Lachen-Speyerdorf „seit dem ersten Tag“ übergab die Gruppe aus Mukatschewo ein Partnerschaftstuch, das Sehenswürdigkeiten aus beiden Städten zeigt.

Schülerin Olexandra Isajewa sprach neben Julia Tayps für die „Deutsche Jugend in Transkarpatien“.
Schülerin Olexandra Isajewa sprach neben Julia Tayps für die »Deutsche Jugend in Transkarpatien«.

Der Film „Der längste Tag – Deutsche in der Ukraine während des Krieges“ zeigt, wie die deutsche Minderheit, die seit 300 Jahren in Transkarpatien lebt, nach Kriegsausbruch Anstrengungen zur Rettung der Ukraine bündelt. Er ist auf Youtube zu finden.

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