Neustadt In der Flut der Bilder?

Vier Ausstellungen, darunter drei mit Einzelkünstlern, präsentiert der Neustadter Kunstverein in diesem Jahr wieder in der Villa Böhm, wie der Vorsitzende Wolfgang Glass berichtet. Den Auftakt macht im März/April der Nürnberger Mathias Otto mit fotorealistischer Malerei in Öl-auf-Holz-Technik. Der 57-Jährige bevorzugt als Motiv Räume unserer alltäglichen urbanen Lebenswelt, Straßen, Wohnblocks, aber auch Interieurs, die er immer in nächtlichem Dunkel darstellt, nur spärlich aufgehellt durch Straßenbeleuchtung oder Mondschein, was eine geheimnisvolle Spannung erzeugt. Er stellt sich damit selbst in die lange Traditionslinie des „Nachtstücks“, die von Caravaggio und Elsheimer bis Edward Hopper oder Thomas Ruff reicht (27. März-12. April). Den wahrscheinlich größten in der Malerei nur denkbaren Gegenpol dazu scheinen auf den ersten Blick die informellen Bilder des in Mannheim lebenden Italieners Cesare Marcotto zu bilden, die im Mai in der Villa Böhm zu sehen sind. Die expressiv und spontan wirkenden Ölgemälde entstehen allerdings in einem sich über lange Zeiträume hinziehenden Prozess, der dem akribischen Vorgehen Mathias Ottos wahrscheinlich gar nicht so unähnlich ist. Neben seiner Malerei zeigt der 1959 in Verona geborene und seit 1990 in Deutschland lebende Künstler auch Plastiken, bevorzugt in Bronze (8.-24. Mai). Wie Marcotto ist auch Natascha Brändli, die nach der Sommerpause mit Zeichnungen und Plastiken beim Kunstverein zu Gast ist, von Haus aus Bühnenbildnerin. Außerdem hat sie eine Ausbildung als Mode-Designerin absolviert. Rheinpfalz-Lesern ist sie auch durch ihre formal reduzierten und farblich hervorstechenden Illustrationen in der „Rheinpfalz am Sonntag“ bekannt. Die 44-Jährige, die in Burrweiler lebt, ist künstlerisch also sehr vielfältig aufgestellt, und das wird sie nach Glass’ Worten auch in der Villa Böhm demonstrieren. Vor allem ihre großen Tierplastiken aus Papier, Leim und Draht dürften zu „Hinguckern“ werden (28. August-13. September). Den Abschluss im Ausstellungsreigen markiert dann im November die Mitgliederausstellung des Kunstvereins, die erstmals ein Thema vorgibt: Dieses lautet „Express yourself“ und nötigt allen, die teilnehmen wollen, also ein bisschen Beschäftigung mit sich selbst ab. Die alle zwei Jahre stattfindende Mitgliederausstellung sei nicht zuletzt ein Mittel, das Wir-Gefühl zu stärken, sagt Glass (6.-22. November). Das zahlt sich offensichtlich aus, denn der Verein hat heute rund 290 Mitglieder gegenüber 175, die Glass vorfand, als er im Jahr 2000 den Vorsitz übernahm. So versteht es sich fast von selbst, dass sich der Verein bei der Aktion „Kultur am Bach“ am 11. Juli in der Wallgasse beteiligt. Ob es im Spätsommer wieder ein Open-Air-Kurzfilmfestival im Park der Villa Böhm geben wird, steht dagegen noch nicht fest. „Wenn, dann machen wir es in Eigenregie“, sagt Glass nach den Erfahrungen in diesem Jahr, als der Verein keinerlei Einfluss auf die Auswahl der Filme hatte. Alles hänge davon ab, ob sich intern ein Team finde, das das Projekt angehen wolle. Nicht ganz so langfristig wie in der Villa Böhm plant der Kunstverein in seiner Dépendence im Klemmhof, der „Moments Art Gallery“, die von Rolf Bernhard Koch und Renate Federkiel geleitet wird. „Wir wollen spontan reagieren können, wenn sich kurzfristig etwas Interessantes ergibt“, sagt Koch und weist zudem darauf hin, dass auch der Mietvertrag für die Schaufenstergalerie immer nur für die nächsten drei Monate sicher ist. So beginnt das Programm Mitte Januar mit Bella Godkin, einer jungen Künstlerin aus Mannheim, die eigentlich schon für 2014 vorgesehen war, dann aber verschoben werden musste, weil ihr Atelier ausbrannte und die meisten ihrer Werke ein Raub der Flammen wurden. Die auch als Singer-Songwriterin tätige Künstlerin ist in den Bereichen abstrakte und gegenständliche Malerei, Zeichnung und Druckgrafik unterwegs. Danach ist der Kunsthändler Andreas Ireland, der ebenfalls im Klemmhof eine Schaufenstergalerie betreibt, erstmals mit eigenen Werken zu sehen. „Seine Exponate werden beim Publikum stark polarisieren, was uns willkommene Aufmerksamkeit bringen sollte“, sagt Koch. Für die dritte Ausstellung stehen dann zwei Fotografinnen zur Auswahl: