Ludwigshafen Steinruck für geordneten Ausstieg aus der Koalition

Turbulenzen bei der SPD: Parteichefin Andrea Nahles legt ihre Ämter nieder. Sie begründet den drastischen Schritt mit fehlendem Rückhalt. Jetzt stellen sich alle die Frage: Wie finden die Sozialdemokraten aus der Krise? Wir haben uns in Ludwigshafen umgehört.

„Persönlich tut mir das leid“, sagt Oberbürgermeisterin Jutta Steinruck (56). Sie schätze Andrea Nahles seit Jahren als „tolle und engagierte Politikerin“. Die SPD stehe nun vor der Aufgabe, sich inhaltlich und personell neu zu orientieren. „Nur so bekommen wir die Chance, künftig wieder Wahlen zu gewinnen“, ist Steinruck überzeugt. Ihrer Partei empfiehlt sie zudem einen „geordneten Ausstieg“ aus der Koalition mit der CDU. Danach solle es „zeitnah Neuwahlen“ geben. Für die Position an der Parteispitze wünscht sich die OB „keine Person, die einem sofort einfällt“. Ideal wäre es, wenn der oder die neue Vorsitzende weder dem Bundestag noch der Regierung angehöre. „Es sollte auch kein Ministerpräsident, sondern ein tatsächlicher Neuanfang mit wirklich neuen Köpfen sein“, betont Steinruck. In der Fraktion sei die Lage anders, da gebe es „einige hervorragende Personen“. David Guthier steht in Ludwigshafen an der Spitze der Stadtratsfraktion und des Stadtverbands. Er sagt, er sei froh über die Entscheidung von Nahles. „Sie verdient dafür Respekt.“ Der 29-Jährige bekennt offen, dass der Rückhalt für Nahles „spätestens mit dem desaströsen Ergebnis der Europawahl völlig weg war“. Die Gremien des Stadtverbands hätten sich ebenfalls vergangene Woche mit der Situation befasst und nach Berlin kommuniziert: „Auch aus Ludwigshafen gibt es keine Unterstützung mehr.“ Guthier führt dabei vor allem das Image der 48-Jährigen an. „Das ist alles andere als toll, das färbt auf die Partei ab.“ Die SPD müsse es schaffen, zu Glaubwürdigkeit zurückzufinden. „Und das hängt zentral mit Personen zusammen“, beschreibt Guthier den Knackpunkt. In Berlin solle die SPD mit Blick auf die Koalition ein geordnetes Verfahren angehen. „Man sollte sich alles anschauen, analysieren und dann entscheiden“, so Guthier. Für den SPD-Vorsitz kommen Guthier zufolge „viele qualifizierte Personen“ infrage. Die Oggersheimer Bundestagsabgeordnete Doris Barnett (66) meint: „Ich finde es schade, dass Nahles sich zu diesem Schritt gezwungen sah. Denn als Fraktionsvorsitzende hat sie mit Koalitionspartner CDU/CSU nicht nur gut verhandelt, sondern fast immer SPD-Positionen durchsetzen können. Als Parteivorsitzende hatte sie begonnen, den Erneuerungsprozess in der SPD voranzutreiben. Aber da ihre Kritiker offenbar immer lauter und mehr wurden, hat sie für sich die Konsequenzen gezogen.“ Sie plädiert dafür, jetzt nichts zu überstürzen. Die Koalitionsfrage stelle sich für sie nicht unbedingt, wenn SPD-Themen wie die Grundrente bis Jahresende beschlossen werden. Unterbezirksvorsitzender Martin Wegner (52) zeigt sich überrascht, mit welcher Konsequenz Nahles den Rückzug angetreten hat. Bei der Nachfolgefrage sieht er nun diejenigen gefragt, „die am lautesten gemeckert haben“. Wegner macht die Probleme seiner SPD vor allem an Personen fest: „Das Produkt ist top, wir verkaufen es zu schlecht.“

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