Neustadt Beim „Condor“ gibt’s kein Halten mehr

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Neustadt. Für jeden Geschmack etwas hatte die Gruppe „Graceland“ am Mittwoch bei ihrem Auftritt im Saalbau zu bieten. Die „Simon & Garfunkel“-Tributeband um das Sänger- und Gitarristen-Duo Thorsten Gary als Art Garfunkel und Thomas Wacker in der Rolle des Paul Simon war in diesem Jahr in voller Besetzung, das heißt verstärkt um eine dreiköpfige Band und ein Streichquartett erschienen, und schaffte es auch bei ihrem dritten Konzert in Neustadt, das Publikum restlos zu überzeugen.

Heike aus Landau hatte zusammen mit ihrem Mann schon letztes Jahr den damaligen „Graceland“-Gig besucht und sich fest vorgenommen, auch diesmal wieder dabei zu sein. Eine Eintrittskarte als Weihnachtsgeschenk von der Schwiegermutter hat den beiden ihren Wunsch erfüllt. Klaus aus Edenkoben zeigte sich nicht nur von Garys und Wackers perfektem Harmoniegesang sehr angetan, sondern bewunderte auch deren Können als Instrumentalisten. Valerie aus Frankeneck, sonst eher der klassischen als der populären Musik zugeneigt, schwärmte dagegen von den Streichern, zumal der einzig „Neue“ bei „Graceland“, Bratschist Vadim Razumnyy, aus Kiew, also ihrem Heimatland, der Ukraine, stammt. Wacker und Gary hatten im Vorfeld weder Kosten noch Mühe gescheut und die gesamte Konzertorganisation selbst übernommen. Das ging soweit, dass sie bis wenige Minuten vor Konzertbeginn sogar persönlich als „Kartenabreißer“ an den Aufgängen zum Konzertsaal standen und unsicheren Gästen halfen, ihre Plätze zu finden. Als Lohn für ihren unermüdlichen Einsatz durften sie sich schließlich über mehr als 500 Konzertbesucher freuen, wodurch nicht nur ihre Unkosten gedeckt waren, sondern auch ein kleiner Gewinn hängen blieb. Pünktlich um 20 Uhr änderte sich das Bild dann aber schlagartig und aus den zwei Geschäftsleuten aus dem badischen Bretten wurden innerhalb von Sekunden routinierte Musiker, die es hervorragend verstehen, ihre Zuhörer mitzunehmen in die 1960er bis 80er Jahre als Paul Simon und Art Garfunkel zunächst als Duo, später auch als Solokünstler weltweit unbeschreibliche Erfolge feierten. Die Songs aus ihrem gemeinsamen Schaffen, die gerade mal fünf Studioalben füllten, ihnen aber alleine in den USA drei Nummer- Eins-Hits bescherten, sind bis heute unvergessen und immer wieder im Radio zu hören. „Graceland“ bedienen sich für ihr Repertoire aus diesem Fundus, haben aber unter anderem mit „50 Ways To Leave Your Lover“, „Slip Sliding Away“ und natürlich dem Überflieger „Bright Eyes“ auch Titel aus den Solokarrieren der ehemaligen Folkrocker auf ihrer Spielliste stehen. An den Anfang ihrer Show stellten sie aber Filmmusik, nämlich das Stück „Mrs. Robinson“, das Paul Simon 1967 geschrieben hatte und das als Soundtrack zu dem Streifen „The Graduate – Die Reifeprüfung“, mit Dustin Hoffman in der Hauptrolle, Verwendung fand. Über „America“, „Homeward Bound“ und „Me And Julio Down By The Schoolyard“ arbeitete sich das neunköpfige Ensemble schließlich zum ersten Konzerthöhepunkt, „The Boxer“, vor. Gary übernahm dazu den Leadgesang und überließ den Refrain seinen Zuhörern im Saal, der dafür jedes Mal extra von einem geschickt arbeitenden Lichttechniker ausgeleuchtet wurde. Deutlich spürbar wurde schnell, dass rhythmische Songs am besten ankommen, und so war es kein Wunder, dass „Graceland“ ersten Szenenapplaus und begeisterte Pfiffe ausgerechnet zu „Kodachrome“, einer recht flotten Nummer, entgegen nehmen durften, zu der Geiger Andrea Barla aus San Remo ein gekonntes Solo beisteuerte. Etwas fürs Gefühl gab es anschließend mit „American Tune“, der englischen Fassung des Kirchenliedes „O Haupt voll Blut und Wunden“, an dem nicht nur Paul Simon, sondern auch Johann Sebastian Bach Gefallen gefunden und Bearbeitungen geschaffen haben. Selbst zu diesen ernsten Klängen konnte der energiegeladene „Graceland“-Cellist Vasily Bystroff aus dem russischen St. Petersburg nicht ruhig auf seinem Stuhl sitzen bleiben. Er trieb die Zuschauer immer wieder zum Mitsingen und Mitklatschen an und sorgte auch mit ein paar verbalen Einwürfen für gute Stimmung. Volkwin Weiß aus Pforzheim erledigte im Hintergrund an Piano, Saxophon und Akkordeon solide Arbeit, während Bassistin Martina Berenz, ebenfalls aus Pforzheim, und der Freiburger Schlagzeuger Daniel Kirn für treibenden Rhythmus sorgten. Den weitesten Nachhauseweg aller Bühnenakteure – sollte sie denn dahin wollen – hätte Hiroko Tamaki auf sich zu nehmen. Sie stammt ursprünglich aus Hitachi in Japan und spielt bei „Graceland“, allerdings nur was das Musikalische anbelangt, die zweite Geige. Gary und Wacker sangen und spielten sich auch in der zweiten Konzerthälfte durch die „Simon & Garfunkel“-Hitparade und eroberten mit jedem dargeboten Lied mehr Herzen im Saalbau. Spätestens nach Garys romantischem Paradestück „Bright Eyes“ und dem von „Simon & Garfunkel“ umgearbeiteten peruanischen Volkslied „El Condor Pasa“ gab es in den Reihen kein Halten mehr. Viele Konzertbesucher standen auf, ließen den Saalbauboden unter ihren stampfenden Füßen beben und übernahmen von Wacker und Gary den Gesang zu „Bridge Over Troubled Water“. Die Euphorie erreichte schließlich bei der Zugabe „Cecilia“ ihren Höhepunkt, zu der es dann wirklich auch die letzten Gäste von ihren Sitzen riss. Die Musiker von „Graceland“ verabschiedeten sich dann mit einer schönen Einlage, einer nach dem anderen, von der Bühne, bevor Vasily Bystroff als letzter sein Instrument aus der Hand legte und unter donnernden Applaus winkend den Saal verließ.

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