Katja Federkiel, die für die Filmindustrie in Hollywood tätige Tochter von Renate Federkiel, oder deren ebenfalls in Kalifornien lebende Kollegin, die Deutsch-Iranerin Marjam Oskoui. „Wir wollen möglichst beide präsentieren“, sagt Koch, welche der Damen wann in Deutschland sein kann, stehe aber noch nicht fest. Außerdem sei für 2015 noch eine Ausstellung mit dem Neustadter Künstler und Musiker Klaus Scheu vorgesehen, „den wir schon länger im Auge haben“, so Koch. Nicht weniger als sechs Kunstausstellungen will die Fördergemeinschaft Herrenhof 2015 in ihrer Kunsthalle in Mußbach zeigen, zwei Einzel- und drei Gruppenpräsentationen sowie eine Künstlerfamilie, wie Gustav-Adolf Bähr, der Vorsitzende, erläutert. Zum Start im Februar gibt es die in Boppard lebende Künstlerin Monika Kropshofer, die in ihren Werken auf charakteristische Weise Fotografie und Malerei verbindet und damit auf sehr reizvolle Art neue Perspektiven vermittele, wie Bähr schwärmt. Dadurch dass sie großformatige Farbfotos von Natur und Landschaft mit geometrischen Strukturen übermale, entstehe quasi eine zweite Realitätsebene, die zum Nachdenken anrege, so der frühere Leiter der Redaktion Kultur beim Südwestfunk (1.-15. Februar). Fotografie steht auch bei der zweiten Ausstellung des Jahren im Februar/März im Zentrum. Dabei wird der Fotoclub Neustadt, ein Zusammenschluss ambitionierter Amateurfotografen, der alljährlich im Herbst durch eine Ausstellung in der Stadtbücherei auf sich aufmerksam macht, parallel zu den „Mußbacher Spitzen“ eine Themenausstellung mit dem Titel „Das Leben des Weines“ präsentieren. Über ein Jahr lang werden die Mitglieder dann den Weinbau der Region fotografisch begleitet haben – vom Wingert bis in die Weinstube. „Es ist eine Hommage an die Weinregion Pfalz“, erklärt Bähr die Intention (28. Februar-15. März). Im April/Mai schließt sich eine weitere Gruppenausstellung an: Die in Ludwigshafen beheimatete Künstlervereinigung „Der Anker“ ist dann bereits zum dritten Mal mit einer Jahresausstellung im Herrenhof zu Gast (19. April-10. Mai). Und auch mit der Retrospektive des in Darmstadt lebenden, aber in Speyer geborenen Bildhauers Thomas Duttenhöfer, die im Juni folgt, zeigt der Herrenhof, welche Bedeutung er als Schaufenster der „Pfälzer Kunst“ im weiteren Sinne hat. Duttenhöfer wird am 28. Februar 65 und zeigt in dieser „Geburtstagsausstellung“ eine breite Auswahl an Eisenskulpturen und Zeichnungen (31. Mai-21. Juni). Die Skulptur spielt auch gegen Ende des Jahres noch einmal eine große Rolle, wenn der Herrenhof gleich vier Generationen der Künstlerfamilie Rumpf zusammenführt: neben dem bekannten, in Lachen-Speyerdorf lebenden Bildhauer Gernot Rumpf und seiner Frau Barbara auch die Töchter Katharina und Eva sowie die Eltern Martha und Otto und den Großvater Ludwig Rumpf. „Das ist die genialste Künstlerfamilie, die Neustadt zu bieten hat“, ist Gustav-Adolf Bähr voll des Lobes (1. November-9. Dezember). Zuvor gibt es im September/Oktober aber erst noch die Neuauflage der „Art imaginär“, der alle zwei Jahre stattfindenden großen Gruppenausstellung zu phantastischen Kunst, die wieder von dem Südpfälzer Otfried Culmann, selbst eine der großen Persönlichkeiten dieser Kunstrichtung, kuratiert wird (27. September-25. Oktober). Auch der Kunstpavillon im Wingert des Herrenhofs wird nach Bährs Worten im Sommer wieder bezogen werden: Als „Artist in Residence“ sei eine Dresdner Künstlerin in den Blick genommen. Gespräche liefen derzeit. Abschiednehmen heißt es dagegen von der seit 2010 als Leihgabe im Herrenhof aufbewahrten Gebrauchskeramiksammlung des Remscheider Sammlerpaares Ingrid und Hans Martin Kühn. Die Sammlung von über 500 Werken der Töpferkunst aus Bunzlau und der Oberlausitz soll künftig dort gezeigt werden, wo man mutmaßlich den stärksten Bezug zu ihr hat: im Museum der Stadt Bunzlau, dem heute polnischen Bolesławiec in Schlesien. Ausschau nach neuen Räumen in der Neustadter Innenstadt für ihre Galerie Upart hält derzeit Ingrid Bürgy-de Ruijter. Der Standort Haardt ist sowohl beruflich als auch privat seit wenigen Tagen Geschichte für die „dienstälteste“ Neustadter Galeristin. Deshalb wird ihr Ausstellungsprogramm auch frühestens im März starten und ist terminlich noch nicht im Detail