Ludwigshafen Welt hinterm Schutzzaun

Das Mannheimer Benjamin Franklin Village, die Tompkins Barracks in Schwetzingen und das Patrick Henry Village in Heidelberg stehen mittlerweile leer. Bis 2015 werden die US-Streitkräfte die Rhein-Neckar-Region komplett verlassen haben. Die Mannheimer Autorin Agnes Lisa Wegner begleitet den Abzug der Amerikaner seit 2012 mit ihrem Projekt „Goodbye G. I.“ und hat mit dem Dokumentarfilmer Uli Gaulke einen Film gedreht. Am 12. August läuft „Goodbye G. I.“ in der ARD.

In Frankfurt am Main ist Agnes Lisa Wegner in unmittelbarer Nähe einer amerikanischen Wohnsiedlung aufgewachsen. Diese Nachbarschaft zu Angehörigen der US-Streitkräfte in ihrer Kindheit und Jugend hat sie geprägt und letztlich sogar dazu geführt, dass sie, unter anderem an der Eliteuniversität Harvard, Amerikanistik studiert hat. Der Abzug der Amerikaner aus dem Frankfurter Housing Village war für sie ein einschneidendes Erlebnis. In eigentümlicher Stille ist dieser Abzug damals vonstattengegangen. „Als 2010 bekannt wurde, dass die Army auch aus Heidelberg und Mannheim abziehen wird, habe ich mir gesagt, ich möchte nicht, dass das so sang- und klanglos vor sich geht, wie ich das in Frankfurt erlebt habe“, schildert die Autorin und Regisseurin ihre Beweggründe, das Projekt „Goodbye G. I.“ ins Leben zu rufen. Gemeinsam mit mehreren Mitstreitern hat Agnes Lisa Wegner den deutsch-amerikanischen Abschiedsprozess seitdem auf kultureller Ebene mitgestaltet und ihn damit verschiedentlich erst so richtig ins öffentliche Bewusstsein gerückt. Als in der Langen Nacht der Museen 2012 die Turley Barracks in der Mannheimer Neckarstadt-Ost für Besucher geöffnet waren, hat sie das Programm für die Bespielung der denkmalgeschützten Kaserne erarbeitet. Für das Fotofestival Mannheim/Ludwigshafen/Heidelberg organisierte und begleitete sie im vergangenen Jahr Shootings einer Fotografin, die die amerikanische Community im Moment des Umbruchs und Aufbruchs porträtierte. Den letzten Schultag in der Mannheim Elementary School im Benjamin Franklin Village und die Schließung der Schwetzinger Tompkins Barracks hielt Agnes Lisa Wegner selbst in Kurzfilmen fest. Der 80-minütige Film „Goodbye G. I.“ dokumentiert nun den großen, offiziellen Abschied der US Army von der Region und einige kleine, intime Abschiede der Militärangehörigen, ihrer Freunde und Bezugspersonen. Im Heidelberger Patrick Henry Village wird zum letzten Mal das amerikanische Sternenbanner eingeholt. Colonel Bryan DeCoster, der Kommandeur der US-Armee Garnison in Baden-Württemberg, verabschiedet sich auf dem Balkon des Heidelberger Rathauses von den Bürgern. Die Mannheimer Bluessängerin Joy Fleming erinnert sich an ihre jungen Jahre, als sie in den „Ami-Clubs“ auf dem Kasernengelände gesungen hat. Ein altes amerikanisches Ehepaar, das seit über 50 Jahren in Heidelberg zu Hause ist und 1972 den Anschlag der RAF auf das Hauptquartier in der Römerstraße überlebte, äußert sich skeptisch bis unwillig über den anstehenden Umzug von Deutschland nach Kalifornien. Obwohl Sentimentalität und Melancholie im Spiel sind, ist „Goodbye G. I.“ kein verklärender Abschiedsfilm geworden. Gaulke und Wegner geben einen letzten Einblick in eine abgeschottete Welt, die oft als Parallelgesellschaft empfunden wurde, als ein „Little America“ mitten in Deutschland. Sie machen deutlich, dass hinter den hohen Schutzzäunen nicht nur Alltagsleben stattfand, sondern auch weitreichende militärische Entscheidungen getroffen wurden. Deutschland sei, meint ein befragter Vietnam-Veteran, der in Heidelberg geblieben ist, schlicht das Hinterland, in dem die USA ihre Truppen stationieren und vorbereiten können, um sie von hier aus überallhin zu entsenden. „Über den gesamten Zeitraum von 1945 bis zum heutigen Tag war Deutschland eigentlich nichts anderes als ein amerikanischer Flugzeugträger“, sagt er. „Aus unserer politischen Haltung heraus war es für uns wichtig, diese Seite mitzuerzählen“, erläutert Agnes Lisa Wegner den Standpunkt der Regisseure.

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