Ludwigshafen Reif für die Insel

Suche nie eine Wohnung, wenn du in Zeitnot bist und die Stadt nicht kennst. Niemals. Ende 2012 aber hatte ich keine Wahl. Ich wohnte damals noch in Tübingen und schrieb am letzten Kapitel meiner Magisterarbeit. Mein Volontariat bei der RHEINPFALZ sollte am 1. Januar beginnen. Ich stand unter Druck, musste Studienabschluss, Umzug und Wohnungssuche unter einen Hut bringen. Es wirkt ein wenig unseriös, unter der Brücke zu schlafen. Über Internetportale vereinbarte ich Termine mit Maklern. Zweimal fuhr ich gestresst nach Ludwigshafen, um mir Wohnungen anzuschauen. Für die Miete wollte ich zunächst nicht mehr als 400 Euro ausgeben. Eine Wohnung in einem großen Mietshaus in der Wredestraße erfüllte die Kriterien. Nicht zu groß und frei zum gewünschten Termin. Die abgenutzte Pantry-Küche solle ersetzt werden, versprach mir der junge, unerfahren wirkende Makler. Wer denn sonst noch in dem Haus wohne, wollte ich wissen. „Ach, Studenten“, kam die Antwort. Eine dreiste Lüge, wie sich später herausstellte. Aber zurück zur Wohnungsübergabe im Dezember. Schock: Die Küchenzeile war zwar ausgetauscht worden. Der Handwerker hatte es aber nicht für nötig gefunden, zu putzen. Beim Kochen konnte ich mich also von einem schwarzen Schmutzstreifen inspirieren lassen. „Handwerkerpfusch“, kommentierte der Makler achselzuckend. Meine Klage erreichte ihn nicht, er hatte ja seine Provision schon bekommen. Der Schmutzstreifen erwies sich als harmlos, als mir langsam bewusst wurde, in welches Milieu ich mich blauäugig eingemietet hatte. Das gesamte Haus fürchtete sich beispielsweise vor einem Alkoholiker, der vor Kurzem seinen Job verloren hatte. Er verlieh seinem Frust über sein aus den Fugen geratenes Leben Ausdruck, indem er nachts schrie. Tagsüber hört sich das lustig an, aber nachts ist das gruselig. Auf gute Nachbarschaft stieß ich auch nicht mit dem Technofreak an, der zwei Stockwerke unter mir wohnte und das Haus mit einer Privat-Diskothek verwechselte. Der psychisch Kranke aber, der im Hausflur schon Mal seine Hose verlor, tat mir dagegen nur leid. Jedenfalls kündigte ich nach drei Monaten voller Entsetzen und machte mich auf die Suche nach einer neuen Bleibe. Eine Wohnungssuche ist so anstrengend wie aufregend. Man erfährt einiges über die Menschen seiner Stadt. Eine Maklerin versuchte mich für eine Wohnung im Süden Ludwigshafens zu begeistern, indem sie ein anderes Angebot im Norden mit den Worten kommentierte: „Hemshof ist die Hölle.“ In guter Erinnerung ist mir auch die Wohnung, deren Decke mit Holz ausgekleidet war. Man bekam den Eindruck, der Raum stünde auf dem Kopf. Witzig war auch die Geschichte, die mir ein junger Vermieter erzählte. Ein türkisches Pärchen war innerhalb von zwei Wochen einfach ausgezogen, in Unkenntnis der gesetzlichen Kündigungsfrist von drei Monaten. Der Wohnungsmarkt in Ludwigshafen ist jedenfalls mieterfreundlich. Von unverschämten Angeboten, dreisten Maklern und langen Schlangen an Besichtigungsterminen kann nicht die Rede sein. Hält man Termine ein und kann einen Arbeitsvertrag vorweisen, hat man gute Karten. Eigentlich – so mein Eindruck – bewarben sich die Vermieter eher bei mir als ich mich bei ihnen. Und, ja, als Frau hat man einen Bonus, weil noch immer die Vorstellung vorherrscht, das weibliche Geschlecht sei das ordentlichere. Wer in der besseren Position ist, sollte die Höhe der Miete und Kaution sowie den Einzugstermin verhandeln. Schließlich entschied ich mich für eine reizende Wohnung auf der Parkinsel. Mein Vermieter wohnt im selben Haus, was sich als sehr praktisch herausgestellt hat. So habe ich jederzeit einen Ansprechpartner, wenn es um Reparaturen geht. Aus Schaden wird man klug. Meine wichtigsten Erkenntnisse aus einer monatelangen Wohnungssuche sind: 1. Sich ein Viertel zu suchen, das zu einem passt. 2. Jenseits der beliebten Onlineportale suchen, eine Anzeige in der Zeitung aufgeben. Vor allem ältere Menschen vermieten ihre Wohnungen nicht über das Internet. Und wenn privat vermittelt wird, lässt sich die Maklerprovision sparen. 3. Auf sein Gefühl hören: In der passenden Wohnung fühlt man sich wohl, sobald man zur Tür hereinkommt. 4. Herrscht auf dem Mietermarkt nicht viel Konkurrenz und liegt ein Angebot vor: Konditionen aushandeln. 5. Den Vermieter kennenlernen. Ist diesem der Zustand seiner Immobilie wichtig, erleichtert das das Mietverhältnis. Dann kann man sich darauf verlassen, pünktlich eine korrekte Nebenkostenabrechnung zu bekommen. Wenn Menschen ihr Beileid bekunden, dass ich nach Ludwigshafen gezogen bin, dann denke ich immer: Wohnt ihr für weniger als 500 Euro warm neben einem malerischen Park? Könnt ihr morgens im Rhein schwimmen? Eben.

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