festgeklopft. Fest sind bislang Ausstellungen mit drei Stammkünstlerinnen, der Frankfurter Malerin und Fotografin Anne Katrin Schreiner, der im Raum Stuttgart lebenden Anja Luithle, die zuletzt 2010 mit ihren kinetischen Installationen bei Upart zu sehen war, und der in Leipzig lebenden Südpfälzerin Ruth Habermehl, die mit ihren Fotocollagen eingespielte Sehgewohnheiten dekonstruiert. Klar ist außerdem, dass Bürgy im Sommer wieder eine Schau im Showroom der Lichtmanufaktur „Lieht“ in Winzingen ausrichten wird und dass sie auch jetzt in der „galerielosen“ Zeit auf Anfrage hin ihr Schaulager öffnet. Kontakt: 0157–89626651. Der Zufall will es, dass auch die zweite Neustadter Galerie, „Aspekt“ in der Maximilianstraße, ihr Programm im neuen Jahr zurückfährt. „Wir hatten bislang eine sehr hohe Taktung und müssen jetzt einmal ein bisschen Luft holen“, begründen Birgit und Johannes Manz, die die Galerie seit 2010 gemeinsam betreiben, dass sie für 2015 „bislang fast nichts geplant“ haben. Eine Denkpause sei nötig, um zu überlegen, wie man weitermache, sagt Johannes Manz, der auch das Ende der Galerie nicht ganz ausschließen will. „Das Herz würde uns da schon bluten“, sagt er, gibt aber auch zu bedenken, dass bei einem privaten Unternehmen eben auch die Zahlen stimmen müssen. Der Umsatz sei über die Jahre zwar kontinuierlich gestiegen, die „schwarze Null“ aber immer noch nicht erreicht worden. Dabei sieht sich das Ehepaar in seinem Konzept etwa durch die Aufnahme in den Galerienverband Rhein-Neckar Anfang 2014 eigentlich bestätigt. Auch eine (finanziell aber nicht zu stemmende) Einladung zur Messe „Art Karlsruhe“ spricht für die Qualität ihrer Arbeit. Trotzdem sei es nie gelungen, die Vernetzung zu erreichen, die man angestrebt habe, sagen beide. Denn es sei immer ihr Ziel gewesen, nicht einfach ein Laden, sondern ein Ort der Kommunikation für Kunst und Kultur zu sein. Das Ehepaar konstatiert einen tiefgreifenden Mentalitätswandel gerade beim jüngeren Publikum, das von einer solchen Bilderflut umgeben sei, dass das einzelne Bild wohl an Bedeutung verloren habe. Der Umstand, dass im Kunsthandel seit diesem Jahr der volle Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent erhoben werden muss, hat das Geschäft naturgemäß auch nicht gerade angekurbelt. So planen Birgit und Johannes Manz bislang nur zwei Ausstellungen: im März mit der Landauer Malerin Christine Schön und nach der Sommerpause eine, die von einer jungen Kunsthistorikerin aus Wien kuratiert wird und der Einstieg in eine neue Reihe sein könnte, bei der Studenten relativ frei ihr Ausstellungskonzept erproben können. Nach einem sehr turbulenten Jahr 2014 will auch Friederike Zeit das neue Jahr mit ihrer Deidesheimer Galerie etwas ruhiger angehen und sich bis März sogar ganz ausklinken, um endlich wieder einmal zum künstlerischen Arbeiten zu kommen. Von 17. bis 26. April steht dann die elfte Auflage des Keramiksymposiums „Intonation“ an, bei der diesmal sehr viele neue Gesichter dabei sein werden. In der Galerie selbst ist bislang nur eine Ausstellung nach der Sommerpause geplant: „Glänzende Ideen“ solle experimentellen Schmuck aus Blech, Kunststoff, Papier und anderen „unedlen“ Materialien zeigen und damit einmal mehr die im Grunde künstliche Trennlinie zwischen der angewandten und der so genannten „echten“ Kunst einreißen, so Zeit. In der Haßlocher Galerie Ermità bildet Aquarellmalerei im ersten Halbjahr 2015 den Schwerpunkt des Ausstellungsprogramms: Voraussichtlich im März sollten Aquarelle des Speyerers Martin Lutz zu sehen sein, nach Ostern könnten Bilder der Frankenthalerin Karin Klomann in der gleichen Technik folgen, die ihm besonders gefallen haben, weil sie auf subtile Weise Frauenschicksale behandelten, „nicht tragisch, nicht direkt feministisch, aber sehr sehenswert“, berichtet Galerist Hermann Josef Hormes. Das weitere Programm ist dagegen noch vage. Mit der für ihre Betonskulpturen bekannten Haßlocherin Gabriele Köbler sei man im Gespräch, und den Afrika-Aspekt der Galerie könne man eventuell über den Umweg Jamaika abdecken. Im Spätjahr planen Hormes und seine Frau eine Reise dorthin, um sich über aktuelle künstlerische Entwicklungen zu informieren. (hpö)

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