Neustadt „Hohe Professionalität trifft auf lebendige Atmosphäre“

Deidesheim. Von heute an findet in Deidesheim die zehnte Auflage des Keramik-Symposiums „Intonation“ statt. Sieben Künstlerinnen und Künstler werden dabei wieder zehn Tage lang in der Werkstatt von Friederike Zeit und in der ehemaligen Synagoge zusammenarbeiten und am Ende die Ergebnisse präsentieren. Besucher haben in dieser Zeit Gelegenheit, ihnen bei der Arbeit über die Schulter zu schauen und mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Claus Jürgen Holler hat mit Initiatorin Friederike Zeit über das „kleine Jubiläum“ und ihre Erfahrungen mit den „Kunsttagen“ gesprochen.

Frau Zeit, zehn Jahre „Intonation“: Mit welchen Erwartungen sind Sie 2004 an den Start gegangen?

Erwartungen gab es am Anfang gar nicht. Es war ein ganz spontanes Experiment mit absolut offenem Ausgang. Mittlerweile ist das schon anders. Nicht unbedingt, was meine eigenen Erwartungen angeht. Das Publikum ist anspruchsvoll geworden, und ich habe den Druck, im durchaus positiven Sinne, diesen Standard zu halten. Was die Sache ja auch sehr spannend macht. Wer kann sich diesen Luxus schon leisten, die Welt zu durchforsten nach interessanten Menschen mit interessanter Kunst. Was treibt Sie um, Jahr für Jahr die viele Arbeit auf sich zu nehmen? Für mich persönlich ist es ein großes Geschenk, Menschen, die ich nicht kenne, aus anderen Kulturkreisen, mit Kunst, die mir vielleicht auch fremd ist, zu mir nach Hause einzuladen. Man lernt sich kennen und versteht einander besser. Es ist ein großer Unterschied, sich vielleicht mal auf einer Konferenz oder Ausstellungseröffnung irgendwo auf der Welt kurz zu treffen oder in der eigenen Küche zehn Tage lang zusammen zu essen, zu trinken und vor allem in der Werkstatt zusammen zu arbeiten. Ich bin nicht gut für politische Arbeit geeignet, so bringe ich Kultur in den Ort, in dem ich lebe. Und politisch ist das ja auch irgendwie, wenn man Menschen zusammenbringt. Die Suche nach Künstlern, die Spannung vor jedem Beginn ist ein Teil meines Lebens geworden, auf den ich nicht verzichten will. Und es wird hoffentlich noch viele Abende geben, an denen 20 Leute aus zwölf Ländern eng gequetscht um meinen Küchentisch sitzen und diskutieren werden. Ein Symposium eben! Sind Ihnen einzelne Begebenheiten besonders im Gedächtnis geblieben? Interessant waren eigentlich alle Begegnungen. Die Gruppen sind immer überraschend unterschiedlich. Mal geht es laut und lebhaft zu, manche sind eher intellektuell und diskutieren viel, manche gehen sehr freundschaftlich miteinander um. Allerdings gibt es schon manchmal besondere Ereignisse. Für mich war es sehr schön, Jury Musatov bei mir zu haben. Ein junger Ukrainer, der kein Wort Englisch sprach und noch während der Intonation mit Kopfhörern herumlief, auf dem ein Englischkurs zu hören war. Jemanden aus dem ehemaligen Osten dazuhaben war schon sehr exotisch. Auch Torbjørn Kvasbø stellte mich vor große Aufgaben mit seinen gewichtigen Plastiken. Wir haben es gemeistert – mit Hilfe der Leute aus dem Ort. Und auch das gehörte zu den besonderen Momenten. Und dann gab es noch die Italiener, die plötzlich zu fünft hier aufschlugen, obwohl wir nur zwei erwartet hatten. Manchmal war es auch eine Aufgabe von mehreren Jahren, einen bestimmten Künstler zu bekommen. Aber gelungen ist es dann meistens doch. Aber das Schönste war eigentlich das erste Mal. Ich lud einen kleinen Kreis von Kollegen ein, die ich alle, bis auf Hans Fischer, kannte. Eigentlich war mir zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht klar, was ich mit ihnen anfangen soll. Ich habe noch selbst gekocht und alles allein gemacht. Und wie durch ein Wunder hat es prima geklappt. Aus dem Nichts ist ein richtiges Symposium geworden. Gab es auch kuriose Geschichten? Ja, die