Ludwigshafen Unter Hochspannung

Mit einem Paukenschlag hat die von der Gesellschaft für Neue Musik veranstaltete Mannheimer Kammermusikreihe begonnen. Das Konzert in den Reiss-Engelhorn-Museen war Auftakt einer über drei Saisons disponierten Gesamtaufführung von Mendelssohns Streicherkammermusik durch das Neustadter Mandelring Quartett. Es bestritt den Abend mit seinem neuen Bratschisten Andreas Willwohl.

Dem Oeuvre des während des Faschismus in Deutschland wegen seiner jüdischen Herkunft verfemten Mendelssohn gilt das besondere Engagement des Mandelring Quartetts. Eine exemplarische CD-Gesamtaufnahme seiner Streicherkammermusik hat das Ensemble bereits vorgelegt. Diesmal sieht das Konzept des Mannheimer Zyklus die Gegenüberstellung von Mendelssohns Werken in jedem der fünf Konzerte mit dem Stück eines von den Nazis mit Aufführungsverbot belegten Komponisten vor. Es sind zwei Opfer, die in Auschwitz ermordeten Viktor Ullmann und Erwin Schulhoff, und drei Emigranten, nämlich Paul Hindemith, Béla Bartók und Berthold Goldschmidt. „Klasse!“, rief eine Besucherin laut nach dem Finale des Es-Dur-Quartetts aus, dem ersten Stück des Programms in den Reiss-Engelhorn-Museen. Inhaltlich lässt sich dem ungewöhnlichen Temperamentsausbruch vorbehaltlos zustimmen. Vermutlich galt er sowohl der Komposition als auch der Wiedergabe, die durch spielerische Brillanz und mitreißenden Schwung schier unwiderstehliche Wirkung entfaltete. Hinzukam die unerbittliche Strenge der Linienführung bei der Fuge und Doppelfuge dieses Schlusssatzes, eines genialen Gesellenstücks seines gerade einmal 14-jährigen Schöpfers. Die beglückenden Eindrücke des Einstands setzten sich nahtlos fort im weiteren Verlauf des Abends. Auf die Gefahr hin, an dieser Stelle bereits wiederholt Gesagtes ein weiteres Mal zu wiederholen, sei festgestellt, dass das Mandelring Quartett heute zu den unanfechtbar führenden Ensembles seiner Gattung zählt. Wobei die neue Besetzung mit Andreas Willwohl und den Geschwistern Sebastian (erste Violine), Nanette (zweite Violine) und Bernhard Schmidt (Cello) die künstlerische Linie nahtlos fortsetzt. Das beginnt bei der spielerischen Bravour der vier Musiker. Wie selbst die heikelsten Passagen mit der Präzision eines Uhrwerks in rasantem Tempo vorbeirauschen, wirkt schlicht überwältigend, was besonders (aber nicht ausschließlich) für die Finalsätze des schon erwähnten Es-Dur-Quartetts und des a-Moll-Quartetts (op. 13) am Ende des Programms gilt. Ein Kapitel für sich bildete der ungemein vitale Zugriff des Ensembles; das Wort „appassionato“ (leidenschaftlich) könnte seinen Stil treffend charakterisieren. So entfaltete im a-Moll-Quartett die vor Spannung berstende Darbietung des ersten Satzes eine überwältigende Gewalt des Ausdrucks. Auch die verwegenen expressionistischen Klanggesten und wilden Ausbrüche von Viktor Ullmanns drittem Streichquartett erhielten hier ebenso markantes Profil wie seine unheimlich wirkenden Piano- und Pianissimo-Schattierungen. Nicht zu vergessenen schließlich die Klangkultur dieses Streicherensembles, die Eleganz und der Feinschliff seiner Darstellung der „Feenklänge“ von Mendelssohns a-Moll-Scherzo (op. 81) und im a-Moll-Quartett die bestrickende Grazie des Intermezzos.

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