Ludwigshafen „Was raus muss, muss raus“

Einhart Klucke will das Lästern lassen, was man kaum glauben mag. „Abschied vom Lästern“ heißt jedenfalls das neue Programm des Mannheimer Kabarettisten, das im Theaterhaus TiG7 Premiere hatte.

Wenn alle über alles lästern, werde ihm das Lästern langsam fad, erklärte Klucke seine neue Enthaltsamkeit. Wenn Dieter Bohlen und die „Dschungelcamp“-Moderatoren Sonja Zietlow und Daniel Hartwich heutzutage als größte Lästermäuler gelten, möchte er nicht mehr dazugehören. Selbstironisch sorgt der ehemalige Lehrer und Gewerkschaftssekretär, jedoch dafür, dass man ihm dieses Vorhaben nicht recht abnimmt. Warum sonst würde er ein auffälliges Glitzerjackett überziehen, Roger Whittakers gefühligen Schlager „Abschied ist ein scharfes Schwert“ anstimmen und die entscheidenden Zeilen, in denen von Liebe und Zärtlichkeit die Rede ist, folgendermaßen umtexten? „Stunden des Lästerns, du hast sie besessen / Stunden des Spottens, du musst sie vergessen.“ Über Kluckes musikalisches Talent ist leicht lästern, weil er auf diesem Gebiet nur über hörbar bescheidene Fertigkeiten verfügt. Die wenigen Lieder im neuen Programm erweisen sich jedoch als Glanzpunkte des Abends, weil Klucke seine minimalistischen Songs leidenschaftlich und mit offensiv dilettantischer Punk-Attitüde vorträgt, flankiert lediglich von einem kleinen Keyboard mit simpler Begleitautomatik. Besonders der Song „Geh’ heim, Geheimdienst!“, mit dem Klucke Staats- und Verfassungsschutz schmäht, geht ins Ohr. Zu erwähnen ist an dieser Stelle unbedingt Kluckes „musikalischer Späterzieher“ Andreas Rathgeber. Das Lästern zu lassen, gelingt Klucke natürlich nicht. Immer wieder, gegen jede Absicht, es zu unterdrücken, lästere es unwillkürlich aus ihm heraus, sagt er. „So wie unfreiwilliges Aufstoßen“. „Spöttische Blähungen, boshafte Faulgase“, seien das. Im Familienkreis sei er als akustisches Jauchefass verschrien. Letztlich sei Lästern eben doch der Stuhlgang der Seele, wie der Volksmund wisse. „Was raus muss, muss raus“, sagt Klucke und zieht her über Paketboten und ihre Arbeitsbedingungen, über Computerriesen und Online-Versandhändler, gegen ihre Datensammelwut und ihre Algorithmen, die unser Verhalten vorausberechnen. Klucke lästert über Politiker, die scharf darauf sind, dass im Kabarett über sie gelästert wird, gegen AfD, Pegida und „besorgte Bürger“, gegen das „Thüringer Rechtsbratwürstchen“ Björn Höcke und gegen Jürgen Mannke, den zurückgetretenen Vorstand des Philologenverbands Sachsen-Anhalt, der Mädchen vor sexuellen Kontakten mit muslimischen Männern warnen wollte, und ihnen, so Klucke, stattdessen Sex mit sächsischen Philologen anempfehle. Als Kabarettist lästerst du sowieso von Amts wegen, weiß Klucke. Da gibt es kein Entkommen. Eine Alternative wäre es, Klartext zu reden oder sich zu engagieren, überlegt er. Machen statt zu reden. Mal sehen. Termine Nächste Vorstellungen am 5. und 6. Februar, 20 Uhr, im TiG7 in Mannheim.

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