Neustadt Ein Kreis hat sich geschlossen

Erinnerung an 1943: Hedi Kraus, hier auf der Sitzbank an der Gedenkstätte, hat als Neunjährige täglich Blumen auf die Soldatengr
Erinnerung an 1943: Hedi Kraus, hier auf der Sitzbank an der Gedenkstätte, hat als Neunjährige täglich Blumen auf die Soldatengräber gelegt.

Anfang August ist an der Stelle, an der im April 1943 eine britische Halifax DK 165 in den Wald zwischen Haßloch und Speyerdorf gestürzt ist, ein Gedenkstein enthüllt worden. Jetzt hat Kenneth Webb, Nachfahre eines der dabei ums Leben gekommenen Besatzungsmitglieder, eine Sitzbank mit einer Gedenktafel gespendet.

Der viermotorige Halifax-Bomber der Royal Air Force hatte sich in der Nacht zum 17. April 1943 auf dem Rückflug von einem Angriff auf die Skoda-Werke in Pilsen (Tschechien) befunden, als das Flugzeug zwischen Haßloch und Speyerdorf von einem deutschen Nachtjäger angegriffen und abgeschossen wurde. Beim Absturz kamen sechs der sieben Besatzungsmitglieder ums Leben. Wie mehrfach berichtet, hatte die Interessengemeinschaft (IG) Heimatforschung Rheinland-Pfalz die Maschine identifizieren, den Absturzort lokalisieren und viele Teile des Flugzeugwracks und der Ausrüstung ans Tageslicht befördern können. Anfang August wurde genau an der Stelle, an der das Cockpit der Halifax auf den Waldboden aufgeschlagen ist, ein Gedenkstein enthüllt, der an den 17. April 1943 und die Opfer des Absturzes erinnert. Zu der Gedenkfeier waren Angehörige von fünf Besatzungsmitgliedern aus Großbritannien angereist. Im Oktober hat die IG Heimatforschung in Zusammenarbeit mit dem Forstamt Neustadt neben dem Gedenkstein eine Sitzbank aufgestellt, die Kenneth Webb gespendet hat. Er ist Neffe des gleichnamigen Piloten der Unglücksmaschine – und ebenfalls für die britische Luftwaffe tätig. Eine Messingtafel an der Bank mit der britischen und deutschen Flagge trägt die Aufschrift „MP-E DK165 Handley Page Halifax Memorial Seat – With grateful thanks to the German People from the Descendants of the Crew (mit herzlichem Dank an das deutsche Volk von den Nachfahren der Besatzung). Für die heute 84-jährige Hedi Kraus hat sich nach über 75 Jahren ein Kreis geschlossen. Als damals neunjähriges Mädchen hat sie sich – zunächst aus Neugier, dann mit wachsendem Mitleid mit den getöteten britischen Soldaten – jeden Tag täglich auf den Speyerdorfer Friedhof geschlichen, wo die Besatzungsmitglieder zunächst bestattet waren. Und was 1943 wohl streng verboten war: Sie legte Blumen auf die Gräber. Nur ihrer Mutter hat sie damals ihr „Geheimnis“ anvertraut. „Sind das unsere bösen Feinde?“, hat sie gefragt. „Niemand wird böse geboren. Menschen werden manchmal durch falsche Systeme zu Feinden gemacht, damit sie sich gegenseitig umbringen“, hat ihre Mutter damals geantwortet. Hedi Kraus hat die Namen der getöteten Besatzungsmitglieder als Neunjährige auswendig gelernt – und kann sie mit 84 Jahren immer noch fehlerfrei wiedergeben. Das verblüffte auch Erik Wieman von der IG Heimatforschung, als er Hedi Kraus zufällig auf dem Lachen-Speyerdorfer Friedhof traf. Er leitete die Geschichte an Kenneth Webb weiter, der gleich ein Gedicht für sie schrieb. Bei der Gedenkfeier im August trafen Hedi Kraus und die Verwandten der Absturzopfer erstmals persönlich aufeinander. Wie vor 75 Jahren legte sie Blumen nieder – diesmal am Gedenkstein.

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