Ludwigshafen Pausenbrot im Beichtstuhl

Die Comedians Henni Nachtsheim, der von Badesalz, Rick Kavanian, Schauspieler und Synchronsprecher, und Martin Johnson, Musiker und Komponist, sind ein Trio, das Unterhaltung zur Kunstform macht. Ihr jüngstes „Dollbohrer“-Programm kam beim Publikum im Mannheimer Capitol vorzüglich an.

Comedy ist, wenn die Leute lachen (O-Ton Nachtsheim), und über „Dollbohrer“ lachen alle. Spontan einfach so, weil die Komik unwiderstehlich ist, oder aus Vergnügen am scheinbar simplen, in Wahrheit intellektuellen und treffsicheren Sprachwitz. Keine Kalauer, keine Blödelei, keine ausgelutschten Selbstläufer. Was ein Dollbohrer ist, braucht man in der Kurpfalz nicht zu erklären. Henni Nachtsheim hat eine Reihe abartiger und zugleich eigentümlich in unserer Wirklichkeit verankerter Geschichten über besonders pittoreske Exemplare dieser Spezies geschrieben. Die Reihe lässt sich beliebig verlängern; so dürfen wir uns auf weitere „Dollbohrer“-Programme freuen. Weil sie Erzählungen präsentiert, nennt sich die Show „die andere Lesung“. Die beiden Comedians stehen vor ihren Textblättern und „lesen“. Hinter ihnen thront Martin Johnson am Keyboard zur etwas anderen Umrahmung. Er greift musikalisch ein und vermehrt das Sprecher-Duo bisweilen zum Trio. Die Geschichten fangen gemütlich an, in einem etwas veralteten betulichen Sprachstil. Abrupt schlagen sie in Dialogszenen um, in der à la Badesalz die Späne fliegen. Vorbilder für die fulminant abhebenden Dollbohrer-Typen sind unscheinbare Menschen, denen wir jeden Tag begegnen könnten: kleine Angestellte, Gewerbetreibende, Rentner, unteres Personal aus den Medien, da kennen sich die Comedians besonders gut aus. Die Geschichten sind skurril bis absurd, zynisch beobachtet bis abgefahren, und manchmal sind sie auch anrührend. Eine vom Leben gebeutelte Putzfrau verzehrt im Beichtstuhl gerade ihr Pausenbrot. Da will einer sein Gewissen erleichtern, der den Job hat, treulose Ehemänner zu beseitigen. Auf einem Ast ziehen zwei Eulinnen über einen Jäger her. Im „Schwatz mit Batz“ werden zwei Pornostars interviewt. Für die „1000 (musikalischen) Talente des (dementen Seniors) Willi B.“ greift Martin Johnson opulent in die Tasten. Batman entpuppt sich als Verkaufsgenie. Ein Metzger-Ehepaar entledigt sich eines Kunden, der jeden Tag kurz vor Ladenschluss aufkreuzt und nach endloser Lobhudelei nur zwei Wurstscheibchen ersteht. Ein schüchterner Schleusenwärter ohne wirkliche Aufgabe fischt eine französische Meerjungfrau aus dem Kanal. Der Deutsch-Türke darf selbstverständlich nicht fehlen. Wir begegnen ihm im Tonstudio, wo Interpreten für einen Werbespot gesucht werden. Nacheinander erscheinen die Dollbohrer, die wir zuvor kennengelernt haben, und lassen ihre Begeisterung für Haferbrei ab. Dann kommt ein Protestler: „Schmeckt wie Pappe, verklebt die Klappe.“ Das Publikum darf/soll/will das möglichst lautstark mitsingen. Die Zugabe – drei „Golden Girls“ im Altersheim – war noch einmal ein Höhepunkt. Der besondere Pep der Show liegt im seltsam erheiternden Gegensatz zwischen brav und beinahe andächtig vorgetragenem Erzähltext und der Derbheit der Dialoge. Diese brillieren in allen erdenklichen Ton- und Stimmlagen und einem Potpourri aus vielen Mundarten und Akzenten. Für waschechtes Hessisch und französisches Flair ist Nachtsheim zuständig. Johnson trägt sein heimisches Schwäbisch nuanciert bei. Kavanian ist ein sprachlicher Tausendsassa. Keine Mundart, kein Akzent, den er nicht drauf hat, dass sich die Balken biegen.

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