Neustadt Abends werden die Welten getauscht

Es ist in Deutschland offenbar ganz hip geworden, Romane zu schreiben. Gefühlt steht bei einer zunehmenden Anzahl von Menschen ein eigenes schriftstellerisches Werk auf der „To-do-Liste“ des Lebens. Noch viel hipper ist es heute aber erfahrungsgemäß, lediglich zu erzählen, dass man einen Roman schreibt, das Gesamtoeuvre dann aber am Fuß von Seite eins enden zu lassen. Ganz anders war die Herangehensweise von Sandra Helinski, die mit ihrem Mann und ihren beiden jungen Töchtern in Weisenheim am Sand lebt und ihre Schreiberei im vergangenen Jahr offenbar ganz gut verschweigen konnte. Bis zuletzt wusste wohl niemand daheim wirklich, was sie denn so tat, als sie sich abends an dem Computer setzte und die Welten tauschte, während die Kinder schon schliefen und ihr Mann irgendwo zwischen Fernsehfernbedienung und Handballtraining changierte. Bereits seit ihrem siebten Lebensjahr hat sich die im Osten Deutschlands geborene Frau mit dem Verfassen eigener Texte beschäftigt. „Ich habe früher meine eigenen Winnetou-Geschichten geschrieben“, erinnert sie sich. Heute ist Helinski als Biologin Projektmanagerin am Zentralinstitut für Suchtforschung in Mannheim. Dort verwaltet sie große Geldbudgets und organisiert ihre Kollegen in der Wissenschaft. Nach dem Abendessen begibt sie sich dann allerdings in eine völlig andere Welt. Was damals Winnetou war, sind heute Rockstars. Sich selbst findet die 37-Jährige inzwischen ein wenig zu alt, um für Rockstars zu schwärmen, was nicht heißt, dass sie nicht auf die Musik von Bands wie Sunrise Avenue stehen würde. Besonders das „Sich-Hineinfühlen“ in die jungen Frauen zwischen 20 und 30 gelingt ihr gut. In diesem Alter sind ihre Hauptfiguren, so alt ist gleichzeitig die Hauptzielgruppe ihrer Leserschaft. Wobei man streng genommen von einer Hauptzielgruppe gar nicht sprechen darf, denn so hundertprozentig vorhersehbar war es gar nicht, dass es eines Tages tatsächlich einen veröffentlichten Roman geben würde. „Ich habe mich geschämt, sowas zu machen“, sagt Helinski. Schließlich handele es sich nicht um eine besonders anspruchsvolle Thematik. Tatsächlich gehört Helinskis Stil in die Reihe sogenannter Chick-Lit-Geschichten. Auf deutsch bedeutet das etwa Mädels-Literatur. Diese handelt von jungen Frauen und ihrem Freundeskreis. Es geht oft um die Höhen und Tiefen des Alltags, um Gerüchte, Klatsch, Tratsch und Affären. Im Mittelpunkt des Geschehens steht das Streben nach Liebesglück. In Helinskis Buch kreist die Handlung um die Eventmanagerin Sarah, die bei der Ausrichtung einer Musikmesse in Berlin zufällig ihren One-Night-Stand Alex, den attraktiven Leadsänger der Band Sakrileg, wiedertrifft. Vor sechs Jahren hatte sie eine Nacht mit ihm verbracht, die nicht ohne Folgen geblieben ist. Doch bis heute weiß Alex nichts von seiner Tochter Lilly. Und ginge es nach Sarah, sollte dies auch so bleiben. Doch ihre Gefühle für Alex sind alles andere als erloschen. Auch Alex lässt die Begegnung nicht kalt. Er hält Sarah immer noch für seine Traumfrau. Mit ihrer Flucht aus dem Hotelzimmer hat sie ihm damals das Herz gebrochen ... Rund ein halbes Jahr hat sie an „Groß, blond, Rockstar. Traummann“ geschrieben und die Charaktere teilweise erst während des Schreibprozesses selbst entwickelt. „Ich war selbst gespannt, was passiert“, sagt Helinski über die Abende am PC, die wie Fernsehschauen gewesen seien. Spannend. Seit März gibt es das Werk als Taschenbuch im Online-Buchhandel bei Amazon. Bis heute hat der Verlag Digital Publishers nach Helinskis Angaben rund 4000 Exemplare verkauft. Pro Buch springen wohl um die 50 Cent für die Autorin heraus. Dass das Werk beim Zielpublikum ankommt, zeigen die Kommentare bei Amazon. „Durch den lockeren, fesselnden Schreibstil der Autorin, hatte ich das Buch relativ schnell ausgelesen. Ich konnte das Tablet einfach nicht aus der Hand legen“, heißt es da. Oder: „Leichte Unterhaltungslektüre, die den stressigen oder grauen Alltag für ein paar Stunden vergessen lässt. Hier kommt besonders die weibliche und romantisch veranlagte Leserschaft auf ihre Kosten.“ Dass ihr eigenes Leben in ihrem Roman-Erstling durchaus auch verarbeitet ist, das wissen Menschen, die Sandra Helinski besser kennen als ihre Leserinnen. Ihrem Mann sind die Figuren aufgefallen, besser gesagt deren Namen, die Ähnlichkeit mit den Namen der beiden Töchter haben. Dass die Umgebung, die sie beschreibt, der heimischen ähnelt, ist ihm auch nicht verborgen geblieben, wie Helinski über ihren Mann erzählt. Gelesen habe er das Buch bisher aber nicht. „Und ich glaube auch nicht, dass er das tun wird“, sagt die 37-Jährige schmunzelnd. Trotzdem merke sie, dass er auch ein bisschen stolz auf seine Autorin ist. So ganz simpel war es dann nämlich doch nicht, einfach ein Buch zu schreiben, das auch gedruckt wird. 20 Verlage hat Helinski angeschrieben und zum großen Teil Absagen kassiert. Erst der zweite Kontakt mit einem Literaturagenten habe letztlich den Digital Publishers Verlag als Interessenten gebracht. Sie habe ihr Ziel erreicht, sagt Helinski, die nun an ihrer Facebook-Seite bastelt, um sich den Anfragen von Fans zu stellen. Der Verlag verlange da ein gewisses Marketing. Ihr falle das allerdings schwerer als das Schreiben, sagt sie. Bei Amazon gibt es inzwischen eine E-Book-Reihe von Sandra Helinski mit dem Titel „Rockstar Sommer“. Ihr gedruckter Roman ist bei Amazon bestellbar.

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