Neustadt Ein Leben am Mikrofon

Am Freitag beginnt die Finalserie in der Deutschen Eishockey-Liga: Wenn die Mannheimer Adler dann mindestens zweimal Titelverteidiger ERC Ingolstadt in der SAP Arena empfangen, steigt der Adrenalin-Spiegel bei Udo Scholz gewaltig. Der 75-jährige, der in Friedelsheim wohnt, ist fast seit einem Vierteljahrhundert Adler-Hallensprecher und damit nah am Geschehen.

Er hat mit den Eishockey-Spielern wundervolle Momente erlebt, aber auch ganz bittere Stunden. „Das Mitfiebern gehört für mich dazu“, sagt der mittlerweile 75-Jährige, dessen originelle und enthusiastische Ansagen bundesweit bekannt sind. „Ich bin nicht einfach nur Stadionsprecher, ich bin mit viel Leidenschaft bei der Sache.“ Es ist ein Ritual in der Mannheimer SAP-Arena: Kurz vor Spielbeginn verdunkelt sich die Szenerie, Scheinwerfer beleuchten das Eis und es erklingt die Adler-Hymne, „Major Tom“ von Tom Schilling. Die Fans singen lauthals mit. In diesen stimmungsvollen Augenblicken tanzt das Maskottchen des Clubs, ein Hamster, über das Eis – „Udo“, wie es die Adler-Fangemeinde nach ihrem Stadionsprecher liebevoll getauft hat. Ein Zeichen der Wertschätzung. Seit 21 Jahren ist der gebürtige Westfale Scholz bei den Heimspielen des Mannheimer Traditionsclubs am Mikrofon – mit viel Enthusiasmus und Herzblut. „Eishockey und die ganze Atmosphäre um diesen Sport herum fasziniert mich“, sagt er. Mit den Adlern hat Scholz fünf Meistertitel und zwei Pokalsiege gefeiert. Doch er hat auch den schlimmsten Tag seiner Stadionsprecher-Laufbahn noch im Kopf: als die Mannheimer Adler im vierten Playoff-Spiel im Frühjahr 2012 gegen die Berliner Eisbären einen 5:2-Vorsprung acht Minuten vor Ende der Partie aus der Hand gaben, 5:6 verloren und damit die Meisterschaft letztlich vergeigten. „Unfassbar, was damals ablief“, erzählt Udo Scholz. „Der Siegerpokal stand bereits hinter der Spielerbank und die Mädels warteten mit ihren Samtkissen, auf dem die Medaillen lagen.“ Am Ende schnappten sich die Eisbären die Meisterschaft. „Das hat verdammt wehgetan“, sagt Scholz. Für diese Saison ist er optimistisch: „Da ist ein tolles Team zusammengewachsen.“ Die Adler Mannheim sind nicht die erste Station von Udo Scholz als Stadionsprecher. Begonnen hatte alles in seiner westfälischen Heimat Anfang der 60er Jahre. Bei seinem Verein RW Lüdenscheid, wo er als Rechtsaußen agierte, war er verletzt und sprang für den erkrankten Stadionsprecher ein. „Eines Tages kam ein Verantwortlicher von Borussia Dortmund auf mich zu. Ich dachte erst, der wollte mich als Spieler haben“, erzählt Scholz. Was er aber suchte, war einen Stadionsprecher. Also wechselte der junge Udo Scholz nach Dortmund, wo er am 31. August 1963 beim Heimspiel gegen 1860 München seine erste Ansage machte. Er erlebte glanzvolle Zeiten mit Deutscher Meisterschaft und Europapokalsieg . 1972 zog Scholz aus beruflichen Gründen in die Pfalz, wo er 1972 gleich als Stadionsprecher des 1. FC Kaiserslautern engagiert wurde. „Mein erster großer Auftritt war beim legendären 7:4-Sieg des FCK gegen Bayern München“, erinnert sich der Friedelsheimer. Auch andere Höhepunkte auf dem Betzenberg sind ihm noch in Erinnerung: Die Meistertitel von 1991 und 1998 oder das sensationelle 5:0 gegen Real Madrid. Udo Scholz war auch der erste Stadionsprecher hierzulande, der beim Verlesen der Mannschaftsaufstellung nur die Vornamen der Spieler verlas, die Fangemeinde rief danach lautstark den Nachnamen – ein Ritual, das sich bis heute hält. Und noch ein „Copyright“ besitzt er: Er erfand den Schlachtruf „Zieht den Bayern die Lederhosen aus!“. Die Idee kam ihm nach einem Urlaub in Bayern, als er auf der Rückfahrt den Song „Yellow Submarine“ von den Beatles im Radio hörte. Auch „international“ hatte Udo Scholz seine Auftritte, so fungierte er bei der WM 1974 als Stadionsprecher bei der „Wasserschlacht“ zwischen Deutschland und Polen in Frankfurt. Als Sohn eines Lokomotivführers habe er schon als 14-Jähriger im Bahnhof seiner Heimatgemeinde Brügge seine ersten Erfahrungen mit Mikrofonansagen gesammelt. „Ich bin in diesem Bahnhof aufgewachsen und durfte die Züge ansagen, die einrollten und wohin sie fahren.“ Zurück in die Gegenwart. Wenn die Mannheimer Adler den Titel holen, weiß er schon, was getan wird: „Das Adler-Logo vor meinem Lokal in Friedelsheim wird in der Nacht noch neu gestrichen.“

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