Neustadt Es rattert wie im Kombinat

Neustadt. Stanislav Novitskiy – ein Name, den man sich merken sollte. Manche haben ihn bereits bei seinem Auftritt in der „Jugendphilharmonie Deutsche Weinstraße“ gehört und bewundert, beim Kurpfalzkonzert am Dienstag im Saalbau entpuppte sich der 26-jährige Kasache nun als die große Überraschung des Abends.

Schneller, höher, weiter. Was im Leistungssport schon immer selbstverständlich war, gilt mittlerweile auch in der Musik. Dass ostasiatische Musiker diesbezüglich schon länger eine führende Rolle spielen, ist nicht erst seit der beispiellosen Karriere eines Lang Lang bekannt. Da reicht schon ein Blick in die deutsche Orchesterlandschaften. Fest in asiatischer Hand befindet sich auch die Fachgruppe „Klavier“ der Mannheimer Musikhochschule, wie die Neustadter Klassikfreunde beim Konzert „Virtuose Tasten“ im Saalbau erleben durften: Vor allem aus Südkorea und China kamen die jungen Tastenlöwen. Den Anfang machte Xitong Bai, die als jüngste Interpretin mit Schuberts „Allegretto“ aus dem im Todesjahr 1828 komponierten Zyklus „Drei Klavierstücke“ zunächst einen dem Motto wenig gerechten zarten Auftakt gestaltete, erst im Mittelteil zum großen Tastenzauber ausholte, um schließlich mit der Konzert-Etude op. 40/3 von Nikolai Kapustin, ein sich zwischen Jazzimprovisation und klassischen Strukturen bewegender grandioser Komponist aus der Ukraine, eine bravouröse Vorlage für die nun folgenden spektakulären Exkurse ihrer Kommilitonen in das Reich der musikalischen Artistik zu geben. Wirklich schade: Franz Liszt lässt dem jungen Südkoreaner Handol Kim keine Chance, musikalische Ausdrucksqualitäten unter Beweis zu stellen. Sämtliche Ansätze subtiler Anschlagskultur ersticken im allgemeinen Tastendonner-Rausch. Immerhin: Mit einer vergleichsweise guten Trefferquote jagt er die verdrei- und vervierfachten Tonleiter- und Oktavläufe in wahnwitzigem Tempo rauf und runter, lässt die Triller im Hochgeschwindigkeitsmodus trällern und schüttelt allerlei weitere Klaviertricks aus dem Ärmel. Wir bewundern die gut durchtrainierte Pianistenhand des junge Wilden, bedauern aber gleichzeitig, dass seine Interpretation der „Etudes d’exécution“ – nomen est omen – in der Tat mehr an eine Exekution als an Musik erinnert. Wie man aus einer oberflächlich virtuosen Zirkusnummer dennoch Musik macht, zeigte dann Stanislav Novitskiy. Unter seinen Händen verwandelt sich der riesige Steinway in ein perfektes Präzisionsinstrument mit einer Vielzahl feinster Schattierungen und dynamischer Abstufungen. Novitskys Hände lassen keinen Ton im Klangnebel des rechten Pedals verschwinden, kristallklar und mit der rhythmischen Perfektion eines Schweizer Uhrwerks perlen die rasanten Läufe. Wahrhaft diabolisch und in Sachen Brillanz unübertroffen gibt er Liszts „Mephisto-Walzer“. Weitere pianistische Hexenkünste zelebriert die Südkoreanerin Su-Yeon Yang mit der Sonate op. 83/7 von Prokofieff. Seine Beiträge zur Gattung zählen zu den schwierigsten Repertoirestücken und treiben selbst arrivierten Künstlern regelmäßig den Schweiß auf die Stirn. Die siebte Klaviersonate hat er 1942 komponiert und darin die unstete Kriegslage beschrieben – womit sich der damals schon weltberühmte Komponist den Stalin-Preis, die höchste zivile Auszeichnung der Sowjetunion, einhandelte. Maschinell und unerbittlich rattert die Musik in den raschen Ecksätzen dahin. Die Tasten wunderschön singen lässt Yang nur im zweiten Satz „Andante Calorosa“, der wie eine Erinnerung an eine vergangene heile Welt klingt, bevor sie mittels fulminanter Repetitionstechnik ihren Mitstreitern das Fürchten lehrt - und das Publikum zum Abschluss zu stürmischem Beifall animiert.

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