Neustadt Den ersten Alleinflug vergisst man nie ...

Neustadt. „Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein“, singt Reinhard Mey in seinem Hit über seine Liebe zum Fliegen und über das Gefühl der Grenzenlosigkeit. Ganz früh kommen die Jugendlichen des Flugsportvereins Neustadt mit dieser Freiheit in Berührung. Drei von ihnen haben bei dem Jugendvergleichsfliegen auf dem Lachen-Speyerdorfer Flugplatz Lilienthal teilgenommen.

37 junge Piloten aus Rheinland-Pfalz campierten für drei Tage auf dem Flugplatzgelände. Jeder musste drei Starts absolvieren und dabei verschiedene Aufgaben erfüllen. Bester Neustadter war Nikolas Arens auf Rang neun, Joachim Kaltenborn wurde 14. und Tim Herbst 18. Das Neustadter Team belegte Platz drei in der Mannschaftswertung. Damit die rund 120 Starts innerhalb eines Tages durchgeführt werden konnten, wurde eine Winde eingesetzt, die über einen Automotor betrieben wird. Ziemlich schnell und steil werden die Segelflieger in eine Höhe von rund 300 Metern katapultiert. Dort wird das Drahtseil ausgeklinkt. Das Schleppmanöver geht absolut geräuschlos vor sich, nur das Surren des Drahtseils, das die Luft durchschneidet und schließlich an einem Fallschirm zu Boden gleitet, ist zu hören. Bei Starts im Schlepptau eines Motorflugzeugs können die Segler auf rund 800 Meter gezogen werden. „Das ist heute aber nicht notwendig, denn die Aufgaben bestehen aus Manövern über dem Flugplatz und nicht etwa aus Flügen über eine möglichst lange Distanz, bei der in größeren Höhen eine bestimmte Thermik vorherrschen muss“, erklärt die Pressesprecherin des Flugsportvereins, Franziska Weber. Sie betont, dass bei Flügen in weitere Regionen keine Winde eingesetzt werden kann. Ihr Vereinskollege Frank Schwerdtfeger, mehrmaliger Teilnehmer an deutschen Meisterschaften im Segelfliegen, zeigt auf die vereinseigenen Flugzeuge. Neun Stück gibt es, fünf davon stehen für die Flugschüler bereit. „Sie kosten pro Stück rund 150.000 Euro“, weiß der Pilot. Eine Ausbildung zum Segelflieger ist ab dem 14. Lebensjahr möglich, in Ausnahmefällen, bei entsprechender Reife und Körpergröße, kann schon mit 13 Jahren begonnen werden. Voraussetzung, um alleine am Steuer zu sitzen, ist nicht der Flugschein, den man frühestens mit 17 Jahren erhält. „Nach 50 bis 60 Starts dürfen die Piloten alleine steuern, das ist die A-Prüfung“, sagt Franziska Weber. Der 17-jährige Joachim Kaltenborn sitzt seit rund zwei Jahren im Cockpit. Er kam zum Segelfliegen über seinen Onkel und seine Cousins. Er schwärmt: „Das ist einzigartig. Man sitzt nicht nur im Flieger, sondern verbringt den ganzen Tag mit den Kameraden auf dem Flugplatz. Oben in der Luft kann man so wahnsinnig viel sehen.“ Ihn reizt die Geschwindigkeit, mit der er beim Hochziehen in den Sitz gedrückt wird. Und den Pfälzerwald von oben zu beobachten, ist für ihn eine Besonderheit. Der Schüler des Kurfürst-Ruprecht-Gymnasiums geht in die 12. Klasse. Mit den Leistungsfächern Mathematik, Physik und Erdkunde geht sein Interessensspektrum auch beruflich ganz stark in Richtung Luftfahrt. Wie sein erster Alleinflug war? So richtig kann er das gar nicht erklären, dazu fehlen ihm die Worte. Dass es etwas Einmaliges war, merkt man nur daran, dass er betont: „Das vergisst man nie.“ Angst vor der Landung hatte er damals nicht. „Das hatten wir vorher schon so oft zusammen mit dem Fluglehrer geübt“, erklärt er. Die Flugstunden kosten nichts extra, sie sind über den Vereinsbeitrag ebenso abgegolten wie die Starts und die Benutzung des Fliegers. Die Schüler zahlen eine „Flatrate“, eine Pauschale, von 50 Euro monatlich. Je nach eigenem Zeitaufwand, der Verfügbarkeit der Maschinen und der Fluglehrer können sie, so oft sie wollen, ihre Runden über Neustadt drehen. Franziska Weber indes hat in diesem Jahr noch keinen Flug absolviert. Die 33-Jährige erzählt offen von einigen körperlichen Problemen, die zumindest sie schon beim Fliegen hatte. Und die dabei so sehr von Übelkeit geplagt wurde, dass sie die Tüte benutzen musste, weil sie sich übergab. Bei langen Wettbewerbsflügen über mehrere Stunden taucht noch ein anderes menschliches Bedürfnis auf, denn ein Pilot soll auf genügend Flüssigkeitszufuhr achten. Doch diese Flüssigkeit muss irgendwann wieder ausgeschieden werden. „Die Männer haben es einfacher, sie können eine Flasche benutzen“, erklärt Weber. Doch Frauen greifen bei langen Fliegen zu einer anderen Lösung, die nicht „jederfraus“ Sache ist. Sie benutzen Windeln. „Das ist gar nicht einfach, das muss man vorher zu Hause üben“, verrät Franziska Weber.

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