ganz kurzfristigen Problemlösungen. Zum Beispiel hatte eine Japanerin auf ihrem Flug ihren Koffer verloren. Es dauerte keinen halben Tag und sie war neu eingekleidet - mit Sachen, die Leute für sie vorbeibrachten. Was haben Sie für Ihre eigene Arbeit als Künstlerin mitgenommen? Ich bin offener geworden für Kunst. Habe gelernt, über den Tellerrand zu schauen. In die eigene Arbeit ist das natürlich auch eingeflossen. Es macht Mut, solche Giganten wie Kvasbø und auch Lawson zu sehen. Aber auch die Bescheidenen in ihrer Konsequenz. Meine Arbeiten sind lebendiger geworden. So sehe ich das auf jeden Fall. Haben Sie auch neue Techniken erlernt? Man lernt sehr viel vom Zuschauen. Das geht wohl vielen so, die hier sind. Einer meiner Kollegen hat sogar meine Öfen zu Hause nachgebaut. Wie muss man sich denn die menschliche Ebene vorstellen, wenn einander fremde Leute zehn Tage auf engstem Raum zusammenarbeiten? Es ist schon eine ziemliche Herausforderung für manche, sich dem Publikum zu stellen – und vor allem auch den neugierigen Blicken der Kollegen. Umso schöner ist es dann zu sehen, wenn die verspannten Gesichtszüge sich nach dem ersten Tag entspannen und das Vertrauen zur Gruppe entstanden ist. Es ergibt sich immer ziemlich schnell eine Art Familienstruktur. Jeder nimmt nach dem ersten Tag seinen festen Platz ein. Wir essen alle Mahlzeiten zusammen, was für den Austausch sehr wichtig ist. Es ist eigentlich immer sehr kollegial. Eine Hierarchie zwischen den Generationen gibt es nicht. Ich denke die Alten sind froh, ein wenig Frische der jungen Generation abzubekommen, und die Jungen profitieren natürlich von den Erfahrungen der Arrivierten. Wie sind die Reaktionen der Besucher? Die Besucher spüren relativ schnell die entspannte Atmosphäre. Man kann täglich vorbei kommen, die Künstler sind beim Arbeiten und kommunizieren gerne – auch wenn es erst einmal über das Wetter oder den Wein ist. Ich denke das macht das Ganze auch aus. Die Berührungsängste sind relativ gering, und so mancher, dem die Kunst am Anfang fremd war, kommt über das Persönliche auch der Kunst näher. Und wie reagieren die Teilnehmer? Die Kollegen sind meistens sehr gerührt von der Herzlichkeit der Pfälzer. In Deidesheim trifft die hohe Professionalität der Künstler auf die lebendige Atmosphäre der Provinz – eine ziemlich grandiose und einmalige Mischung. Besucher kommen aus ganz Deutschland. Kontakte entstehen sogar weltweit. Die Arnold’sche Verlagsanstalt traf Torbjørn Kvasbø hier und einigte sich mit ihm daraufhin, ein großes Buch über ihn herauszubringen. Ein anderer Kollege bekam eine Ausstellung in einer sehr renommierten Galerie in der Schweiz, nachdem die Galeristen ihn hier in Deidesheim gesehen hatten. Wen würden Sie gerne mal in die Pfalz holen und was würden Sie sich für künftige „Intonationen“ wünschen? Ideen gibt es insofern, als ich schon wieder eine Liste für das nächste Jahr im Kopf habe. Die ist aber noch geheim, weil es weder Anfragen und somit auch keine Zusagen gibt. Nur soviel: Einer soll aus Polen kommen, einer aus Holland und einer aus Belgien – alles Länder, aus denen wir noch nie jemanden hier hatten. Schön wäre es natürlich, die „Intonation“ auf eine feste Basis zu stellen. Wenn es zum Beispiel möglich wäre, dass die Übernachtungen immer gesichert wären. Schön wären auch ein paar Firmen, die etwas Geld dazugeben, um die Kosten ein wenig abzufedern. Immerhin handelt es sich um ein Volumen von fast 20.000 Euro, wenn man alles zusammenrechnet. Da wäre es schon beruhigend, wenn das vorher gedeckt wäre. Gerade weil ein Ort Kultur braucht. Wein ist gut, Restaurants und Hotels auch, aber Kultur gehört da auf jeden Fall auch dazu. Und die Besucher der „Intonation“ übernachten, essen und trinken.

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