Neustadt Abenteuer im Herzen Afrikas

Neustadt. Ein Jahr lang hat der inzwischen 74-jährige Wahl-Neustadter Peter Roth damit verbracht, die Erinnerungen an die ersten 30 Jahre seines Lebens niederzuschreiben. Namen und Orte hat er dabei geändert, aber auf die Feststellung, dass alles auf wahren Begebenheiten beruhe, legt er trotzdem großen Wert. Herausgekommen ist ein Buch, das eindrucksvoll sowohl die Entwicklung eines Jungen zum Mann beschreibt, der die Frauen und das Abenteuer liebt, als auch die eines Lehrlings im Feinkosthaus zum Geschäftsführer im Handel.

Roth ist es gewöhnt, mit Leuten zu sprechen, man muss ihm die Würmer nicht aus der Nase ziehen. Er erzählt von seiner geliebten Heimat Fürth, wo er während seines anstrengenden Berufslebens immer wieder Entspannung fand, von seiner Mutter Hilde, die neben der harten Arbeit im eigenen kleinen Lebensmittelladen noch Zeit fand, elf Kinderbücher zu schreiben und zu veröffentlichen und darüber hinaus noch beim Deutschen Kinderschutzbund aktiv war. An einer Wand hängen alte, gerahmte Zeitungsausschnitte, Zeitzeugen, die über die Arbeit der Mutter berichten und ihr Foto zeigen. Die Mutter war es auch, die Roth seinerzeit eine Lehrstelle in einem der vornehmsten Feinkosthäuser Deutschlands in Nürnberg verschaffte, dort, wo seine später durch Bundeswehrdienst und Abenteuerjahre in Afrika unterbrochene Karriere im Handel begann. Roth spricht ruhig, unaufgeregt, gestikuliert wenig. In seinen überwiegend strengen Gesichtszügen spiegeln sich die erlebten Härten des Lebens wider. Tiefe Wangen- und Kinngrübchen, ein schmaler Mund, schmale Augen, die, wenn er so vorgebeugt dasitzt, unter den Brauen kaum zu sehen sind. Wer genau hinsieht bemerkt, dass die Nase nicht ganz gerade ist. Roth lehnt sich zurück und grinst: „Das ist bei dem Unfall in Afrika passiert, die rechte Nasenscheidewand ist nicht mehr da“, erzählt er. Ja, Afrika. Seine Zeit dort spielt auch im Buch eine große Rolle. Zwei Jahre etwa hat Roth im Anschluss an seine Bundeswehrzeit – er war Fallschirmjäger – im Kongo verbracht. Schon die zweimonatige Schiffsreise dorthin war abenteuerlich. Auszüge aus seinem auf dieser Reise geführten Tagebuch hat er in sein Buch eingeflochten. Im Kongo bewohnte er eine Hütte in einem Kral mitten im Urwald, holte als einziger Weißer unter lauter Schwarzen mit 20-Tonnern 20 Meter lange Baum-stammteile aus dem Urwald oder brachte sie mit 40-Tonnern über die gefährlichen Straßen, wegen ihrer tiefen Querrillen „Waschbrettstraßen“ genannt, zu Häfen oder Bahnstationen. „Da konnte man nur Vollgas drüber fahren. Wir mussten Korsetts tragen, um Wirbelsäule und Organe zu schützen“, berichtet er, und man versteht spätestens jetzt, warum er ein Jack-London-Zitat an den Anfang seines Buches gestellt hat. Aber eines Tages passierte dann eben doch dieser schwere Unfall: „Die dicken Stämme bohrten sich in die Fahrerkabine, ich dachte wirklich, ich muss sterben, ich hatte fürchterliche Angst“, bekennt Roth. In Afrika blieb er dennoch eine Weile, denn im Krankenhaus lernte er den Kapitän eines Thunfischfängers kennen, bei dem Roth, noch immer in Abenteuerlaune, prompt anheuerte. In den drei Monaten auf hoher See erlebte er weitere dramatische Begebenheiten: Stürme, Haie und eine weitere Verletzung, die ihn zur Rückkehr nach Deutschland bewog, wo er eine bemerkenswerte berufliche Karriere startete. Roth und seine Frau Silke leben heute in einem Anwesen oberhalb der Villenstraße, das sie 1994 erwarben und in Anlehnung an die norddeutsche Herkunft der Ehefrau „Friesenhof“ nennen. Es ist nicht das erste Eigenheim, das das Ehepaar in Neustadt gekauft hat. Schon einmal, in den 1970er Jahren, als Roth Geschäftsführer der SB-Warenhausgruppe „Esbella“ wurde, hatte es die Familie aus beruflichen Gründen an die Weinstraße verschlagen. Damals besaßen sie zunächst ein Haus in Böhl-Iggelheim, später eines im Afrika-Viertel. Während dieser Zeit trat Roth der Weinbruderschaft bei, der er bis heute treu geblieben ist. Auch das dritte Kind der Roths wurde in der Pfalz geboren. Insgesamt siebenmal, so erzählt Roth, habe die Familie in verschiedenen Städten ein Haus gekauft und wieder verkaufen müssen. „Mein Leben war der Handel“, sagt er und erklärt, dass man, wollte man in der Führungsebene arbeiten, keine Möglichkeit hatte, häufige Ortswechsel zu vermeiden. Über 470 Seiten stark ist Roths Buch, das den Titel „Damals am Fluss“ trägt und dem noch zwei weitere folgen sollen, die die weiteren Lebensabschnitte behandeln. Auffällig ist dabei, dass sich das Thema Sex ganz unverblümt wie ein dicker roter Faden durch die Schilderungen zieht und so ausgiebig behandelt wird, dass es des Guten vielleicht doch ein bisschen zu viel ist. Sicherlich spielt Sexualität in der jugendlichen Entwicklung eine große Rolle, aber warum so viel davon, so reich an Details, zumal Roth allemal genug anderes Spannendes zu erzählen hat und das Buch auch ohne einige dieser Histörchen dick genug geworden wäre? Roth sitzt leicht vorgebeugt, die Arme auf den Oberschenkeln aufgestützt. Er wiegt den Kopf, die linke Augenbraue hebt sich. Dann breitet er die Arme aus und sagt: „Nun ja, ich dachte mir, bei all den Abenteuern, von denen ich berichte, ist Sex gewissermaßen wie ein Farbklecks. Es gehört in den heutigen Büchern vielleicht auch irgendwie dazu ...“ Seit zehn Jahren nun ist Roth im Ruhestand, die Zeit der beruflichen und privaten Abenteuer ist vorbei. „Nein“, sagt er und sieht nachdenklich aus dem Fenster, das den Blick auf das Hambacher Schloss freigibt, „zurück in meine Heimat wollte ich dann nicht mehr. Das Haus hier, mit diesem schönen Ausblick, wollten wir nicht mehr aufgeben.“ Und doch klingt seine Stimme ein bisschen wehmütig.

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