Ludwigshafen „Wusste sofort: Breakdance ist mein Ding“

Niranh Chanthabouasy tanzt seit zehn Jahren bei der vierfachen Weltmeister-Crew Flying Steps. Die millionenschweren Produktionen führten ihn bereits auf sämtliche Kontinente. Wenn Chanthabouasy in Deutschland ist, lebt er in Frankfurt oder Berlin. Angefangen hat aber alles in der Heidelberger Fußgängerzone. Am 12. September gastiert der Tänzer mit der Show „Red Bull Flying Bach“ im Mannheimer Rosengarten.

Niranh Chanthabouasy, wie lernt man eigentlich breaken?

Eine klassische Breakdance-Ausbildung gibt es nicht. Egal, wo man es lernt – im Endeffekt kommt es immer darauf an, wie viel Ehrgeiz und Leidenschaft du in die Sache steckst. Bei mir lief alles sehr autodidaktisch. Mit zwölf Jahren fiel mir ein Flyer für einen Breakdance-Kurs in einem Heidelberger Jugendzentrum in die Hände. Ich war dort, habe es ausprobiert und wusste sofort: Das ist mein Ding. Genau das will ich machen! Und schon mit 15 haben Sie damit Geld verdient. Stimmt! Ich ließ den Hut herumgehen, als ich mit einem befreundeten Breaker zu Funkmusik aus dem Ghettoblaster in der Heidelberger Fußgängerzone tanzte. Irgendwann nahmen mich die Southside Rockers, eine Breakdance-Gruppe aus Süddeutschland, mit zu Jams und ich wurde Teil der Crew. Solche Jams gibt es heute kaum noch, oder? Diese typischen Jams, bei denen alle zusammenkommen, leider nicht mehr. Wenn ein Breaker aus der Schweiz kam, war es selbstverständlich, dass er bei mir oder einem anderen Kollegen übernachten konnte und man gemeinsam mit ihm trainiert hat. Heute trifft man sich bei größeren Veranstaltungen, und es bleibt oft beim Smalltalk. Dieses Einheitsgefühl von früher gibt es kaum noch. Das ist eine ähnliche Entwicklung wie früher in Amerika. Rapper machten ihr eigenes Ding, nahmen Platten auf und verdienten so ihre Kohle, Graffiti-Writer machten Ausstellungen, DJs wurden in Clubs gebucht. Die Tänzer hatten es nicht leicht, mussten kämpfen, um sich über Wasser zu halten. Was macht denn einen guten Tänzer aus? Allein das Talent reicht da nicht. Wenn man das Tanzen wirklich zu seinem Beruf machen will, braucht man ein hohes Maß an Professionalität. Ich habe viele Talente gesehen, die nichts daraus gemacht haben und irgendwann verschwunden sind. Du musst hart arbeiten. Das ist der Schlüssel zum Erfolg. Wie kamen Sie zu den Flying Steps? Ich kannte die Crew schon von gemeinsamen Auftritten und 2003 war ich dann mit Benny Kimoto von den Steps mit einem Tanztheater-Ensemble unterwegs. Er fragte mich, ob ich 2005 nicht mit ihnen am „Red Bull Beat Battle“ in London teilnehmen wollte. Wir gewannen. Und seither läuft es. Ihr seid mehrfache Weltmeister. Inzwischen tanzt Ihr auch zur Musik von Johann Sebastian Bach. Hatten Sie schon immer einen Bezug zur Klassik? Vor „Flying Bach“ gar nicht. Mit zwölf habe ich im Fernsehen mal ein Klassik-Konzert angeschaut, bis meine Mutter ins Zimmer kam und meinte: „Gefällt Dir das? Du bist ja komisch.“ Ich habe schnell umgeschaltet und dann war es das erstmal mit Klassik (lacht). Mit der „Flying Bach“-Produktion habe ich mir dann selbst Gitarre und Klavier beigebracht. Ich habe mich in die Musik hineinversetzt, sie auseinandergenommen und mich in das Thema eingearbeitet. Dass ich die Bach-Stücke auf dem Klavier spielen konnte, hat mir enorm dabei geholfen, sie tänzerisch umzusetzen. Bach und Breakdance klingen zunächst eher gegensätzlich. Viele Leute denken, dass das nicht funktioniert, weil Bach viel zu komplex ist. Aber der Tanz hat sich in den letzten 100 Jahren entwickelt. Wir versuchen, alles aus der Musik herauszuhören und das zu übersetzen. Man kann alles lernen. Jede Form des Tanzes. Oder auch ein Instrument. Du musst dich nur in die jeweilige Form hineinfühlen und den Ursprung verstehen. Dann macht alles Sinn. In die Schablonen und die Formen kann man dann ganz einfach hereinkommen. Ich halte es da wie Bruce Lee: „Leere deine Gedanken! Sei ohne feste Gestalt und Form, so wie Wasser. Wenn man Wasser in eine Tasse füllt, wird es zur Tasse. Füllt man es in eine Flasche, wird es zur Flasche. Sei Wasser, mein Freund.“ Ihr habt eine Subkultur massen- und bühnentauglich gemacht. Eure Produktionen sind millionenschwer. Nehmen Euch das andere Breaker nicht manchmal übel? Na ja, das gibt es natürlich überall. Früher kam der Vorwurf häufiger. Von wegen Kommerz und Ausverkauf. Irgendwann haben die Leute aber gemerkt, dass wir auch nur das machen, was sie selber gerne tun. Wir verdienen damit eben unser Geld. Außerdem sind ja alles unsere eigenen Choreografien. Sie sind jetzt 34. Wie lange können Sie diesen Job noch machen? Sie arbeiten nebenbei ja auch noch als Fotograf. Ich bin kein „Powermover“, bei dem die bloße Akrobatik im Vordergrund steht, eher ein Allrounder mit einem Fokus auf „Popping“ und „Locking“. Auf eine lange Tour bereite ich mich schon intensiver vor als früher. Ich gehe joggen, ins Fitnessstudio oder tanze – trainiere viermal die Woche. Es ist nicht mehr wie mit 15, als ich mir sagte: „Jetzt geh’ ich auf die Bühne und baller meine Moves raus.“ Heute muss ich mich aufwärmen. So lange es geht, werde ich weitermachen. Und wenn es nicht mehr geht, würde ich gerne als Choreograf arbeiten. Ich will meine Fähigkeiten weitergeben und mich kreativ austoben. Und wenn die Beine nicht mehr können, kann der Finger immer noch Fotos machen. Termin Am Samstag, 12. September, 21 Uhr, gastiert die „Red Bull Flying Bach“-Show im Mannheimer Rosengarten.

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