Neustadt 500 Meisterstücke neu sortiert

Mannheim. In den kunst- und kulturgeschichtlichen Sammlungen der Reiss-Engelhorn-Museen in Mannheim tut sich was: Sammlungsdirektor Hans Jürgen Buderer hat zusammen mit Kurator Andreas Krock die Bestände des 17. bis frühen 20. Jahrhunderts attraktiv umgekrempelt. Unter der Überschrift „Kosmos Kunst“ sind im Zeughaus jetzt 500 „Meisterstücke“ in neuer Sortierung zu bewundern.

Nach sieben Jahren Ruhe im Museum war die Auffrischung der beiden Etagen wohl fällig. Natürlich sind sie wieder da, die spektakulären Erbstücke aus der Zeit des Kurfürsten Carl Theodor, der mitsamt Kurfürstin Elisabeth Augusta, Höflingen und Hofkünstlern in Porträt und Accessoire vertreten ist. Ein unverzichtbares Muss für jede Präsentation ist der Mannheimer Bestand an Frankenthaler Porzellan, jetzt nicht mehr als Block in der Vitrine, sondern in schönen Einzelstücken, die unter wechselnden Überschriften immer wieder auftauchen wie bunte Streusel auf dem Ausstellungskuchen: pfiffige Idee! Die unterschiedlichen Dekore machen es möglich. Dass Ferdinand Kobells Landschafts-Paneele nicht fehlen dürfen, versteht sich von selbst. „Landschaft – Lebensraum und Idylle“ ist schon vom Bestand her ein Thema, „Jagd“ darf als Hinweis auf feudale Freizeitbeschäftigung gelesen werden, der „Krieg zu Wasser und zu Lande“ findet naturgemäß in Gemälden und Grafik statt, „Italien und die Niederlande“ erinnert vor allem an großherzoglich-badische Bilderschenkungen nach dem Ende der alten Kurpfalz. Auch scheinbar didaktisch aufbereitete Abteilungen wie „Gleichmaß, Serie, Flechtwerk und abstraktes Ornament“ ermöglichen mit Entwürfen für Tore und Gitter, Porzellandekor, Roentgen-Sekretär und Mainzer Schreibschrank erhellende Dialoge. Die kühn dazwischen geschmuggelten Drucke von Keith Haring (1989) und Vasarely (1970) freilich wirken eher wie vorlaute Störenfriede. Unter „Vorbild Architektur“ wird des Bildhauer-Architekten Anton Verschaffelt gedacht. Ohne ihn kein Zeughaus und keine Kurfürsten-Statuen im Rittersaal des Schlosses, hier vertreten durch die beiden Bozzetti und zwei zeitgenössische Grisaillen von Johann Peter Hoch. Modisch Interessierte dürfen sich an der frisch aufgepeppten Kostümsammlung freuen. Neu als Geschenk der Erben ins Haus gekommen sind die 1901 von Lenbach gemalten Porträts von Felix und Helene Hecht, ein böser und langwieriger Fall von Raubkunst, der jetzt doch ein einigermaßen glückliches Ende gefunden hat. Kann sein, dass die beiden Porträts mit ein Anlass waren, dem in Mannheim hoch geschätzten Porträtmaler Otto Propheter (1875-1927) eine eigene Abteilung zu widmen. Näher als in dieser Versammlung von Bildnissen der Reiss, Engelhorn, Giulini, Reuther, Gieser und Grün war man als Besucher den führenden Kreisen der Stadt und ihrem nicht gerade kleinen Repräsentationsbedürfnis noch nie. So wandert man, altbekannte Stücke begrüßend und „Neues“ aus dem Depot bedenkend, mal amüsiert, mal belehrt durch das Haus: Da Teile des Tafelsilbers der Geschwister Reiß, dort ein pompöses Jugendstilsofa in Gesellschaft von Trübners Rosen-Bild, hier unter der Spitzmarke „Rocaille“ vereint ein Konsoltisch aus dem Besitz des Kurfürsten Carl Philipp und Paul Egells Entwurf zur Umgestaltung des Mannheimer Marktplatz-Denkmals, nicht zu vergessen die zahlreichen Frucht- und Blumenstücke. Jedes Kabinett bietet eine Attraktion für sich. Da verblüffen die „Sinnlichkeit des Materials“ eleganter Nautilus-Pokale, mit knackigen mythologischen Szenen geschmückte Elfenbein-Humpen und fein gearbeitete historistische Broschen. So kommen die „ästhetische Dimension“ des Einzelstücks und die gesellschaftlichen Kontexte, in denen es eingebettet ist, auf nützliche und gewinnbringende Art zusammen. (sfe)

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