Neustadt „... und danke für das herrliche Wetter!“

Ab 11 Uhr öffnet am Montag die Bewirtung auf dem Tuchmacherplatz. Eine halbe Stunde vor dem Spiel sind die Bankreihen bis auf den letzten Platz besetzt. Zur Unterhaltung ziehen die Darstellergruppen am Speyerbach entlang zur Bühne, begeisterten Beifall zollen die rund 1800 Besucher den Kostümen im Stil alter Zeiten. Für die Technik, die hervorragende Arbeit leistet, scheint dies bereits der Startschuss zu sein: Man lässt den Prolog durchlaufen. „Viel zu früh“, heißt es seitens der Akteure, denn sie benötigen die verbleibenden 20 Minuten, um alle zu versammeln. Elisa Nowotny darf ihren Prolog punktgenau um 14 Uhr zum Spielstart wiederholen. Aus dem Lautsprecher erklingt ein gregorianisches Agnus Dei, die Mönche ziehen auf die Bühne. Sprecher Horst Konrad verliest zu jedem der acht Bilder einen kurzen historischen Hintergrund. Die Welt ist für die Mönche heil, als ihnen Graf Otto, Herzog von Worms, das Kloster zu Ehren des heiligen Lambertus stiftet. 250 Jahre währt die Idylle, bis sie wegen ihrer Schludrigkeit das Kloster den Dominikanerinnen übergeben müssen. Glocken läuten, Klosterschülerinnen, meist aus adeligen Familien, sitzen vor Körben und Zweigen auf dem Boden und binden Laubkränze, betreut von Nonnen. Im Vordergrund spielt sich ein fein akzentuierter Dialog zwischen der Äbtissin (Fanny Breitwieser) und Schülerin Adelheid (Lena Dubberke) ab. Es geht hitzig zu, denn Adelheid möchte das Klosterleben für ihren Traummann aufgeben. Letztlich erscheint der angebetete Heinrich von Breitenstein. Er und seine Geliebte flüchten von der Bühne, von begeistertem Beifall begleitet. Wie viele andere Darsteller spielen auch die Bürgermeister von Deidesheim (Rolf Stahler) und Lambrecht (Arnold Jung) überzeugend ihre Rollen, jeder lautstark oder klagend auf sein Recht beharrend. Bis letztlich Kaiser Rupprecht die gegenseitigen Leistungen regelt. Die Inszenierung von Günther Lauer wirkt lebendig, ist mit Liebe zum Detail ausgestattet, dabei stets mit witzigen Elementen. Wichtig ist Lauer, dass alle auf der Bühne, die keine Sprechrolle haben, „stumm spielen“. Im Hintergrund gibt es immer Interaktionen, angedeutet über Mimik oder Gestik. Bunt wird es bei der Ankunft der Wallonen: Lambrechter sind auf dem Markt, Frauen kneten Teig, bieten Kräuter an, während der Schultheiß (Harald Henrich) ihnen verkündet, dass Kurfürst Ludwig und sein Sohn kämen, um die Flüchtlinge aufzunehmen. Wallonenpfarrer Dujon (Werner Seinsoth) dankt bewegt und schließt das Vater Unser aus dem Stegreif mit den Worten: „Und danke für dieses herrliche Wetter!“ In der Tat ist das Wetter am Pfingstmontag strahlend schön. „Bei der Aufführung am Sonntag haben wir lange gebangt“, erzählt eine Mitwirkende. Gegen 14 Uhr ließ der Regen nach, und man wagte es, das Festspiel zu beginnen. „Es hat glücklicherweise bis auf wenige Tropfen am Schluss gehalten. Wir wollten die rund 1000 Besucher, die mit Regenschirmen auf den Bänken saßen, nicht enttäuschen.“ Ein weiterer Kommentar der Mimin: „Eigentlich spielten wir neun statt acht Bilder. Der erste Auftritt gehörte dem Bauhof, der die Bühne von Wasser befreite.“ Am Pfingstmontag hingegen sind Sonnenhüte statt Regenschirme gefragt. Und so startet das fünfte Bild unter heiterem Himmel mit düsteren Rückblicken auf den Dreißigjährigen Krieg mit Elend, Not und Verwüstung. Militärische Fanfaren künden die Landsknechte an, raue Gesellen, die einen Weinkeller plündern. Allegorisch stark sind die personifizierten Darstellungen von Krieg, Hunger und Pest. Ihre Monologe wirken packend, bedrohlich und schaurig. Viel zu lachen haben die Besucher dann in der Napolenszene, als der Kaiser seinem Minister mit übertriebenem französischen Akzent sein Dekret zur Geißbocklieferung diktiert. Bei der Geißbockübergabe an den jüngsten Bürger im nächsten Bild gefällt die deftig pfälzische Sprache im Disput zwischen Jakob, seiner Braut Lisbeth, dem Büttel und dem Bürgermeister. Das Gelächter ist groß, als der Bühnenersatzbock im Leiterwägelchen angekarrt und auf die Bühne gezogen wird. Auch er liefert eine gute Show, indem er sich sträubt, sich auf die Hinterbeine stellt und am Strick zerrt. Mehrfachen Spontanbeifall gibt es hier wie in der letzten Szene, die mit Glockenläuten angekündigt wird: Seit zwei Stunden warten die Deidesheimer vergeblich auf die Ankunft des Tributbocks. Die Ratsherren spielen Schinkenklatschen zum Zeitvertreib, ihre Frauen zanken gar arg. Als die Lambrechter den Bock endlich auf dem Wägelchen ankarren, lehnen die Deidesheimer ihn ab: Die Hörner sind zu klein und die Beutelprobe ist niederschmetternd. „Das gibt einen Prozess“, schreien sie, als die Lambrechter mit ihrem Bock wieder abziehen. Nach lang anhaltendem Applaus folgt der friedliche, zeitgenössische Teil. Lambrechts Stadtbürgermeister Karl-Günter Müller übergibt den echten Tributbock Olli an das jüngst vermählte Lambrechter Brautpaar Julia Dörrzapf und Maximilian Groß.

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